Deal mit fadem Beigeschmack
31. Mai 2018Die Nachricht sorgte weit über die Grenzen Ruandas hinaus für Aufruhr: Drei Jahre lang soll der Slogan "Visit Rwanda" die Trikots des FC Arsenal zieren. Dafür will das ostafrikanische Land dem britischen Erstligisten rund 34,5 Millionen Euro zahlen, die aus dem wichtigsten Devisenbringer Ruandas, dem Tourismus, kommen sollen. Fast 700 Millionen Euro bis 2024 an Tourismus-Einnahmen verspricht sich die Regierung in Kigali von dem Deal. Zudem sollen Arsenal-Spieler des Männer- und des Frauen-Teams Ruanda einen öffentlichkeitswirksamen Besuch abstatten.
Dass der Sponsoringvertrag im In- und Ausland umstritten ist, hat verschiedene Gründe: Da ist die Liebe Paul Kagames zu Arsenal. Ruandas Langzeitpräsident regiert das Land mit harter Hand, seine Sympathie für den Londoner Klub wirft die Frage auf, wie viel persönliches Interesse hinter dem pikanten Werbedeal steckt. Da ist die Tatsache, dass Ruanda mehr als zwei Jahrzehnte nach einem blutigen Bürgerkrieg und Völkermord immer noch zu den ärmsten Ländern der Welt gehört. Und da sind die Millionen aus der ausländischen Entwicklungshilfe, die jedes Jahr nach Ruanda fließen, von denen - so beteuert es die Regierung - jedoch kein Cent für den Werbevertrag vorgesehen sei.
Der sorgte vor allem in Großbritannien für massive Empörung. "Shirt of Shame" titelte etwa die "Daily Mail" in Anspielung auf die geplante Werbung auf den Spielertrikots. "Britische Steuerzahler werden zurecht schockiert sein, wenn sie erfahren, dass ein Land, das vom Vereinigten Königreich massiv unterstützt wird, Millionen in einen sagenhaft reichen Londoner Fußballverein pumpt. Es ist grotesk”, zitierte die Zeitung den konservativen Abgeordneten Andrew Bridgen. Der in London lebende ruandische Menschenrechtaktivist Rene Mugenzi nannte den Vertrag britischen Medien gegenüber "obszön".
Geld für Premier League anstatt für Wasser und Strom
Aber auch auf dem afrikanischen Kontinent stößt der Deal auf Kritik. "Wie reich ist die ruandische Regierung, dass sie das Arsenal-Team sponsern kann, während die eigenen Bürger in Armut leben und sich nicht einmal eine warme Mahlzeit leisten können? Man hätte das Geld nutzen sollen, um die wirtschaftliche Situation der Bürger und die Infrastruktur zu verbessern", kommentiert etwa ein Nutzer auf der Facebook-Seite der DW-Kisuaheli-Redaktion.
Dass Investitionen in andere Projekte möglicherweise effektiver gewesen wären, räumt auch der tansanische Wirtschaftswissenschaftler Gabriel Mwang'onda ein. Es sei "bedauerlich, dass das Geld nicht etwa in die Wasser- und Stromversorgung sowie in die Bildung geflossen ist", sagte er in einem Interview mit der DW. Der ruandische politische Analyst Robert Mugabe kritisierte gegenüber der Nachrichtenagentur AP mangelnde Transparenz: "Viele Menschen in Ruanda wissen nicht, wie viel Geld investiert wird. Sie erfahren das aus ausländischen Medien."
An der ruandischen Regierung ist die Kritik bislang abgeprallt. Wer die Vereinbarung kritisiere, weil Ruanda Entwicklungshilfe empfange, wünsche dem Land entweder weiterhin Armut oder verstehe nicht, wie wichtig Marketing für jedes Unternehmen sei, twitterte Claire Akamanzi, die Geschäftsführerin der staatlichen Entwicklungsagentur. "Je mehr Ruanda vom Tourismus einnimmt, desto mehr können wir in unsere Bürger investieren. Das ist die Verbindung."
"Keine gute Idee"
In Deutschland ist die Debatte unterdessen in der Bundespolitik angekommen. Christoph Hoffmann, Entwicklungspolitischer Sprecher der FDP, rief die Bundesregierung vor dem Hintergrund des Werbedeals zu einer "Trendwende" in der Entwicklungspolitik auf. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) müsse sich "gegenüber Ruanda klar positionieren". Das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. 103 Millionen Euro staatliche Mittel sollen zwischen 2017 und 2020 aus Deutschland an Ruanda fließen.
Hoffmann ist nicht überzeugt, dass der Vertrag in dem kleinen, sehr dicht besiedelten Land, die erhoffte Wirkung erzielen wird. Ein Deal, der "ganz offensichtlich mit der persönlichen Vorliebe des Präsidenten zu einem Fußballklub zu tun hat", sei keine gute Werbung für die Tourismusindustrie eines Staates. Zudem sei die Höhe der Summe unverhältnismäßig, die Strategie gleichzeitig nicht zielführend. "Leute, die Ruanda besuchen, sind nicht unbedingt Arsenal-Fans. Nach Ruanda reisen vor allem bestimmte Interessenverbände. Die könnte man etwa mit einer Social-Media-Kampagne, die nur drei Millionen Euro kostet, viel besser erreichen." Mehr als 30 Millionen Euro für "einen einzigen Werbevertrag zu zahlen, der möglicherweise nicht die gewünschte Zielgruppe erreicht", sei "keine gute Idee", erklärt Hoffmann.
Der Westen fordert, Ruanda liefert?
Anders sieht das Stephan Klingebiel vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE). Ruanda sei "zunehmend in der Lage, hochpreisigen Tourismus und auch Konferenztourismus ins Land zu holen. Ruanda hat im letzten Jahr rund 1,3 Millionen Besucher gezählt, davon ungefähr 94.000, die die Nationalparks besucht haben." Der Deal erreiche weit mehr als nur die mehreren zehntausend Fans im Arsenal-Stadion, er habe eine potentiell "globale Auswirkung". Außerdem komme der Vertrag dem Land möglicherweise nicht nur durch direkte Tourismuswerbung zugute: Es gehe um nichts weniger als Image Ruandas, "auch als politischer Mitspieler und Investitionsstandort". Eine Kampagne wie die bei Arsenal könnte auch einen Beitrag dazu leisten, dass Ruanda sich in den Augen vieler vom ehemaligen Bürgerkriegsland hin zu einem Staat entwickelt, in dem "spannende Sachen passieren" und der einen "eigenen Entwicklungsweg geht".
Zusätzlich komme die ruandische Regierung mit dem Vertrag auch Forderungen westlicher Geberländer nach, afrikanische Staaten müssten bei der Entwicklungszusammenarbeit eigene Lösungen finden, mehr Eigenmittel mobilisieren, insgesamt mehr Eigeninitiative zeigen - ein Aufruf, der sich auch in dem "Marshallplan mit Afrika" des BMZ wiederfindet. Ruanda versuche genau das, meint Klingebiel - schließlich sei das Sponsoring des Fußballklubs auch eine "Anstrengung, bei der in einer modernen Art und Weise Investitionen unternommen werden, um langfristig auf eigenen wirtschaftlichen Beinen zu stehen".
Entwicklungspolitisches Nachspiel unwahrscheinlich
Dass sich die Aufregung um den Vertrag auf die Entwicklungspolitik auswirkt, etwa in Form von Kürzungen bei Hilfsgeldern, glaubt der DIE-Experte nicht. Zwar sei es nicht auszuschließen, dass es in Großbritannien aufgrund "simplifizierter politischer Auseinandersetzungen" zu einem direkten Einfluss auf die Entwicklungszusammenarbeit komme. Das wäre allerdings "entwicklungspolitisch schade, weil man dann eher alte tradierte Bilder von Afrika und wie sich Afrika bitte verhalten möge, befördert".
Kürzungen bei Entwicklungsgeldern hält auch der Parlamentarier Hoffmann zum jetzigen Zeitpunkt für falsch. Afrika brauche "mehr Investitionen aus aller Welt, vor allem aus Europa und anderen westlichen Ländern". Die sollten vor allem in Unternehmen fließen, die Arbeitsplätze schafften.
Wie viel Arbeitsplätze durch den "Visit Rwanda"-Slogan auf den Trikots der Arsenal-Spieler in Ruanda entstehen, werden die nächsten drei Jahre zeigen.