Forscher campen für den Klimaschutz
25. Januar 2018Der Mann sieht aus, als sei er der Weihnachtsmann. Stämmige Figur, ein langer zotteliger Bart umrahmt sein Gesicht, um die Augen liegen Lachfalten. Er steht oben auf dem Berg im schweizerischen Davos im tiefen Schnee und erzählt von Rentieren.
Doch seine Geschichte hat so gar nichts Weihnachtliches, denn Bruce Forbes ist Professor am Arctic Centre der Universität Lappland (Arctic Centre University of Lapland) und befasst sich seit Jahren mit sibirischen Rentieren und einer Entwicklung, die eher traurig ist:
"Ich arbeite mit traditionellen Rentierhirten, die immer noch jedes Jahr mit ihren Rentieren 1200 bis 1400 Kilometer weit ziehen", erzählt Forbes. In den letzten zwölf Jahren sei es immer wieder passiert, dass sehr viel Regen von der Barentssee an die Küste kam und dort als Eis gefroren sei. "Die Rentiere fressen im Winter, was unter dem Schnee liegt", so Forbes, "aber sie konnten die Eisschicht nicht durchbrechen, kamen nicht an ihr Futter und sind verhungert."
Kampieren in 1800 Meter Höhe
2014 führte das dazu, dass mehr als 64.000 sibirische Rentiere starben, erzählt Weber mit ernster Miene. Das waren 25 Prozent aller Tiere. In der Arktis könne das in Zukunft öfter passieren. Schuld daran sei der Klimawandel, sagt der der zu extremem Wetter führe. Der Amerikaner, der fließend Russisch spricht, ist einer von rund einem Dutzend Wissenschaftlern, die während des Weltwirtschaftsforums in Davos ihr Zeltlager auf 1800 Meter Höhe aufgeschlagen haben und im Schnee kampieren.
"The Basic Arctic Base Camp" nennen sie ihr Zeltlager und wollen damit auf die dramatische Situation in der Arktis aufmerksam machen. Es sind renommierte Wissenschaftler, die häufig monatelang vor Ort sind und hautnah erleben, wie das massive Abschmelzen des arktischen Eises die Ozeane und das Wetter verändert.
Extremwetter nimmt zu
Jennifer Francis ist Geowissenschaftlerin an der Rutgers Universität in New Jersey. Sie ist eingehüllt in eine dicke, isolierende Jacke. Die Kälte hier oben scheint ihr nichts anzuhaben. Nüchtern beschreibt sie die Auswirkungen der Temperaturveränderungen in der Arktis auf das weltweite Wetter: "Da sind Dürren und Hitzewellen, wie wir sie diesen Sommer in Europa erlebt haben. Gleichzeitig hatten wir in Großbritannien eine lange Phase mit sehr kaltem, regnerischen Wetter. Über Nordamerika hatten wir einen langen kalten Winter im Osten, während der Westen einen sehr langen trockenen Winter hatte." Francis ist davon überzeugt, dass die Arktis dafür sorgt, dass es öfter zu solchen Wettersituationen kommt.
Unters Eis mit Tauchrobotern
Einige Dutzend Besucher sind an diesem Abend auf die Schatzalp gekommen, um den Wissenschaftlern zuzuhören. Während unten im Tal die Reichen und Mächtigen über die wirtschaftliche oder politische Zukunft der Welt diskutieren, wird hier oben wissenschaftlich argumentiert. Damit es nicht zu kalt ist, wurden kleine Holzfeuer entfacht. Es sieht fast malerisch aus, wie sich die Flammen im glitzernden Schnee spiegeln, aber die Stimmung ist nachdenklich.
Auf einem Schneehaufen liegt eine Art Torpedo. Das gelb lackierte, ovale Gerät ist 50 Kilogramm schwer und anderthalb Meter lang. Craig Lee, Professor am Applied Physics Laboratory der University of Washington arbeitet seit vielen Jahren mit diesen mobilen Tauchrobotern, die das ganze Jahr unter der Eisdecke verbringen und währenddessen Daten an die Forschungsstationen liefern.
"Das ist neu, dass wir auch Daten unterhalb des Meereseises sammeln können, erzählt Lee. Am 24. Januar habe ein besonderes Experiment begonnen: "Wir haben drei Sonden losgeschickt, die zum ersten Mal die Unterseite der großen Eisschelfs erforschen."
Die Wissenschaftler wollen die Veränderungen in der Arktis verstehen und die Folgen analysieren. Dabei hilft auch die Unterstützung der Europäischen Union. Um die Forschung in der Arktis zu ermöglichen wurden in den letzten Jahren 12 Millionen Euro bereitgestellt, um 24 Institutionen in 12 Ländern zu unterstützen. ICE-ARC heißt das Projekt, bei dem Chemiker, Physiker, Biologen und Ingenieure, aber auch Ökonomen und Sozialwissenschaftler zusammenarbeiten.
"Was in der Arktis passiert, bleibt nicht in der Arktis", betont Jennifer Francis, "es hat Auswirkungen auf Menschen überall".