Nicht nur Patienten, auch das Klima pflegen
Wir Mitarbeiter des Gesundheitswesens müssen an vorderster Front kämpfen, wenn es um die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels geht. Extreme Wetterereignisse wie Hurrikane, Stürme, Hitze- und Kältewellen, Überschwemmungen und Dürren sowie die Luftverschmutzung sind jedes Jahr für Millionen Tote weltweit verantwortlich. Es gibt keinen Zweifel, dass der Klimawandel diese Wetterlagen verschlimmert und eine langfristige Stabilisierung des Klimas verhindert.
Umweltbelastung tötet häufiger als klassische Krankheiten
Aber nicht nur diese Extremwetterlagen bedrohen die Gesundheit - Luftverschmutzung ist eng an den Klimawandel gekoppelt. Die renommierte medizinische Fachzeitschrift "The Lancet" schätzte kürzlich, dass jedes Jahr neun Millionen Menschen an Krankheiten sterben, die durch Luftverschmutzung verursacht werden. Das sind mehr Tote, als auf das Konto von AIDS, Tuberkulose und Malaria zusammen gehen. Und es ist eine massive Warnung, die wir nicht ignorieren dürfen.
Als Tätige in den Gesundheitsberufen haben wir eine privilegierte gesellschaftliche Position: Wir können Fakten klarstellen und besonders gut die Verquickung von Klimawandel und Gesundheit beleuchten.
Mitglieder der Heilberufe und ihr Informationsaustausch haben in der Vergangenheit mitgeholfen, Probleme im Gesundheitswesen in den Griff zu bekommen - vor allem solche, die mit Tabakkonsum, Aids und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu tun haben. Bis heute ist allerdings wenig geschehen, um den Klimawandel auch als ein Problem des Gesundheitswesens zu identifizieren und um dessen Mitarbeiter zu mobilisieren, dieses globale Problem auf lokaler Ebene anzugehen. Es ist sowohl unsere Chance als auch unsere Verantwortung, hier eine Führungsrolle einzunehmen und die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels bekannt zu machen.
Der Gesundheitssektor selber belastet das Klima
Wir dürfen auch nicht vergessen, dass der Gesundheits- und Pflegesektor selbst Treibhausgase ausstößt und damit zu Klimawandel und Luftverschmutzung beiträgt. Wenn wir Patienten behandeln oder sie in Pflegeeinrichtungen sind, verbrauchen unsere Krankenhäuser und Heime enorme Mengen an Energie und Ressourcen - auf jedem Kontinent. In den USA ist der Gesundheitssektor alleine für acht Prozent des Treibhausgasausstoßes verantwortlich.
In Großbritannien liegt noch ein langer Weg vor uns - dennoch haben wir bereits wichtige Schritte erreicht, um den CO2-Fußabdruck des Gesundheitswesens zu verkleinern. Das britische Gesundheitssystem hat seine Emissionen zwischen 2007 und 2015 um elf Prozent reduziert - unterstützt von der National Sustainable Development Unit for Health and Social Care, dem Referat für nachhaltige Entwicklung des Nationalen Gesundheitsdienstes. Wir beweisen, dass Veränderung möglich ist und dass dies nicht nur der menschlichen und ökologischen Gesundheit zugutekommt, sondern zugleich auch erhebliche Kosten spart.
Nachdem wir bereits große Fortschritte gemacht haben, indem wir die Verringerung des CO2-Ausstoßes in die Gesundheitspflege einbeziehen, bewegen wir uns jetzt auf einen ganzheitlichen Ansatz zu: Wir verstehen die Reduktion von CO2-Emissionen als einen Grundpfeiler der größeren Herausforderung, nachhaltige Entwicklung und soziale Werte sicherzustellen. Die Gesundheitsdienste können dabei als Anker in ihren Städten und Gemeinden fungieren.
Bündnis für ein nachhaltiges Gesundheitswesen
Im Zusammenhang mit COP23 unterstützen wir den Aufruf der Organisation "Health Care Without Harm" (Gesundheitswesen ohne Schaden), sich gegen den Klimawandel zu engagieren (Health Care Call to Action on Climate Change). Dieser Appell fordert das Gesundheitswesen auf, seine eigenen Auswirkungen auf das Klima anzugehen und sich auf die Folgen der erwarteten schwerwiegenden, durch den Klimawandel bedingten Wetterphänomene vorzubereiten.
Diesen Aufruf haben bereits hundert Organisationen aus 29 Ländern unterzeichnet. Sie vertreten die Interessen von fast 10.000 Krankenhäusern und Gesundheitszentren weltweit. Das ist eine mächtige Botschaft unserer Branche - jetzt braucht es Taten und Führung.
Die ehrgeizigen Ziele des Pariser Klimagipfels COP21 verlangen von allen Bereichen, ihren Beitrag zu leisten, wenn wir noch eine Chance haben wollen, die globale Erwärmung zu begrenzen. Als Mitarbeiter des Gesundheitswesens haben wir die Pflicht, weder unseren Patienten noch unserem Planeten Schaden zuzufügen. Die Heil- und Pflegeberufe haben einen politischen und wirtschaftlichen Hebel ebenso wie die moralische Verpflichtung, in vorderster Front gegen den Klimawandel zu kämpfen.
David Pencheon ist Direktor der Einheit für nachhaltige Entwicklung im National Health Service, dem staatlichen Gesundheitsdienst Großbritanniens.