David Alabo: Afrofuturismus und Hoffnung
30. August 2023Am 25. August hat das Max Ernst Museum in Brühl die Ausstellung "Surreal Futures" eröffnet - mit großem Andrang und Erfolg. Es ist die erste Ausstellung des Museums mit einem digitalen Fokus. Kurator Patrick Blümel hat 31 Kunstwerke aus 19 verschiedenen Ländern versammelt und in drei thematische Kapitel aufgeteilt: Digital Bodies, Transforming Landscapes und Future Worlds. Es geht um die Frage, was der Surrealismus heute leisten kann, "um traumatisierte Identitäten und Körper sowie versehrte Landschaften sichtbar zu machen", wie es der Begleittext zur Ausstellung formuliert. Also nicht weniger als die großen Themen unserer Zeit, darunter Klimawandel, Umweltzerstörung, Identität, Kolonialismus und Rassismus und die künstlerische Auseinandersetzung damit in einer sich rapide verändernden Welt.
Auch Werke des ghanaisch-marokkanischen Künstlers David Alabo sind prominent vertreten. Es sind digitale Collagen, generiert durch 3D-Software, Virtual Reality und digitale Tools. Alabo setzt sich seit Jahren multidisziplinär mit vielen der genannten Themen auseinander und ist einer der bekannten Vertreter des Afrofuturismus, einer weltweiten ästhetischen Bewegung, die Kunst, Literatur, Musik, Film und Wissenschaft umfasst und durch afrikanische Autorinnen und Autoren - meist in der Diaspora - kreiert wird. Die DW hat David Alabo am Montag nach der Ausstellungseröffnung zum Gespräch getroffen.
DW: Was ist ihre persönliche Definition des Afrofuturismus?
David Alabo: Ich liebe diese Frage. Für mich ist Afrofuturismus eine Neuinterpretation sowohl von existierenden als auch von nicht existierenden Versionen der Vergangenheit und der Zukunft. Es liegt ein gewisser Optimismus und sogar eine Hoffnung darin, wenn man sich eine Zukunft vorstellt, die nicht unbedingt auf der Realität beruht. Vergangenheit und Zukunft gehören zusammen. Als Afrofuturist möchte ich den Menschen, die meine Arbeit betrachten, ein Gefühl von Optimismus, von Hoffnung und Ermächtigung vermitteln.
Afrikanische Kunst war aufgrund der Geschichte des Kolonialismus und Sklaverei lange beherrscht von Schmerz und Leid - von ernsten, realistischen Themen. Die Aufgabe des Afrofuturismus sehe ich darin, Fragen zu stellen: Wie können wir uns als Schwarze, als afrikanische Menschen sehen? Wie sehen wir uns in der Diaspora? Und wie können wir uns dort weiterentwickeln und aufblühen? Und wie kann Kunst heilen? Das ist ebenfalls eine essenzielle Frage.
Also Surrealismus als Heilung statt als Flucht in eine Traumwelt?
Ich will weder meine Lebenswelt noch die Erfahrungen Schwarzer Menschen von der Realität trennen. Aber wenn ich mir ein Kunstwerk ansehe und darüber nachdenke, kann es durchaus eine heilende Wirkung haben. Es kann eine Reflexion der Realität sein - aus einer anderen Perspektive heraus oder durch eine andere Linse betrachtet. Wir leben in einer recht zynischen und dystopischen Welt. Und wir hören immer wieder, dass sie bald untergehen wird. Ich kreiere eine Welt, die nicht real ist, die aber gleichzeitig zulässt, dass Menschen, die meine Kunst erfahren, sie mit sich und ihrer realen Existenz in Verbindung bringen. Sie bleibt greifbar in der Gegenwart, greifbar in der Realität.
Sie sprechen von einer Vergangenheit, die "gewesen sein könnte". Also eine imaginäre Vergangenheit, nach der wir in der Gegenwart streben könnten?
Ja. Ich verwende oft bestehende Symbole und Motive aus der Black Power-Bewegung wie die erhobene Faust oder Symbole Schwarzer Resilienz, setze sie in neue Räume, neue Welten und gebe ihnen einen neuen Kontext, eine frische Perspektive. Sonst würde die Kunst zu abstrakt.
Wenn ich Skulpturen oder Objekte kreiere, basieren sie nicht immer auf Dingen, die ich direkt erlebt habe. Surrealismus erlaubt mir, das Unbewusste zu erschließen, Dinge, die mir in den Kopf schießen. Durch die Kunst kann ich Sinn aus meinem eigenen Leben ziehen, aus meinen eigenen Erfahrungen.
Es gibt ja durchaus eine Renaissance des Surrealismus ...
Es scheint, je mehr wir in diese technologiegetriebene Welt eintauchen, diese Welt, in der wir mit so vielen Informationen über unsere Realität gefüttert werden, desto mehr wollen wir Dinge sehen, die nicht sichtbar sind.
Wissen Sie, ich verwende viel Software und Technologie und bin mir gleichzeitig dessen bewusst. Oftmals sind die Leute, die diese von mir verwendeten Technologien entwickeln, nicht unbedingt Schwarz oder afrikanisch. Daher denke ich, dass es für mich als Afrofuturisten wichtig ist, Fragen zu stellen, zum Beispiel wer die Technologie oder die Strukturen entwickelt hat, die ich nutze. Ich konsumiere Technologie und stelle sie zugleich infrage. Ich möchte in der Zukunft involviert sein, nicht nur durch den Konsum von Technologie, sondern auch bei deren Schaffung und Entwicklung, um mehr verschiedene Stimmen repräsentiert zu sehen.
DW: Im Bereich Digital Art wird auch künstliche Intelligenz ein immer größeres Thema. Wo sehen Sie die Vor- und Nachteile dieser Technologie?
Viele Künstlerinnen und Künstler machen sich Sorgen darüber. Es gibt bereits Programme, die Kunst auf einem unglaublichen Niveau und in einer Geschwindigkeit produzieren können, die für uns Menschen fast unmöglich zu reproduzieren ist. Aber ich möchte mich nicht von Angst oder Unwissenheit blenden lassen. Ich denke, dass es für uns Künstler wichtig ist, mehr darüber zu lernen. Ich muss KI ja nicht nutzen, aber ich kann mehr darüber lernen, um zu erfahren, wie sich mein Platz in dieser Welt verändern wird.
KI wird niemals ersetzen, was uns menschlich macht. Ich verwende KI bisher nur für Verwaltungsaufgaben, für die Dinge, die mir Zeit rauben würden, mich mit meiner Kunst zu befassen, also bei E-Mails und Recherchen. Sie muss nicht unbedingt direkt mit meiner Kunst zu tun haben, aber sie kann mir mehr Zeit verschaffen, ein Mensch zu sein.
Bei der Eröffnung hier traf ich einige der Künstlerinnen und Künstler, die KI in ihrer Kunst direkt einsetzen. Ich kratze hingegen nur an der Oberfläche herum. Ich habe immer noch so viel zu lernen, aber ich bin nicht in Eile, denn es gibt so viel Panikmache.
Wie haben Sie die Ausstellung hier erlebt?
Ich finde es toll, dass die Organisatorinnen und Organisatoren nicht nur futuristische und neue Medienkunst zeigen, sondern auch Kunst aus unterrepräsentierten Gemeinschaften. Und dass sie dafür gesorgt haben, dass wir Künstlerinnen und Künstler anwesend sind. Es ist genauso wichtig, dass wir hier sind, nicht nur unsere Kunstwerke.
Das Gespräch mit David Alabo führte Philipp Jedicke.
Die Ausstellung "Surreal Futures" ist noch bis zum 28. Januar 2024 im Max Ernst Museum in Brühl zu sehen.