Dauerbrenner Kohle
3. Juni 2013Vor zwei Jahren wurde in Deutschland die Energiewende beschlossen: weg von Atomenergie und Kohle, hin zur "sauberen" Energieerzeugung mit Sonnen- und Wasserkraft. Bis 2020 sollen 35 Prozent des deutschen Stroms aus sogenannten erneuerbaren Energien stammen, bis 2050 dann 80 Prozent. Acht Atomkraftwerke sind bereits vom Netz gegangen. Trotzdem wird immer noch Braun- und Steinkohle benötigt, um die Stromversorgung sicherzustellen: 44,8 Prozent beträgt derzeit der Anteil der Kohle am Energiemix.
Kohlekraftwerke zum Umweltschutz?
Und daran wird sich nach Einschätzung von Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) wohl auch erstmal nichts ändern - er fordert sogar den Bau von weiteren Kohlekraftwerken. In einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit" sagte der Umweltminister: "Bei 35 Prozent erneuerbarem Strom müssen zunächst immer noch 65 Prozent anders erzeugt werden. Und da meine ich, dass es Sinn macht, alte umweltschädliche Braun- und Steinkohlekraftwerke durch moderne effiziente Kohle- und Gaskraftwerke zu ersetzen." Zurzeit werden in Deutschland bereits 23 neue Kohlekraftwerke geplant oder gebaut - mit einer Leistung von über 24.000 Megawatt und einem Ausstoß von rund 150 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr, so Schätzungen der Umweltschutzorganisation Greenpeace.
Dass der Bundesumweltminister jetzt den Bau weiterer solcher Kraftwerke plant, sorgt für Kritik bei der Opposition und bei Umweltschützern. Diese sehen den hohen CO2-Ausstoß der Kraftwerke als Faktor für den Klimawandel. "Wer es ernst meint mit der Energiewende und dem Klimaschutz, der kann nicht für Kohlekraftwerke sein", kritisierte Jürgen Trittin, der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, den Vorstoß Altmaiers in einem Zeitungsinterview.
Blockade befürchtet
Auch Greenpeace hat Bedenken: "Wir halten gar nichts davon, neue Kohlekraftwerke zu bauen, weil sie voraussichtlich 40 Jahre am Netz bleiben sollen und damit den Umstieg auf erneuerbare Energien über Jahrzehnte blockieren", sagt Gerald Neubauer, Energieexperte bei Greenpeace, im Gespräch mit der Deutschen Welle. Er fordert stattdessen, stärker auf erneuerbare Energien und Erdgas zu setzen. Gaskraftwerke seien besser regulierbar als Kohlekraftwerke, wenn es darum gehe, Schwankungen bei der Stromerzeugung aus regenerativen Energien auszugleichen.
Ein weiteres Argument des Bundesumweltministers: die Kosten. Denn Strom aus erneuerbaren Energien ist im Moment noch vergleichsweise teuer. Um den Wirtschaftsstandort Deutschland nicht zu schwächen, müsse man "im Stande sein, Energie zu Preisen anzubieten, die mit denen unserer Hauptwettbewerber in anderen Industrieländern vergleichbar sind", so Altmaier. Damit die Energiewende ein Erfolg werde, müsse man auch die Wirtschaft überzeugen.
Sinkende Strompreise
Gerald Neubauer von Greenpeace hält den schnellen Umstieg auf Solar- und Windenergie dagegen finanziell für machbar: "Es ist auch heute schon so, dass Solar- und Windenergie den Börsenstrompreis drücken", so der Energieexperte. "Die Photovoltaik zum Beispiel liefert genau dann den Strom, wenn der Verbrauch am allerhöchsten ist. Das hat nachweisbar einen dämpfenden Effekt auf den Strompreis an der Börse."
Den Bau neuer Kohlekraftwerke betrachtet er dagegen als Fehlinvestition, denn schon in zehn bis 20 Jahren passten Kohlekraftwerke nicht mehr in das deutsche Energiesystem: "Was die Kosten angeht, macht es viel mehr Sinn, heute schon auf das richtige Energiesystem zu setzen und das bedeutet erneuerbare Energien plus Gaskraftwerke", so Greenpeace-Mitarbeiter Neubauer. Zudem schaffe die Stromgewinnung aus regenerativen Energien erheblich mehr Arbeitsplätze als die Erzeugung in modernen vollautomatisierten Kohlekraftwerken.
Umweltschützer planen bereits Aktionen gegen mögliche weitere Neubauten. In den kommenden Wochen sollen in allen drei deutschen Braunkohlerevieren - in der Lausitz, im Rheinland und in Sachsen-Anhalt - Protestcamps stattfinden.
Dieser Artikel ist eine aktualisierte Version des Beitrages vom 29.07.2012.