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Das sind die Europäischen Kulturhauptstädte 2024

Bettina Baumann mit dpa, epd
2. Januar 2024

Bodø in Norwegen, Tartu in Estland und Bad Ischl in Österreich sind die Kulturhauptstädte 2024. Ein Überblick über die Programme, an denen sich Künstler wie Ai Weiwei und Conchita Wurst beteiligen.

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Ein hellblauer, glasklarer Fluss fließt an Häusern vorbei. Im Hintergrund sind Berge zu sehen.
Fast schon karibisch sind die Farben der Traun in Bad IschlBild: Joerg Hackemann/Panther Media/picture alliance

Bad Ischl in Österreich dürfte vielen bekannt sein. Der Ort in der österreichischen Region Salzkammergut ist ein beliebter Touristenort. Hunderttausende Menschen kommen jährlich hierher: Bergpanorama, saftig grüne Wiesen im Sommer, schneebedeckte Gipfel im Winter und glasklare Seen sind typisch für die Region. Das zog auch schon den österreichischen Adel an. Kaiser Franz Joseph I. und Kaiserin Sisi verbrachten zahlreiche Sommer in Bad Ischl. 1853 verlobten sie sich hier.

2024 wird Bad Ischl gemeinsam mit 22 umliegenden Gemeinden eine von drei Europäischen Kulturhauptstädten - neben Tartu in Estland und Bodø in Norwegen. Mehr als 300 Projekte wollen Bad Ischl und die anderen Gemeinden gemeinsam realisieren und zeigen, was sich hinter der Alpenlandschaft nahe der Grenze zu Bayern neben der landschaftlichen Idylle verbirgt - vom Übertourismus über die Folgen des Klimawandels bis zu der historisch belasteten Vergangenheit. Das Ziel sei, "die positiven und die negativen Seiten dieser ganzen Region auszuleuchten, und nicht ein Feuerwerk oder ein Festival daraus zu machen", sagte die Programm-Kuratorin Elisabeth Schweeger gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa).

Berge, Seen und bunte Blätter

Geprägt durch den Salzabbau

Zum Auftakt am 20. Januar gönnt sich Bad Ischl aber trotzdem eine Show: Der aus dem Salzkammergut stammende Tom Neuwirth, besser bekannt als ESC-Siegerin Conchita Wurst, wird gemeinsam mit Rapperinnen und einem tausendstimmigen Jodler-Chor das Eröffnungskonzert bestreiten.

Seit 7.000 Jahren wird im Salzkammergut Salz abgebaut - oder wie Elisabeth Schweeger sagt: "Aus dem Salz entstanden, durch das Salz reich geworden - und mit dem Salz in die Zukunft". Das "weiße Gold" habe die Region geprägt. "Jetzt ist es an der Zeit, ein weiteres Element als unverzichtbar hinzuzufügen: Kultur - sie ist der Motor für ein zukunftsfähiges Zusammenleben im Salzkammergut und weit darüber hinaus", so die Kuratorin. 

Mit der Tradition des Salzabbaus beschäftigt sich auch der chinesische Künstler Ai Weiwei. Weitere Ausstellungen setzen sich mit der Raubkunst der Nationalsozialisten auseinander: Bad Ischl erinnert daran, dass das NS-Regime dort während des Zweiten Weltkriegs in einem Bergstollen Raubkunst und Kunstschätze bunkerte. Eine Schau in Bad Aussee soll zusätzlich das Leben des Kunsthändlers Wolfgang Gurlitt beleuchten.

Konzerte mit Musik von Arnold Schönberg und eine Operette von Oscar Straus weisen zudem auf die vielen jüdischen Künstler und Kunstliebhaber hin, die eng mit dem Salzkammergut verbunden waren. Das Projekt "k(ritisch) u(nd) k(ontrovers)" wird sich mit der Geschichte der Habsburger-Monarchie auseinandersetzen. Ursprünglich handelte es sich beim Salzkammergut nämlich um den Privatbesitz der Habsburger.

Blick auf ein Dorf mit Kirche am See und am Berg gelegen. Die Sonne scheint.
Auch die Gemeinde Hallstadt am Hallstätter See nimmt am Programm der Kulturhauptstadt Salzkammergut teilBild: W. Geiersperger/Helga Lade Fotoagentur/picture alliance

Die eigene Geschichte kritisch reflektieren

Bad Ischl hat nur rund 14.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Die anderen Gemeinden der Region, die sich zur Kulturhauptstadt zusammengeschlossen haben, zählen zum Teil nur einige Hundert. Schon jetzt hat die Region, die seit 1997 UNESCO-Welterbe ist, jedes Jahr einen Besucherstrom zu bewältigen. Der Historiker Michael Kurz aus Bad Goisern, der die Region gut kennt, spürt ein gewisses Unbehagen; Einheimische würden oft fragen, "brauch' mer des? Elisabeth Schweeger als künstlerische Leiterin hält dagegen, dass mehr als 85 Prozent der Veranstaltungen von lokalen und regionalen Projektträgern realisiert werden. Außerdem helfe der Blick von außen oft bei der kritischen Reflexion etwa der eigenen Geschichte.

Herz und Seele Estlands - Tartu

Weit weniger bekannt ist die Stadt Tartu im Osten Estlands. Mit rund 100.000 Einwohnern ist sie nach Tallinn die zweitgrößte Stadt des Landes. Wirtschaftlich steht sie zwar deutlich im Schatten der Hauptstadt. Doch kulturell ist die alte Universitäts- und Hansestadt mindestens auf Augenhöhe - sie gilt seit jeher als Herz und Seele des kleinen Baltenstaates im Nordosten Europas.

"Tartu war schon immer ein Zentrum für Wissenschaft, Bildung und Kultur in Estland", sagt Bürgermeister Urmas Klaas über die älteste Stadt des Baltikums im Gespräch mit dpa. Sie war einst die Wiege des nationalen Erwachens der Esten, der Geburtsort des estnischen Liederfestivals, des estnischen Theaters und im Grunde auch des estnischen Staates. So wurde in Tartu am 2. Februar 1920 der Friedensvertrag von Dorpat - so der alte deutsche Name von Tartu - unterzeichnet, in dem Sowjetrussland die Souveränität des 1918 unabhängig gewordenen Estlands anerkannte.

Blick in eine Straße mit einem Wandgemälde und Menschen auf der Straße.
Stadt mit Charme: Die Universitätsstraße von TartuBild: Alexander Welscher/dpa/picture-alliance

Unter dem Motto "Überlebenskunst" bietet die Kulturhauptstadt Tartu mehr als 1.000 Veranstaltungen an. Eröffnet wird das Programm in der Studentenstadt, die in einer eigens komponierten Tartu 2024-Hymne als "Stadt des jungen Blutes" besungen wird, am 26. Januar.

Höhepunkte sind vor allem im Sommer das Massenküssen "Kissing Tartu", das Sauna-Diskussionsfestival "Naked Truth" oder das Theaterstück "Business as usual" über den Geldwäscheskandal der Danske Bank in Estland. Vom 12. bis 18. August findet die Tartu Pride statt - 2024 ist in Estland erstmals die gleichgeschlechtliche Ehe legal.

Bodø setzt auf Nachhaltigkeit

Bodø ist die dritte Kulturhauptstadt im Bunde. Sie liegt hoch im Norden, an der Westküste Norwegens und ist damit die erste Europäische Kulturhauptstadt nördlich des Polarkreises. Mit mehr als 1000 Veranstaltungen wollen Bodø und die umliegende Region Nordland zeigen, dass sie nicht nur über eine atemberaubende arktische Natur, sondern auch über eine attraktive Kultur verfügen. Die Organisatoren hoffen, im Laufe des Jahres mehr als 500.000 Menschen anzulocken. 

Blick auf eine verschneite Stadt am Wasser.
Wunderschön gelegen: Bodø an der Westküste NorwegensBild: picture alliance/dpa/Bodo2024

Die Region ist riesig: Wer Nordland von Nord nach Süd durchfährt, der legt gut 800 Kilometer zurück - das entspricht etwa der Strecke von Hamburg nach München.

"Bodø2024" ist das größte Kulturprojekt, das bisher in Nordnorwegen stattgefunden hat. Bodø zielt darauf ab, die nachhaltigste Europäische Kulturhauptstadt jemals zu sein und im Frühjahr das weltweit nachhaltigste Konzert "Pure Music" zu veranstalten. Die Kultur der Samen, des indigenen Volkes in der Region, soll unter anderem mit einem mehrteiligen musikalischen Theaterstück ebenfalls einen besonderen Fokus erhalten.

Eine Computersimulation zeigt eine illuminierte runde Bühne im Wasser.
Ein echter Hingucker: So soll die schwimmende Bühne des Künstlerkollektivs Phase7 einmal aussehenBild: Phase7/bjornadal arkitektstudio/Kopi-Kopi/Bodo2024/dpa/picture-alliance

Mehrere Veranstaltungen haben einen Bezug zu Deutschland, darunter die Eröffnungsfeier am 3. Februar: Dann wird es ein spektakuläres Hafen-Event mit dem Berliner Künstlerkollektiv Phase7 und einer eigens dafür gebauten schwimmenden Bühne geben. Zur Mittsommernacht am 22. Juni - wenn die Mitternachtssonne zu bewundern ist - ist ein großes Open-Air-Event geplant. Und wenn die Tage wieder dunkler werden, findet im November und Dezember das erste Nordland Lichterfestival statt.