"Das schönste Kind des Elysée-Vertrags"
10. Januar 2013Der Elysée-Vertrag war noch nicht einmal ein halbes Jahr alt, da entstand eine Institution, die gerne als "das schönste Kind des Vertrags" bezeichnet wird: Am 5. Juli 1963 wurde das Deutsch-Französische Jugendwerk (DFJW) "zur Förderung der Beziehungen zwischen der deutschen und der französischen Jugend" gegründet. Das Jugendwerk hat die Aufgabe, "die Bande zwischen der Jugend der beiden Länder enger zu gestalten und ihr Verständnis füreinander zu vertiefen; es hat hierfür die Jugendbegegnung und den Jugendaustausch anzuregen, zu fördern und gegebenenfalls selbst durchzuführen."
Was im offiziellen Auftrag etwas altbacken klingt, hat das DFJW mit viel Leben gefüllt: "Seit 1963 sind acht Millionen junge Menschen von Frankreich nach Deutschland und umgekehrt gegangen und haben eine Austauscherfahrung gemacht", sagt der Generalsekretär des DFJW, Markus Ingenlath. Zusammen mit über 7000 Partnern wie Schulen, Universitäten, Vereinen oder Partnerstädtekomitees fördert das DFJW unter anderem Sprachkurse, Schüler-, Auszubildenden- und Studentenaustausch, Auslandspraktika, den Fachkräfteaustausch oder Kulturprojekte.
Neue Zielgruppen
Ein Leuchtturmprojekt ist laut Ingenlath das Projekt "Clichy-sous-Bois trifft Neukölln". Das Projekt begann, nachdem es 2005 zu Straßenkämpfen in den Vorstädten von Paris gekommen war und 2006 die Lehrer von der Rütli-Schule in Berlin-Neukölln Gewaltprobleme ihrer Schüler öffentlich angeprangert hatten. "Da haben wir gesehen: in Deutschland und Frankreich gibt es in den Großstädten ähnliche Probleme mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund, und wir müssen Jugendliche aus weniger bevorzugtem Hintergrund mehr fördern und auch ihnen einen Austausch ermöglichen", sagt Markus Ingenlath.
Inspirationsquelle für Versöhnung
Jedes Jahr nehmen rund 200.000 junge Menschen an den DFJW-Programmen teil. Diese gehen schon lange über den bilateralen Austausch hinaus: Bereits 1976 öffnete das Jugendwerk seine Programme auch für Jugendliche aus Ländern der Europäischen Gemeinschaft. Ab 1991 unterstützte es zunehmend den Austausch mit den Ländern Mittel- und Osteuropas, aber auch mit Maghreb-Staaten. Schließlich wurden seit dem Jahr 2000 auch Programme in Südosteuropa aufgebaut.
"Deutschland und Frankreich ist es wichtig, dass jede neue Generation herangeführt wird an das bessere Kennenlernen des Anderen, aber eine Beziehung, die nur um sich selbst kreist, ist auf Dauer zum Scheitern verurteilt", so Generalsekretär Ingenlath. Die trinationalen Begegnungen sollen die Erfahrungen der deutsch-französischen Versöhnungsarbeit auf andere Länder übertragen. "Unsere Seminare, die wir mit jungen Deutschen und Franzosen zum Beispiel in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo oder Serbien anbieten, können als Inspirationsquelle für Versöhnung dienen", sagt Ingenlath.
Frank Morawietz ist Sonderbeauftragter des DFJW für Südosteuropa. Er glaubt nicht, dass die deutsch-französische Aussöhnung ein Modell ist, das man Südosteuropa einfach "überstülpen" kann - "dazu sind die historischen und geopolitischen Unterschiede einfach zu groß. Aber es ist eine sehr starke Inspiration. Es ist ein Stück europäische Geschichte, die ganz explizit Mut macht."
"Opfer seines Erfolges"
Das DFJW bezeichnet sich selbst als ein "Opfer seines Erfolges": Längst überschreitet die Nachfrage das Angebot. 2011 konnten Projektanfragen in Höhe von drei Millionen Euro nicht realisiert werden. Der Haushalt betrug 2012 20,8 Millionen Euro - je zur Hälfte finanziert von der deutschen und der französischen Regierung.
Der Generalsekretär hofft auf eine Aufstockung des Budgets. "Wir haben seit 1963 trotz steigender Lebenshaltungskosten praktisch keine Anhebung der Mittel und auch keinen Inflationsausgleich bekommen." Ingenlath setzt darauf, dass sich das im Jubiläumsjahr von Elysée-Vertrag und Deutsch-Französischem Jugendwerk ändert: "Wir sind guten Mutes, dass die Politik erkannt hat: ein lebendiger Austausch der Bürgergesellschaft ist auch in den nächsten Jahrzehnten wichtig - gerade jetzt in der europäischen Krise. Das ist die Botschaft, die von diesem 50. Jahrestag ausgehen wird."