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Zwischen Pflicht und Kür

Stephanie A. Hiller6. Januar 2009

Sie war das glanzvolle Aushängeschild der DDR - und gleichzeitig der erste gesamtdeutsche Sportstar. Die Eiskunstläuferin Katarina Witt bot viel Projektionsfläche.

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Katarina Witt bei einer Pressekonferenz im Jahr 2000 (AP Photo/Matthias Rietschel)
Leben zwischen Pflicht und Kür: Katarina WittBild: AP

"Jeden Mittag tippelte ich mit meinen Freundinnen vom Kindergarten ins Eisstadion und wusste, das ist mein Ding: Laufen und springen, und die Menschen schauen dir zu. Das möchte ich. Und das kann ich auch, ich weiß es ganz genau", schreibt Katarina Witt in ihrer 1994 veröffentlichten Autobiografie "Meine Jahre zwischen Pflicht und Kür".

Laufen, springen und das Publikum in ihren Bann ziehen waren ihre Stärken auf dem Eis. 2008 verließ die erfolgreichste Eiskunstläuferin der Welt endgültig die Fläche, die ihre Welt bedeutete - und beendete ihre glanzvolle, nicht immer unumstrittene Karriere, die 1970 beim SC Karl-Marx-Stadt begann.

Tanzend zum Erfolg

Gleich im ersten Jahr, nachdem Erfolgstrainerin Jutta Müller Katarina Witt unter ihre Fittiche genommen hat, holt die damals knapp Elfjährige ihre erste Goldmedaille, bei der Kinder- und Jugendspartakiade 1976. Die kleine Kati ist eine DDR-Bilderbuchsportlerin: Sie ist in der sozialistischen Jugendorganisation FDJ, ihr Elternhaus ist unauffällig, sie bekommt Einzelschulunterricht und trainiert und trainiert und trainiert.

Katarina Witt und Jutta Müller bei den Eiskunstlauf-Weltmeisterschaften in Cincinnati, USA, im März 1987 (AP Photo)
Die Eisprinzessin mit Erfolgstrainerin Jutta MüllerBild: AP

Ihr Talent und ihre Ausstrahlung, gepaart mit Fleiß und Ehrgeiz, bringen sie schnell auf die Siegertreppchen. Zunächst bei nationalen Meisterschaften (sie war von 1981 bis 1988 DDR-Meisterin), dann auch bei internationalen Wettbewerben: Sechs Mal wird sie von 1983 an in Folge Europameisterin, 1984 holt sie Gold bei den Olympischen Spielen in Sarajevo, und im selben Jahr wird sie zum ersten von vier Malen Weltmeisterin.

Sozialismus, Kapitalismus, Sozialismus, Kapitalismus

Spätestens bei den Olympischen Spielen in Calgary 1988 wird aus "Marxens schöner Tochter" ein gesamtdeutsches Sportidol, bewundert in Ost und West. Sie lässt die Mauer in den Köpfen fallen, zumindest die in sportbegeisterten deutschen Köpfen. Die Grenzen zwischen den Gesellschaftssystemen jedoch bleiben bestehen. Den Kampf um Gold gegen die US-Amerikanerin Debi Thomas kommentiert Katarina Witt rückblickend: "Der totale Klassenkampf. Auch für die Amis. (…) Und bei uns war es genauso. Es war ein Kampf der Systeme."

Katarina Witt (DDR) bei den Olympischen Winterspielen 1988 im kanadischen Calgary (AP Photo)
Katarina Witt bei den Olympischen Spielen 1988Bild: AP

Ausflüge in den Kapitalismus gehören zu diesem Zeitpunkt schon seit Jahren zu Witts Leben, wie auch ihre sportbedingte Reisefreiheit. Nach dem Höhepunkt in Calgary 1988 nimmt Katarina Witt Abschied von ihrer sportlichen Eislaufkarriere und legt den Grundstock für eine Laufbahn im Showbusiness: Sie läuft von November 1988 bis März 1989 bei der US-amerikanischen Eisrevue "Holiday on Ice" - zu DDR-Zeiten eine Sensation. Damit macht sie einen weiteren Schritt in Richtung "Promi-Zirkus", aus dem sie nach dem Fall der Mauer nicht mehr weg zu denken ist.

Vom schönsten Gesicht des Sozialismus zur "SED-Ziege"

Doch vorher kann sich die DDR jahrelang in ihren sportlichen Erfolgen sonnen. Und nicht nur das: Die Eisballerina bringt auch Devisen mit nach Hause. 80 Prozent ihrer Einnahmen aus den Revuen gehen in die DDR-Staatskasse. Auf der anderen Seite genießt Katarina Witt als Liebling der Funktionäre einige Privilegien - ein Auto oder eine Geschirrspülmaschine -, die ihr ihre Landsleute nach der friedlichen Revolution vorwerfen.

Katarina Witt als Zuschauerin bei den Olympischen Winterspielen 2006 in Turin (AP Photo/Kevork Djansezian)
Die erfolgreichste Eiskunstläuferin der WeltBild: AP

Ohnehin weht ihr danach ein scharfer Wind entgegen - feierten die Medien zuvor Kati Witt als "schönstes Gesicht des Sozialismus", betitelt sie die "Bild"-Zeitung nun als "SED-Ziege". Als 1992 in der Presse der Vorwurf laut wird, sie sei Mitarbeiterin des Staatssicherheitsdienstes der DDR gewesen, kann sie eine Unterlassungserklärung gegen mehrere Zeitungsverlage, respektive sächsische Boulevardblätter, erstreiten. Der Sprecher der für die Akten zuständigen Behörde (BStU) in Berlin, David Gill, erklärt, es gebe keine Veranlassung, nach angeblichen Stasi-Akten über die Vergangenheit der Profiläuferin zu suchen oder Katarina Witt auf Stasi-Verbindungen hin zu überprüfen.

Begünstigte und Bespitzelte

Zehn Jahre später ist Katarina Witt erneut in der öffentlichen Diskussion, als sie gegen die Veröffentlichung ihrer Stasi-Akten Klage beim Berliner Verwaltungsgericht einreicht, diese aber wieder zurückzieht. Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU), Marianne Birthler, veröffentlicht im Februar 2002: "Das Berliner Verwaltungsgericht entscheidet per Eilentscheidung: Die BStU darf keine Akten zu Katarina Witt herausgeben. Marianne Birthler vertritt die Auffassung, Katarina Witt sei laut dieser Akten Begünstigte der Staatssicherheit."

Witts Berührungen mit der Staatssicherheit hatten aber auch andere Seiten: Die von der BStU als "Begünstigte" eingestufte ehemalige DDR-Sportlerin wurde seit 1973 quasi lückenlos bespitzelt. Ihre Stasi-Akte, operativer Vorgang "Flop" - 181 Seiten davon sind der Öffentlichkeit zugänglich - ist dementsprechend umfangreich. Der Inhalt ein Schock für Katarina Witt. In ihrer Autobiografie ist zu lesen: "Manches hätte ich besser nie erfahren. Ich war kein Spitzel, aber auch keine Widerstandskämpferin. Kein Opfer, allenfalls Objekt".