Das Rohstoff-Monopoly
21. November 2010In den westlichen Industrieländern geht die Angst um, es könnte der Tag kommen, an dem es nicht mehr genügend Rohstoffe gibt. Erst im Sommer hatte die EU den Zugang zu 14 Rohstoffen als kritisch eingestuft. Dazu gehören Gallium, Indium, Tantalum oder Graphit und auch Seltene Erden.
Die meisten dieser Rohstoffe sind der Öffentlichkeit kaum bekannt - obwohl sie ungemein wichtig sind. Man braucht sie für viele Zukunftstechnologien, unter anderem für Katalysatoren, für starke Magnete, die beispielsweise in den Batterien von Elektroautos stecken, für Handys, für Leuchtmittel in Bildschirmen und Energiesparlampen oder Solarzellen. Kurzum: Man braucht sie, um die Technologieführerschaft auf vielen Spezialgebieten zu behalten.
Herkunftsländer problematisch
Dummerweise werden diese Rohstoffe aber überwiegend gerade in den Ländern aus dem Boden geholt, mit denen sich der politische Umgang etwas schwierig gestaltet: China, Russland, der Kongo oder Brasilien. Besonders China, wo derzeit über 95 Prozent der Seltenen Erden herkommen, jagt dem Westen Schauder über den Rücken. Denn China hat den Export dieser begehrten Metalle erheblich eingeschränkt. Der Grund: Eigenbedarf. Ein anderes Beispiel: 90 Prozent des Platins kommen aus Russland und Südafrika. Und Russland hat ja bereits eindrucksvoll beim Thema Gas vorgeführt, dass es sich nicht scheut, Rohstoffe als politische Waffe einzusetzen.
Diplomatie und Kreativität gefragt
Aber wer will diesen Ländern einen Vorwurf machen? Hat nicht der Westen vorgemacht, wie man seine eigenen Interessen schützt, auch wenn das auf Kosten anderer ging? Stichwort Agrarwirtschaft - seit Jahren wird von den Industrieländern verlangt, sie sollen ihre Märkte öffnen und Subventionen zurückfahren. Waren die Entwicklungs- und Schwellenländer lange zahnlose Tiger gegenüber den USA und Europa, sind ihnen nun - dank ihrer Rohstoffvorkommen - Zähne gewachsen. Das hat zur Folge, dass die Industrieländer sich eben verstärkt um eine Einigung mit Rohstoffländern bemühen müssen und nicht mehr die Bedingungen auf dem Weltmarkt diktieren können.
Das Positive daran ist, je größer die gegenseitigen Abhängigkeiten sind, desto größer ist nicht nur die Notwendigkeit sich zu einigen, sondern auch die Chance, wirklich zusammenzufinden. Denn glücklicherweise ist der Westen ja nicht einseitig von Rohstoffländern abhängig. Er verfügt über große Absatzmärkte und auch über technologisches Knowhow, auf das Chinesen und andere gerne Zugriff hätten.
Am Ende werden Europa und die USA künftig ihre Märkte wohl ebenfalls mehr öffnen müssen, um an überlebenswichtige Rohstoffe zu kommen. Die entsprechenden Anpassungsprozesse in ihrem eigenen Land - beispielsweise Preisveränderungen in der Agrarwirtschaft - müssen sie dann wohl oder übel in Kauf nehmen. Und was die Seltenen Erden angeht: Hier ist die Abhängigkeit von China auch nur befristet. Denn in der Volksrepublik lagern nur rund ein Drittel der vermuteten Vorkommen. Sobald die Preise anziehen, lohnt sich auch wieder die Förderung dieser Metalle in anderen Teilen der Welt, in den USA, in Grönland, Kanada oder Deutschland.
Am Ende könnte die Umwelt profitieren
Für die Umwelt könnte sich die Rohstoffknappheit, wenn es gut läuft, als sehr nützlich erweisen. Zum einen sollte der Westen seine schlauen Köpfe aktivieren, damit sie Möglichkeiten finden, knappe Rohstoffe gegen andere, weniger knappe auszutauschen. Außerdem gibt ein drohender Engpass Anreize, effizienter mit den Ressourcen umzugehen. Das bedeutet auch: Es muss mehr recycelt werden.
Bislang wurde der Großteil des Elektromülls einfach verbrannt oder in Dritte-Welt-Länder exportiert. Nun steigt der Druck, aus diesem Müll die wertvollen Rohstoffe wieder herauszuholen. In dieser Hinsicht zeigt China bereits mehr Weitsicht als Europa. Schon heute kauft man dort alte Mobiltelefone und lagert sie in der Hoffnung, eines Tages, wenn der Fortschritt so weit ist, den Rohstoffschatz aus den Handys zu bergen. Und vielleicht kommen die dafür nötigen Technologien dann ja aus den Industrieländern.
Autor: Insa Wrede
Redaktion: Dirk Eckert