Das Rock- und Pop-Jahr 2014
30. Dezember 2014Auch wenn er nur den sechsten Platz in den deutschen Single-Charts erreichte, war der offizielle WM-Song "We Are One (Ole Ola)" durchaus tonangebend für die Popmusik in Deutschland im gerade vergangenen, recht wilden Jahr. Das Stück wurde von der australischen Sängerin Sia Furler verfasst und WM-tauglich von Pitbull und Jennifer Lopez in Form gebracht.
2014 blieb der Schlager - jene einzigartige volkstümliche Popmusik im deutschen Sprachraum - hierzulande genauso allgegenwärtig wie der "country schlock" in den USA. Die in Sibirien geborene Sängerin Helene Fischer bewahrte ihren Status als Schlagerkönigin nach einer triumphalen Inlandstour und dem Dauererfolg ihres 2013 erschienenen Multi-Platin-Albums "Farbenspiel", das für ein Großteil des Jahres in den Top-10 blieb.
US-Megastar Taylor Swift besetzte oft die Spitze der Charts und machte auch in Deutschland Schlagzeilen mit ihrem alle Rekorde brechenden Album "1989". Im November entfernte Swift dann alle ihre Songs aus dem schwedischen Streaming-Dienst Spotify und entfachte damit die hitzige Debatte über Streaming-Lizenzgebühren aufs Neue. Spotifys Reaktion war eloquent, wenn auch unterwürfig: "Taylor, wir beide waren noch jung, als wir uns das erste Mal trafen, aber jetzt zählen wir mehr als 40 Millionen Leute und wollen, dass Du unbedingt bleibst. Es ist eine Liebesgeschichte, Schatz, sag, einfach ja. "
Eine Mauer aus Klängen
1989 - das Jahr, nicht nur das Album - ist in den Herzen und Köpfen der Deutschen präsent als das Jahr, in dem die Berliner Mauer fiel. Am Brandenburger Tor feierten die Menschen den 25. Jahrestag so, als wäre man immer noch im Jahr 1989. Vor den jubelnden Massen traten zahlreiche Künstler auf, darunter Udo Lindenberg (bekannt durch seinen Klassiker "Sonderzug nach Pankow"), der Leipziger Technostar Paul Kalkbrenner, die deutschen Hip-Hop-Veteranen Fanta 4, das Multitalent Clueso und der britische Pop-Meister Peter Gabriel. Letzterer bot eine atemberaubende Darbietung von "Heroes". Die durch die Mauer inspirierte Hymne hatte David Bowie in Berlin geschrieben und aufgenommen. Seitdem bleibt sie aufs Innerste mit der Stadt verbunden.
2014 kehrte "The Thin White Duke" tatsächlich nach Berlin zurück - wenn auch nicht leibhaftig. Die triumphale Bowie-Retrospektive im Martin Gropius Bau zog zahlreiche Einheimische und Touristen an, die einen Blick erhaschen wollten in die intimen Archive von Berlins Lieblingsadoptivsohn.
Abschied nehmen musste man aber auch in den vergangenen zwölf Monaten: von Phil Everly von den Everly Brothers, vom Folk-Urgestein und Aktivisten Pete Seeger, dem Soul-Sänger Bobby Womack, dem Punk-Pionier Tommy Ramone sowie von Jack Bruce, dem legendären Gründungsmitglied der britischen Rockband Cream.
Tod, aber auch Wiedergeburt: In diesem Jahr ist der deutsche Hip-Hop aus der Asche aufgestiegen. Felix Blume (besser bekannt als Kollegah), Cro und Haftbefehl brachen aus dem Hip-Hop-Ghetto aus und eroberten den Mainstream sowohl in Deutschland als auch jenseits der Grenze. Aus einem anderen Ghetto befreite sich die bärtige österreichische Dragqueen Conchita Wurst: Im Mai siegte Conchita beim Eurovision Song Contest in Kopenhagen mit "Rise Like a Phoenix". Viele Beobachter werteten ihren Sieg vor allem als einen Beweis für Toleranz in der europäischen Bevölkerung. Dass Conchita tatsächlich singen kann, ist aber auch unbestritten.
Bits, Bonos und Bobs
Wo Musik erklingt, da tummeln sich die Stars, und wo Stars zu finden sind, da ist Bono nicht weit. Der stets Sonnenbrille tragende Rockstar war mit U2 zurück. Im Gepäck ihr neuestes Werk "Songs of Innocence", das am häufigsten heruntergeladene Album der Geschichte - das dank einer Vereinbarung mit iTunes. Das Album wurde nämlich automatisch in jede Album-Playlist geladen. Doch weder Apple noch U2 konnten voraussehen, welche Wut das unter einigen der 500 Millionen iTunes-Nutzern auslösen würde. Ein Kritiker bezeichnete es als "Rock ‚n‘ Roll als schlechte Spam-Mail." Apple sah sich dazu gezwungen, Anweisungen zu publizieren, mit deren Hilfe man das Album wieder löschen konnte.
So etwas setzt Bono allerdings nie lange außer Gefecht: Schon bald war er wieder in den Schlagzeilen, diesmal zusammen mit seinem irischen Kollegen und Kumpel Bob Geldof. Mit ihrem Charity-Projekt Band Aid 30 und einer neuen Version des Weihnachtsklassikers "Do They Know It's Christmas?" sammelten sie Spenden für die Ebola-Kranken. Das bescheidene, liebenswerte Liedchen landete auf Platz zwei in den deutschen Charts, direkt hinter der deutschen Fassung, bei der unter anderem Adel Tawil, Andreas Bourani, Clueso, Jan Delay, Udo Lindenberg, Wolfgang Niedecken und der legendäre Campino von den Toten Hosen mitwirkten.
Kampf der Titanen
Keineswegs immun gegen die Konkurrenz aus dem Ausland waren die deutschen Album-Charts: One Direction, Coldplay, Ed Sheeran, Sam Smith, die Foo Fighters, David Guetta und Pink Floyd errangen alle einen Anteil am viertgrößten Musikmarkt der Welt.
Musik verbindet - und nirgendwo bewahrheitet sich dieses Sprichwort mehr als bei einem Musikfestival. Die großen Namen der internationalen und der nationalen Musikszene waren auch in diesem Jahr auf den großen deutschen Festivals vertreten - etwa beim Wacken Open Air, bei Rock am Ring, dem Hurricane, dem Southside oder bei Rock im Park, wo sie vor hunderttausenden eifrigen Fans auftraten.
Im September wurde Berlins Flughafen Tempelhof zum Schauplatz der globalen Musikindustrie: Die Berlin Music Week wartete mit zahlreichen Konferenzen, Vorträgen und anderen Veranstaltungen auf. Zurück in die Zukunft hieß es dann im November als acht Kraftwerk Konzerte binnen Minuten ausverkauft waren. Einen Querschnitt des Schaffens der Elektro-Pioniere zeigt die Berliner Nationalgalerie im Januar an acht Abenden mit der 3-D-Konzertreihe "Der Katalog - 1 2 3 4 5 6 7 8".
Schließlich krönte eine weitere Legende - Herbert Grönemeyer - das Jahr mit "Dauernd jetzt". Der überaus populäre Hit, den Grönemeyer zwischen Dreharbeiten aufnahm, bestätigte seinen Status abermals als erfolgreichster deutscher Künstler aller Zeiten.