Handel
28. Juli 2010Egal, wo in Deutschland man eine der über 4300 ALDI-Filialen betritt: Das Pfund Kaffee für unter drei Euro gibt es gleich am Eingang links, danach folgen Tee und Marmelade. Ein Stück weiter auf der rechten Seite warten Wein und Champagner. Und so weiter. Deutschland ist ALDI-Land. Die beiden Männer, die Deutschlands erfolgreichsten Discounter gegründet haben, heißen Karl und Theo Albrecht. Theo, der jüngere, ist nun im Alter von 88 Jahren gestorben. Es ist nicht viel, was die Öffentlichkeit über die beiden Brüder weiß.
In den "Forbes"-Top-Ten
Es gibt kaum Fotos von den beiden Herren, sie zeigten sich nie in der Öffentlichkeit. Immerhin berichtete ein Gesellschaftsmagazin einmal, Karl sei Orchideen-Züchter und leidenschaftlicher Golf-Spieler. Und er sei genau wie sein zwei Jahre jüngerer Bruder Theo sehr sparsam.
Sicher ist nur eines: Auf den Ranglisten der reichsten Deutschen sind Karl und Theo Albrecht immer ganz oben zu finden. Jeder von ihnen mit einem Vermögen von geschätzten 16 Milliarden Euro – ganz klar der erste Platz in der aktuellen Rangliste des "Manager-Magazins". Und auch das "Forbes"-Ranking der reichsten Menschen der Welt führt die Aldi-Brüder in den Top Ten: Karl auf Rang 6 hinter dem IKEA-Gründer Ingvar Kamprad, Theo auf Rang 9 hinter dem indischen Stahlmagnaten Lakshmi Mittal.
Genial einfach
Wie immer man die Sache sieht: Was einst im Ruhrgebiet nach dem Zweiten Weltkrieg begann – ausgehend von einem kleinen Lebensmittelladen in Essen – es ist eine Erfolgsgeschichte. Nach mehreren Experimenten gründen die Brüder im Jahr 1962 ALDI – das steht für Albrecht-Discount: So etwas hatte die Welt noch nicht gesehen.
Das Erfolgsrezept sei simpel, sagt Dieter Brandes. Der langjährige ALDI-Geschäftsführer hat mehrere Bücher über seinen ehemaligen Arbeitgeber geschrieben. Er saß gemeinsam mit Theo Albrecht im Verwaltungsrat, er kennt sich aus. In einem Gespräch mit DW-WORLD.DE sagte er vor einiger Zeit: "Eigentlich ist es ganz einfach. Wenn man irgendwo hingehen kann und beste Qualität bekommt und garantiert den niedrigsten Preis hat, warum soll man dann da nicht hingehen."
Die Aldi-Tüte erobert die Welt
Inzwischen gibt es bald 8000 Filialen weltweit - von Amerika über die Schweiz und Osteuropa bis hin nach Australien. Das alles haben die Brüder fein säuberlich untereinander aufgeteilt – genau wie in Deutschland: Quer durch das Land verläuft die Trennlinie - spöttisch als Aldi-Äquator bezeichnet - zwischen Aldi Nord von Theo und Aldi Süd von Karl.
Aldi ist eines der größten Handelsunternehmen der Welt. Der Umsatz kann nur geschätzt werden, denn auch das weiß niemand so genau: Branchenkennern zufolge liegt er um die 34 Milliarden Euro. Und das alles ohne einen riesigen Apparat, wie Dieter Brandes bestätigt: "Andere denken, dass sie dafür einen großen Verwaltungsapparat aufbauen müssen. Dass sie eine Controlling-Abteilung brauchen und Unternehmensberater. Dies alles hat ALDI nicht."
Lösegeld steuerlich abgesetzt
Kaum Verwaltung, bescheidene Ladenausstattung, kompromisslos gegenüber Lieferanten: Das machte die Albrecht-Brüder reich. Und sonst - nichts: Keine Skandale, keine Korruption - zumindest wird nichts publik. Einzig die spektakuläre Entführung Theo Albrechts 1971 macht Schlagzeilen. Nach 17 Tagen und einer Zahlung von sieben Millionen Mark wird er freigelassen. Später wird er vor Gericht die steuerliche Absetzbarkeit der Lösegeldsumme als Sonderausgabe durchsetzen.
Technologisch kein Vorreiter
Mit Veränderungen haben sich die beiden schwer getan: Fast eine Revolution war die Einführung von Tiefkühltheken. Legendär hingegen sind die ersten Verkaufsaktionen für PCs. Riesige Menschenschlangen bildeten sich vor den Filialen, es gab sogar einen Toten. Heute drängt sich niemand mehr um Computer, aber dafür gibt's beim Discounter jetzt auch Reisen oder Bahntickets. Mittlerweile setzt Aldi auch auf Barcode-Scanner an den Kassen - und bezahlen kann man seit einigen Jahren endlich auch mit der EC-Karte. Bis dahin galt die Bewunderung der Kunden den rasend schnellen Kassiererinnen, die offenbar jeden Preis auswendig kannten.
Wachsen kann ALDI allerdings nur noch im Ausland – auf dem deutschen Markt kaum noch. Hier sank der Umsatz im vergangenen Jahr um vier Prozent.
Dennoch haben die beiden Brüder – die sich Gerüchten zufolge zerstritten haben – das Geschehen ganz entspannt beobachtet. Karl hat sich Mitte der 90er Jahre aus dem operativen Geschäft zurückgezogen, Theo hingegen soll noch bis zu seinem Tod regen Einfluss genommen haben. Die Deutschen jedenfalls halten "dem ALDI" die Treue: Nach einer Umfrage des Instituts für Handelsforschung ist der Discount-Marktführer für drei Viertel der Befragten der vertrauenswürdigste Lebensmittelhändler Deutschlands.
Autor: Henrik Böhme
Redaktion: Andreas Becker