Das neue Mitgefühl in Davos
22. Januar 2014Klaus Schwab, Gründer und Chef des Weltwirtschaftsforums (WEF), forderte die Teilnehmer zu Beginn auf, sich in Davos nicht nur auf Geschäftliches zu konzentrieren. "Trotz all dem Networking, trotz aller Geschäfte, die sie hier vielleicht machen, trotz all der politischen Diskussionen - am Ende ist die Seele wichtig, Werte sind wichtig", so Schwab in seiner Begrüßungsrede.
Unter den 2500 Teilnehmern sind die Chefs der weltgrößten Banken und Unternehmen, außerdem Staats- und Regierungschefs von rund 40 Staaten, Wissenschaftler und Stars wie der Schauspieler Matt Damon oder der Musiker Bono.
Mahnung vom Papst
Schwab hatte außerdem Papst Franziskus eingeladen. Der kam nicht persönlich, schickte aber eine Grußbotschaft. Dank der Wirtschaft habe sich zwar die Armut vieler Menschen reduziert, so der Papst, gleichzeitig aber auch zu sozialer Ausgrenzung geführt. "Die Mehrheit der Männer und Frauen in unserer Zeit lebt noch immer in täglicher Unsicherheit, oft mit dramatischen Konsequenzen."
Der Papst appellierte an die Verantwortung der Forumsteilnehmer. Und Klaus Schwab machte deutlich, dass er die Ziele für die 44. Auflage des WEF hoch gesteckt hat. "Wir wollen der Mission des Weltwirtschaftsforums gerecht werden: den Zustand der Welt verbessern."
Am Anfang stand daher die Analyse des Zustands. Dazu gehörte die Frage, ob sich Europa inzwischen erholt hat. Grundsätzlich ist die Stimmung in Davos wieder etwas optimistischer als in den vergangenen Jahren. Immerhin ist der Euroraum nicht, wie zeitweise befürchtet, auseinandergebrochen. Doch trotz manch positiver Zeichen überwiegen bei Axel Weber, früher Chef der deutschen Bundesbank und heute Verwaltungsratspräsident der Schweizer Großbank UBS, die Sorgen.
Zu schwaches Wachstum
Die USA hätten sich von der Finanzkrise weit besser erholt als die Europäer, so Weber. Allein die Entwicklung in Deutschland könne sich sehen lassen, der Rest Europas habe noch immer große Schwierigkeiten. "Der Erholung ist zu schwach, es entstehen keine Arbeitsplätze. Die brauchen wir aber, um aus der Krise zu kommen."
In der EU ist im Schnitt jeder neunte Mensch ohne Arbeit, in Ländern wie Spanien oder Griechenland sogar jeder vierte. Extremistische Gruppierungen hätten in diesem Klima großen Zulauf, sagt Pierre Nanterme, Frankreich-Chef der internationalen Beratungsgesellschaft Accenture. Er glaubt, viele Bürger könnten die Europawahlen im Mai nutzen, um etablierten Parteien einen Denkzettel zu verpassen.
"Wen interessiert das?"
Daran sei auch die Wirtschaft schuld, denn die Frage, was ein vereintes Europa gegen die steigende Ungleichheit unternehme, werde meist gar nicht angesprochen. "Es geht immer nur um die Bankenunion oder die Rolle der Zentralbank. Aber wen interessiert das denn, außer einer Elite?", so Nanterme. "Die Menschen auf der Straße interessiert das nicht. Die wollen vor allem einen Job."
Junge Menschen sind in vielen Ländern der EU besonders stark von Arbeitslosigkeit betroffen. "Die Jugend ist der größte Verlierer der Krise", sagt UBS-Banker Axel Weber. Doch auch in anderen Teilen der Welt ist Jugendarbeitslosigkeit ein großes Problem.
"Mit diesem Thema müssen wir uns alle befassen, nicht nur in den Industrie- und Schwellenländern, auch in Afrika“, sagt Alika Dangote, nigerianischer Unternehmer und reichster Mann Afrikas. “Wir müssen sicherstellen, dass die Jugend gut ausgebildet ist, damit wir hier weiter wachsen können.“
Hire and Fire?
In vielen Ländern Europas finden Jugendliche dagegen trotz guter Ausbildung keine Arbeit. Sir Martin Sorell, Chef von WPP in London, der weltgrößten Holding von Werbe- und Kommunikationsunternehmen, fordert deshalb einen möglichst flexiblen Arbeitsmarkt. “Man braucht sich doch nur das Verhalten von CEOs in Westeuropa anschauen“, so Sorrell. “Deren Hauptsorge ist nicht die Verbesserung von Abläufen oder die Steigerung der Produktivität. Ihnen geht es vor allem darum, die Zahl der Mitarbeiter zu reduzieren.“
Wenn es einfacher wäre, Arbeitnehmer in der Flaute zu entlassen, wären Unternehmer auch nicht so zögerlich, neue Jobs zu schaffen und jungen Menschen eine Chance zu geben, so das Argument. Gewerkschaften und Gesetze zum Mitarbeiterschutz können dabei nur stören. Trotz der neuen Befindlichkeit scheinen sich die Argumente in Davos nicht wesentlich verändert zu haben.