Das neue Linksbündnis im Porträt
26. August 2005Sechs lange Jahre stand Oskar Lafontaine nach seinem stillosen Abgang als SPD-Vorsitzender und Finanzminister im politischen Abseits. Doch als Kanzler Schröder nach der Wahlniederlage der SPD in Nordrhein-Westfalen ankündigte, er strebe Neuwahlen für den Bundestag an, war die Stunde des 61-Jährigen wieder gekommen. Per "Bild"-Zeitung ließ er wissen, er sei bereit, bei der nächsten Bundestagswahl zu kandidieren. Nicht für die SPD, sondern für ein neues Bündnis, links der SPD. Es solle diejenigen vertreten, die bei Schröders Politik auf der Strecke blieben. "Das sind Arbeitnehmer, Rentner und Arbeitslose. Den Arbeitnehmern kürzt man die Löhne, den Rentnern kürzt man die Renten und den Arbeitslosen das Arbeitslosengeld und streicht ihnen die Arbeitslosenhilfe, und deshalb braucht ein großer Teil des Volkes endlich wieder eine Vertretung im Bundestag", preist Lafontaine sich an.
Ein Zusammenschluss mit Folgen
Lafontaines Angebot brachte den Stein ins Rollen. Der Zeitdruck vorgezogener Wahlen und die politische Stimmung im Land taten ein übriges. Ein Bündnis entstand, das es sonst kaum gegeben hätte: Auf der einen Seite die eher westdeutsch geprägte Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit WASG. Ein Zusammenschluss von Gewerkschaftern bis hin zur christlich sozialen Arbeitnehmerschaft, enttäuschten SPD-Mitgliedern und -anhängern, aber auch bislang unpolitischen Protestierern. 8000 Mitglieder sind es derzeit, Tendenz steigend.
Bei der Nordrhein-Westfalen-Wahl erreichte man auf Anhieb 2,2 Prozent. Auf der anderen Seite steht die in Ostdeutschland verwurzelte PDS. Seit 1990 gut organisiert, diszipliniert und wahlkampferprobt, mit einem Wählerklientel von 20 Prozent und mehr in den neuen Bundesländern. Die PDS ist an zwei Landesregierungen beteiligt, doch zuletzt bei der Bundestagswahl an der Fünf-Prozenthürde gescheitert. Eine Partei mit 60.000 Mitgliedern, viele Ältere aus der einstigen SED. Für FDP-Chef Guido Westerwelle ist das neue Bündnis die Verkörperung des Ewiggestrigen. "Ich bin dafür, dass diese Lafontaine-PDS angegriffen wird, als das, was sie ist. Nämlich eine alte Struktur der SED und vor allem eine Partei, die Arbeitsplätze in Deutschland kostet. Die schadet Arbeitnehmerinteressen und schützt nicht Arbeitnehmerinteressen", lässt Westerwelle verlauten.
Chance für die gesamtdeutsche Linke
Viele Wähler scheinen das anders zu sehen. Lafontaines Alternative zur "neoliberalen Allparteienkoalition" ist in den Umfragen auf dem Vormarsch. Sie verspricht Erhaltung des
Sozialstaates durch Umverteilung von oben nach unten und die Schaffung von Arbeitsplätzen durch staatliche Investitions-programme. Das neue Linksbündnis kommt, je nach Institut, auf 10 bis 13 Prozent und würde damit nach Union und SPD drittstärkste Kraft. "Die politische Kooperation von WASG und PDS entfaltet politische Attraktivität und Wirkung in Ost und West", stellte PDS-Chef Lothar Bisky auf einem Sonderparteitag der PDS fest. "Das ist das erste Ergebnis von Zusammenarbeit, liebe Genossinnen und Genossen."
Im Gegenzug mobilisierte Klaus Ernst, Gewerkschafter und einflussreicher Strippenzieher innerhalb der WASG, seine eigenen Reihen für ein Zusammengehen mit den ost-deutschen Genossen. "Da gilt der ganz wichtige Spruch, dass man einfach vereint in solch einer Situation stärker ist, als wenn wir das alleine machen. Und wenn wir dann im Westen so stark sind, wie die PDS im Osten gegenwärtig ist, dann sind wir so stark, dass uns viele nicht mehr wegschieben können. Und deshalb müssen wir dieses Projekt starten", bekräftigt Ernst.
Anfänglicher Argwohn auf beiden Seiten
Bedenken auf der einen wie der anderen Seite wurden auf Parteitagen von WASG und PDS zwar artikuliert, doch von den Führungen mit Verweis auf die historische Chance weggewischt. Die heißt: gemeinsames Überspringen der Fünf-Prozent Hürde und Einzug in den Bundestag. Die Vereinigung beider Parteien innerhalb der nächsten zwei Jahren ist geplant. Damit man schon bei der erwarteten Bundestagswahl im September antreten kann, müssen aussichtsreiche WASG-Bewerber wie Oskar Lafontaine etwas tun, was sie bisher immer abgelehnt haben: auf der Liste der PDS antreten. Neben den Kandidatenlisten stellt die PDS auch das Programm und das Geld für den Wahlkampf. Ihren Namen gibt sie allerdings auf.
Da das Kürzel PDS auf dem Wahlzettel im Westen eher abschreckend wirken könnte, hat sich die PDS auf Wunsch ihres neuen westdeutschen Verbündeten in "Die Linkspartei" umbenannt. Es ist der Preis dafür, dass man bei dieser Bundestagswahl etwas erreichen könnte, was 15 Jahre lang nicht gelang: im Westen Fuss zu fassen. Im Osten allerdings wollen die Landesverbände allerdings noch mit dem Zusatzkürzel PDS antreten, um ihr ostdeutsches Klientel zu beruhigen.