Das Netz, meine Daten und ich
27. Januar 2012Etwa 490 Millionen Europäer machen sich Sorgen. Sie befürchten, dass die Daten, die sie im Internet angeben und hinterlassen, missbraucht und zum Beispiel von Firma zu Firma weitergegeben werden könnten – ohne ihr Wissen und ihre Erlaubnis. Das meldet Eurostat, das europäische Amt für Statistik.
Die Deutschen sind dabei noch skeptischer als der Durchschnittseuropäer. 55 Prozent der deutschen Internetnutzer sind zum Beispiel der Meinung, dass soziale Netzwerke ihre Nutzer nicht ausreichend über die Folgen der Offenlegung persönlicher Daten informieren. Im EU-Durchschnitt denken das sonst nur 46 Prozent.
User haben Rechte – aber sie sind schwer durchsetzbar
Diese Skepsis ist aber durchaus berechtigt. Viele Anbieter sammeln, speichern und werten Daten aus, ohne sich vorab die aktive Einwilligung des Users einzuholen. Das müssten sie laut deutschem Gesetz eigentlich. Diese Einwilligung darf auch nicht in unübersichtlichen Datenschutzbestimmungen versteckt oder voreingestellt sein. Und wenn ein User merkt, dass Daten gegen seinen Willen gespeichert oder weiter gegeben werden, kann er sich wehren.
Wie, das ist in Deutschland im Bundesdatenschutzgesetz festgelegt. Darin steht, dass User ein Recht auf Auskunft, Benachrichtigung, Einwilligung, Löschung und Widerspruch ihrer Daten haben. Aber "das ist in der Praxis schwer durchzusetzen", sagt Michaela Zinke von der Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin. Zum einen, weil viele User gar nicht merken, ob und wer ihre Daten sammelt. Und selbst wenn Sie merken würden, dass ihre Daten über ihren Willen hinaus gesammelt und an Dritte weiter gegeben wurden, sei es schwer herauszufinden, an wen, so Zinke. Das sei lästig und zeitaufwändig und führe vielleicht nicht mal zum Ziel.
Änderungen – die längst notwendig sind
Das deutsche Recht auf Auskunft greift nämlich nur, wenn die Anbieter ihren Sitz in Deutschland haben. Eventuell hat man noch eine Chance innerhalb der EU, aber auf dem internationalen Parkett ist man bislang so gut wie machtlos. Das könne sich durch die aktuellen Vorschläge der EU-Kommission ändern, sagt Michaela Zinke, die sich vor allem mit Verbraucherrechten in der digitalen Welt beschäftigt.
"Die persönlichen Daten gehören jeder Person selbst", hat nämlich Viviane Reding, EU-Justizkommissarin, am Mittwoch (25.01.2012) kämpferisch verkündet und Änderungen an den europäischen Datenschutzbestimmungen angekündigt. Sie fordert unter anderem, dass jeder EU-Bürger seine Daten bald vollkommen kontrollieren, also auch löschen kann. Datenschutzbestimmungen sollen in einfacher und gut lesbarer Sprache verfasst werden und Verbraucher sollen der Verarbeitung ihrer Daten immer vorab aktiv zustimmen müssen. Und wenn sie sich beschweren wollen, sollen sie das in Zukunft ganz unbürokratisch tun können – auch bei Unternehmen, die ihren Sitz im Ausland haben, so Redings Pläne.
100 Prozent Datenhoheit nicht möglich
Bei Datenverlusten sollen Firmen und Organisationen außerdem dazu verpflichtet werden, die nationalen Aufsichtsbehörden innerhalb von 24 Stunden zu benachrichtigen. Und wer sich nicht an die neuen EU-Gesetze hält, soll mit hohen Geldbußen bestraft werden können. Das klingt alles gut und ist auch "in vielen Punkten eine Verbesserung", findet Michaela Zinke von der Verbraucherzentrale Bundesverband.
Aber auch diese geplanten Verschärfungen würden nicht dazu führen, dass die persönlichen Daten im Netz tatsächlich jeder Person selbst gehörten und man die totale Kontrolle darüber habe. Eine hundertprozentige Hoheit über die eigenen Daten sei eben einfach nicht möglich. "Meine Daten sind im Netz nicht mehr wirklich meine Daten", so Zinke, "sie gehören zum Großteil denen, bei denen ich sie hinterlasse – und das teils legal, teils aber auch illegal."
Die Anbieter sind stärker
Jeder Verbraucher habe deshalb auch eine Eigenverantwortung im Netz. Niemand muss ja die Daten eingeben, die er nicht eingeben will. Versteht sich eigentlich von selbst, denkt man, scheint auf viele User aber nicht zuzutreffen. "Viele Verbraucher brechen die Dateneingabe eben nicht ab, wenn sie plötzlich nach Hobbies oder Jahreseinkommen gefragt werden. Auch in sozialen Netzwerken muss ich nicht alle Daten angeben, die man angeben kann. Viele machen es aber trotzdem, weil sie sonst vielleicht verschiedene Angebote und Features nicht nutzen können", sagt Zinke.
Die Anbieter säßen eben immer noch am längeren Hebel, das Verhältnis zwischen ihnen und den Usern sei nicht ausbalanciert. Deshalb fordert auch Michaela Zinke vor allem wirkliche Transparenz beim Datensammeln, und dass ein Unternehmen aktiv die Zustimmung eines Users einholen muss, bevor überhaupt etwas passiert.
Autorin: Marlis Schaum
Redaktion: Arne Lichtenberg