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Oder-Hochwasser

28. Mai 2010

Alarmstufe vier an der Oder: Die Pegelstände am Grenzfluss zu Polen nähern sich bedenklich den Werten von 1997 - dem Jahr der verheerenden Überschwemmungen. Die bange Frage in der Region: Halten die Deiche?

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Mobile Spundwände in Frankfurt/Oder (Foto: Heiner Kiesel)
Mobile Spundwände in Frankfurt/OderBild: Heiner Kiesel

Auf dem Deich bei Ratzdorf wird noch gearbeitet. Bauarbeiter in blauen Latzhosen verschrauben Schutzwände aus Aluminium auf dem Asphalt. Ein Meter zusätzlicher Schutz für den kleinen Ort an der Oder, der vor 13 Jahren, bei der großen Flut, ganz unter Wasser gestanden hat. Um die Arbeiter auf der Deichkrone stehen Touristen und Einheimische, die schauen, wie das Wasser hinter der Spundwand steigt. Bäume und Büsche ragen aus den bräunlichen Fluten heraus. Längst ist das kleine Pegelhaus, nur 20 Meter entfernt, vom Wasser umschlossen. Die Pegelanzeige aus roten Leuchtziffern springt von 5,77 auf 5,78 Meter.

Das Wasser kommt

Die Oder strömt hier aus Polen ein, macht einen Knick und fließt mit der Neisse zusammen. In den Einzugsgebieten der Oder hat es in den vergangenen Wochen stark geregnet. In Polen, in Tschechien und auch auf dem Balkan gab und gibt es schwere Überschwemmungen und auch Tote. Und Deutschland erwartet nun den zweithöchsten Pegel der Oder in der Geschichte - so haben es die Behörden errechnet. Trotzdem ist auf dem Deich und dahinter nichts von Panik zu spüren. Einige Fernsehteams laufen ratlos umher.

Am Deich in Ratzdorf setzen Arbeiter Spundwände (Foto: dpa)
Am Deich in RatzdorfBild: picture alliance / dpa

Auf der einen Seite von Deichen und Spundwänden steigt das Wasser, auf der anderen geht das Leben weiter, als ob nichts wäre. Siegfried Schröder, ein bulliger Mann im schwarzen Hemd, schaut leicht belustigt aus der Einfahrt seines Hofes zu den Schaulustigen hoch. "Man hat den Damm und alles neu gemacht. Wir haben keine Angst. Drei Tage, dann fließt das Wasser wieder ab."

218 Millionen für bessere Deiche

Ganz so zuversichtlich ist Matthias Freude nicht. Der drahtige Endfünfziger mit dem kurzgeschnittenen grauen Bart bleibt lieber vorsichtig. Er ist Präsident des Landesumweltamtes Brandenburg und verantwortlich für den Hochwasserschutz.

"Wenn wir die Deiche nicht gebaut hätten, dann könnte man das nur dramatisch nennen", sagt er und schaut mit zusammengekniffenen Augen über das Wasser. Bis jetzt halten die Deiche: "Da haben wir 218 Millionen Euro 'reingesteckt. Das ist sehr teuer für ein kleines Land wie Brandenburg, auch wenn EU und Bund sehr viel Geld dazugegeben haben." Freudes Behörde hat die Deiche höher und breiter machen lassen und neue Flutungsflächen eingerichtet. Von den 163 Deichkilometern wurden 90 Prozent saniert. Die restlichen Strecken werden derzeit mit Sandsäcken verstärkt.

Leben mit der Flut

Matthias Freude, Präsident des Landesumweltamtes ist für die Deiche verantwortlich (Foto: Heiner Kiesel)
Matthias Freude, Präsident des Landesumweltamtes, ist für die Deiche verantwortlichBild: DW
Die Deiche in Brandenburg sind höher und stabiler geworden (Foto: Heiner Kiesel)
Die Deiche in Brandenburg sind höher und stabiler gewordenBild: Heiner Kiesel

Matthias Freude ist seit 1995 Chef des Landesumweltamts. Er hat die Flutkatastrophe von 1997 noch gut in Erinnerung. In jenem Sommer weichte das Hochwasser die Deiche auf und bahnte sich seinen Weg in die tiefliegenden Gebiete dahinter. 5500 Hektar Land, drei Dörfer wurden damals überschwemmt. 30.000 Soldaten und 10.000 zivile Helfer füllten und stapelten Sandsäcke, verhinderten Schlimmeres durch ihren Einsatz. Das soll sich nicht wiederholen. "Auch bei dem jetzigen Wasserstand - der ist übrigens nicht ungefährlich für Deiche - haben wir überhaupt kein Problem." Bis jetzt sieht es hinter den Deichen gut aus.

Schippen und stapeln

Aber nicht alle wohnen hinter einem Deich. Ein paar Kilometer flussabwärts in Eisenhüttenstadt kriecht das Wasser auf den Gehsteig einer Straße. 30 Leute arbeiten hektisch, schippen Sand in weiße Plastiksäcke und stapeln sie in Dreierreihen zu einer Mauer vor ihrem Haus. Die Feuerwehr hilft mit. Ein Sandlaster bringt Nachschub. Ähnliche Szenen spielen sich in tiefergelegenen Stadtteilen von Frankfurt/Oder ab. Von dort gibt es Kritik an den Hochwasserschutzmaßnahmen.

Der Chef des Umweltamtes ist allerdings mit der Arbeit seiner Behörde zufrieden. "Ich glaube, viel mehr hätte man nicht machen können", sagt er nach einem nachdenklichen Blick über den Fluss. Für Notfälle stehen große Mengen an Säcken bereit. "Wir haben drei Jahrhunderthochwasser in nur 12 Jahren gehabt, da hat man Übung." Die Messanzeige am Ratzdorfer Pegelhaus zeigt wieder einen Zentimeter mehr an. Matthias Freude wendet den Blick vom Wasser. Er muss weiter, nach den Deichen schauen und Helfer koordinieren. "Bei Hochwasser", sagt er, "weiß man nie, was die nächste Stunde bringt."

Eisenhüttenstadt: Anwohner schützen ihre Häuser (Foto: Heiner Kiesel)
Eisenhüttenstadt: Anwohner schützen ihre HäuserBild: Heiner Kiesel

Autor: Heiner Kiesel
Redaktion: Hartmut Lüning

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