Das mühsame Geschäft mit den E-Autos
13. März 2014Warum lange drum herum reden? "Wir gehen zur Zeit wieder durch ein Tal des Todes, durch ein Tal der Tränen", so bringt ein Redner gleich im Grußwort des Forums Elektromobilität den Status Quo auf den Punkt. Beinahe fünf Jahre ist es jetzt her, seit die Bundesregierung ihren Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität ins Leben gerufen hat. Er beinhaltet das ehrgeizige Ziel, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf die Straße zu bringen.
Ein Ziel, an das viele nicht mehr glauben. Wohl aber Matthias Busse, Professor an der Uni Bremen und Leiter am Fraunhofer Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung. "Mein Daumen ist oben", sagt er und erinnert an die Einführung des CD-Players und des Mobiltelefons. Innovationen würden sich in Deutschland erfahrungsgemäß sehr zaghaft verkaufen, es müssten auch immer erst die Voraussetzungen stimmen. "Dann wird die Entwicklung sehr stürmisch sein."
16 Modelle suchen bald Käufer
Er sei persönlich davon überzeugt, dass die Elektromobilität kommen werde, auch angesichts der ganzen Themen der Energiewende, die damit Hand in Hand liefen. "Ob es jetzt genau die eine Million im Jahr 2020 sein werden, das wird sich zeigen, aber ich glaube, dass die Zahl nicht ganz unrealistisch ist."
Ähnliches ist von den Automobilbauern zu hören. 17 Milliarden Euro haben die deutschen Unternehmen bis heute in die Entwicklung des E-Autos investiert. 16 Modelle werden Ende dieses Jahres in den Verkaufsräumen stehen. Damit sei die Phase der sogenannten Marktvorbereitung abgeschlossen, sagt Ulrich Eichhorn, Geschäftsführer Technik und Umwelt beim Verband der Automobilindustrie. Seine Branche habe ihre Hausaufgaben gemacht, meint der Manager selbstbewusst. "Es ist uns gelungen, jetzt Fahrzeuge zu schaffen, die vom Betriebsverhalten und von der Qualität für den Kunden total überzeugend sind."
Im Moment sei das reine Elektroauto noch teurer als ein konventionelles Auto. Die Reichweite, die bei 150 bis 190 Kilometern liege, werde genauso als Nachteil empfunden wie die lückenhafte öffentliche Infrastruktur zum Nachladen. "Wir arbeiten an allen Punkten. Die Themen Preis und Reichweite sind hauptsächlich ein Batterie-Thema, da haben wir große Fortschritte gemacht und werden das auch weiter tun." Auch beim Thema Infrastruktur werde dieses Jahr noch viel passieren, verspricht Eichhorn.
Strom aus der Straßenbeleuchtung
Es muss allerdings auch viel passieren, um den Kunden das Elektroauto überhaupt schmackhaft machen zu können. Die geringe Reichweite ist und bleibt das größte Problem, das durch stundenlange Ladezeiten und rar gesäte öffentliche Ladestationen noch verschärft wird. Rund 10.000 Euro kostet der Bau einer konventionellen Ladesäule, dazu kommen die laufenden Betriebskosten einschließlich der Wartung. Das schreckt Investoren ab.
Eine Lösung verspricht Frank Pawlitschek, Geschäftsführer des Berliner Startup Unternehmens ubitricity. Auf dem Forum Elektromobilität präsentiert er ein Elektroauto, an dem ein gelbes Kabel hängt, dessen Stecker in der Säule einer nachgebauten Straßenlaterne verschwindet. In das Kabel ist ein kleiner Kasten integriert, in dem mobile Abrechnungstechnik steckt. "So wie sie heute ihr Handy oder ihr Notebook mit Zugriffsmöglichkeit aufs Internet überall hin mitnehmen, genauso bringt bei uns der Nutzer als Teil des Ladekabels ein Stück Technik mit", erklärt Pawlitschek, "einen mobilen geeichten Stromzähler mit Kommunikationsanbindung, der es ermöglicht, die Steckdose, die wir einsetzen, freizuschalten, also eine Autorisierung vorzunehmen und anschließend den Ladevorgang auch abzurechnen."
Jeder Nutzer zapfe die Steckdose über seinen eigenen Mobilstromvertrag an. Die passenden Steckdosen könnten für rund 300 Euro in einen Lichtmast eingebaut werden. Autofahrer könnten auf diese Weise alle Park- und Standzeiten ihres Elektrofahrzeugs zu Ladezeiten machen. "Wir sind ein Dienstleister für die Energiewirtschaft. Wir machen es möglich, dass in Zukunft Stromlieferanten in der Lage sein werden, dieses mobile Ladekabel mit dem mobilen Stromzähler mit ihrem Strom zu beliefern."
Induktionsspulen im Asphalt
Stationäres Aufladen über ein Kabel, so erklärt Matthias Busse vom Fraunhofer-Institut, sei allerdings lediglich eine Zwischenlösung für die nächsten fünf bis zehn Jahre. Danach werde der Strom per Induktion in die Auto-Batterie gelangen. In Versuchen sei es sogar schon gelungen, fahrende E-Autos bei einer Geschwindigkeit von 50 bis 60 Stundenkilometern zu laden. Ladeinfrastruktur werde zukünftig unter dem Asphalt liegen, beispielsweise in der rechten Spur einer Autobahn, die durchgehend mit Induktionsspulen ausgerüstet werden könnte.
Was für den Laien wie entfernte Zukunftsmusik klingt, ist für Busse genauso greifbar wie ein von Grund auf neu gedachtes Auto. Zum Beispiel könne man den Antrieb in Form eines Radnaben-Motors direkt ins Rad bauen und brauche dann keinen Motorblock mehr, kein Getriebe und keinen Auspuff. "Es fallen viele Komponenten weg, ich kann also das Auto neu denken, wenn ich es von Grund auf neu konstruiere und das sollte man auch tun, um alle Möglichkeiten auszuschöpfen."
Was haben E-Autos mit Fertighäusern zu tun?
Für Busse sind die E-Autos, die den Kunden jetzt angeboten werden, nur der Anfang. Er erinnert an die Erfindung des Verbrennungsmotors, der schließlich auch erst einmal in eine Kutsche eingebaut worden sei, bevor die Autobauer in jahrzehntelanger Entwicklungsarbeit passendere Fahrzeuge erfunden hätten.
"Das ist für mich auch eine Frage des Erwartungsmanagements: Vor fünf Jahren haben alle gesagt, wir haben jetzt das Ei des Kolumbus erfunden, das ist die Elektromobilität und jetzt geht das alles ganz schnell", sagt Busse. "So schnell geht es eben doch nicht, wenn man mal realistisch hinschaut. Aber es wird kommen, wir brauchen nur ein bisschen Zeit dafür."
Und die Begeisterung der potenziellen Kunden. Deshalb sind an der Entwicklung der Elektromobilität inzwischen auch Anbieter von Fertighäusern beteiligt. Sie arbeiten an der Integration der E-Autos in das sogenannte Smart Home, in dem das Auto mit dem Strom aus der hauseigenen Solaranlage betankt wird und nicht nur als Fahrzeug dient, sondern auch als Zwischenspeicher und damit als Baustein für eine autarke Energieversorgung. In Zeiten steigender Energiepreise ein durchaus reizvolles Verkaufsargument.