"Das Herz von VW hat Probleme"
30. April 2015Ferdinand Piëch hatte in den vergangenen Wochen herbe Kritik geäußert an der Unternehmensführung von Volkswagen. Der Autobauer werfe zu wenig Gewinn ab. Und dann sei da noch der US-Automarkt, der wichtigste weltweit, auf dem der VW-Absatz eingebrochen ist, während die Konkurrenten derzeit immer mehr Autos verkaufen. Jetzt ist Piëch weg, aber die Probleme bleiben. Immerhin wird sich der Vorstand auf der nächsten Hauptversammlung des Volkswagen-Konzerns am 5. Mai mit diesen Problemen beschäftigen müssen und nicht mehr mit dem Streit der Enkel des Firmengründers Porsche.
Gewinner zunächst die Mitarbeiter
Wie es weiter geht mit Volkswagen, könnte ein Blick auf diejenigen zeigen, die sich durchgesetzt haben. Da sind zum einen die Gewerkschaften und zum anderen der Großaktionär, das Land Niedersachsen. Beide haben ein Interesse daran, dass weiterhin ein Großteil im Hochlohnland Deutschland produziert wird. Gewinner sind also zunächst die VW-Mitarbeiter, die nun hoffen können, dass die Umstrukturierung für sie weitaus weniger Einschnitte bereit hält, als Piëch bisher immer durchsetzen wollte.
Probleme liegen tiefer
Diese Einschnitte waren in den vergangenen Monaten ein Zankapfel zwischen Piëch und dem Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn. Als dieser das Effizienzprogramm vor neun Monaten angekündigt hatte, musste VW auf Druck von Betriebsratschef Osterloh die Unternehmensberater von McKinsey wieder ausladen. "Plötzlich war das Sanierungsprogramm schon nach drei Tagen durchlöchert", sagt Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. Dabei, so Dudenhöffer weiter, müsse Volkswagen nun dringend handeln. "Das Herz des Konzerns hat Probleme. Mehr als 600.000 Mitarbeiter, die gemeinsam etwas weniger Fahrzeuge bauen wie der Weltmarktführer Toyota mit 350.000 Mitarbeitern."
Schraubenkenner sucht Strategie
Trotzdem wird Winterkorn bei der Hauptversammlung Anfang Mai eine Erfolgsbilanz vorstellen können. Immerhin ist Volkswagen unter seiner Regie dem Ziel, größter Automobilhersteller der Welt zu werden, ein großes Stück näher gekommen. Toyota liegt nur noch knapp vor VW. Winterkorn verdoppelte in den sieben Jahren seiner Amtszeit die Zahl der verkauften Autos und den Umsatz nahezu. VW kaufte Porsche und Ducati, integrierte MAN und Scania.
"Winterkorn ist ein exzellenter Qualitätsmanager, der sich detailversessen persönlich um jede Schraube kümmert", so charakterisiert Autoexperte Dudenhöffer den VW-Chef. "Bei der Schraube der Sitzverstellung am Beifahrersitz ist er aber erfolgreicher als etwa bei der US-Strategie." Wobei Erfolg relativ ist. Die VW-Modelle sind teilweise so aufwendig konstruiert, dass sie in Tests mit den Konkurrenten BMW, Audi und Mercedes-Benz oft sehr gut abschneiden. Aber für einen VW zahlt ein Kunde eben sehr viel weniger als für einen BMW etwa. Die Folge: Eine magere Umsatzrendite von nur 2,5 Prozent. Oder anders ausgedrückt: Volkwagen hat 2014 an jedem verkauftem Fahrzeug im Schnitt lediglich 540 Euro verdient. Bei Toyota liegt diese Zahl bei 1647 Euro.
Schwierige Kernmärkte
Wegen dieser Zahlen und weil dem Volkswagen-Konzern die Erfolge in den Kernmärkten fehlen, hatte Piëch vergeblich eine Kursänderung erzwingen wollen. "Er hat den fehlenden strategischen Ansatz im katastrophalen USA-Geschäft gesehen", sagt Dudenhöffer. "Er hat gesehen, dass Winterkorn die Marke VW in eine Sandwich-Position manövriert hat: Ertragreiche VW-Kunden wandern zu Skoda ab, die Premium-orientierten zu Audi." Volkswagen verliere die elementare Mitte. Zudem würden sich die Gewinne in China in der Zukunft abschwächen.
Immerhin hat der umstrittene Patriarch Piëch mit seinem Abgang am Wochenende dafür gesorgt, dass die Probleme auf den Tisch gepackt werden. Auch wenn die Arbeitnehmervertreter nun gestärkt aus diesen Machtkampf hervor gehen, so dürften den 600.000 VW-Arbeitern schwierige Monate bevor stehen. Werden die Probleme angegangen, wird es sicher Einschnitte bei den Arbeitnehmern geben.