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Das große Schachern

6. Oktober 2009

CDU/CSU und FDP - kann aus ihren unterschiedlichen Wahlprogrammen ein gutes gemeinsames Regierungsprogramm werden? Peter Stützle kommentiert.

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Themenbild Kommentar
Bild: DW

Jetzt beginnt das große Geschacher. Und das ist gut so. Immerhin ist die Bundesrepublik Deutschland fast immer von Koalitionen regiert worden und damit nicht schlecht gefahren. Abrupte Kurswechsel samt der damit verbundenen Übertreibungen sind der Bundesrepublik auf diese Weise erspart geblieben. Wenn eine Partei ihre Ziele nicht einfach in Politik umsetzen kann, sondern erst ihren Partner davon überzeugen muss, haben unausgegorene Ideen weniger Chancen.

Das große Schachern (Foto: DW)

Koalitionen in Deutschland waren bisher auch fast immer Zwei-Parteien-Koalitionen. Das nutzt der Handlungsfähigkeit, die bei einem zersplitterten Parteiensystem leicht leidet. Und so ist es gut, dass nun wieder eine Zweier-Koalition zustande kommt. Und zwar eine echte, weil Angela Merkel offenbar die bayerische CSU einbinden konnte, die im Wahlkampf immer ihre Eigenständigkeit hervorgekehrt hatte. Jetzt will die Union aus CDU und CSU auf der einen Seite mit der FDP auf der anderen Seite reden.

Partner müssen sich Erfolge gönnen

Nach den Erfahrungen mit bisherigen Koalitionsverhandlungen ist nicht zu befürchten, dass nun nur der kleinste gemeinsame Nenner zwischen den Wahlprogrammen der beiden Partner herauskommt. Wollen sie vier Jahre lang und dann möglichst auch bei der nächsten Wahl erfolgreich sein, müssen sich die Partner gegenseitig Erfolge gönnen. Ideen der einen haben deshalb eine Chance, sofern sie den anderen nicht völlig abwegig erscheinen.

Nur hoffen kann man, dass das beim Steuerrecht der Fall sein wird. Die allermeisten Deutschen empfinden es als ungerecht, dass sich im bestehenden System Spitzenverdiener vor dem Finanzamt arm rechnen können und kaum Steuern zahlen. Zudem ist es schädlich, wenn Unternehmer- und Investoren-Entscheidungen mehr unter Gesichtspunkten der Steuerersparnis als nach Markterfordernissen getroffen werden. Die Liberalen haben ein durchdachtes Modell für ein einfaches und gerechtes Steuersystem in der Westentasche. Wenn Merkel und ihrer Union staatspolitische Verantwortung etwas bedeuten, gönnen sie der FDP auf diesem Feld einen Erfolg.

Guten Einsichten nicht verschließen

Umgekehrt ist zu hoffen, dass die Union den Bestrebungen der Liberalen nicht nachgibt, Arbeitnehmerrechte wie den Kündigungsschutz zu schleifen. Unternehmer, die in solchen Rechten ein Hemmnis für ihre wirtschaftliche Entwicklung sehen, sind kurzsichtig. Diese Rechte schaffen eine soziale Stabilität, die gut für die wirtschaftliche Entwicklung des ganzen Landes ist. Inzwischen gibt es in Deutschland eher zu wenig von dieser sozialen Stabilität als zu viel.

Man kann jetzt den Verhandlern in der Koalitionsrunde nur wünschen, dass sie sich guten Einsichten der jeweils anderen Seite nicht verschließen. Dann kann auch ein gutes Ergebnis herauskommen.

Autor: Peter Stützle
Redaktion: Kay-Alexander Scholz