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Das Gesicht des Krieges

Anja Kueppers, Kristina Reymann23. März 2014

Die National Portrait Gallery in London erinnerte an den Ersten Weltkrieg: mit der Ausstellung "The Great War in Portraits". Videos, Gemälde und Bilder zeigen drastisch die Unmenschlichkeit des Krieges.

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Bildergalerie THE GREAT WAR IN PORTRAITS in der National Portrait Gallery
Bild: IWM (Q70696)

"Wenn Sie das Schlachtfeld in Verdun besuchen, sehen Sie, warum die EU gegründet wurde. Wir wollen Kriege wie diesen nie wieder führen." Oberst Richard Nunneley weiß einiges über Krieg. Der große, akkurat gekleidete und eloquente ehemalige Soldat ist Mitglied des Museumsrates des Londoner National Army Museum. Und selbst ein Kriegsveteran.

Er hat sich einige Stunden Zeit genommen, um die Ausstellung in der National Portrait Gallery in Ruhe anzusehen. Eine Ausstellung, die nicht nur den Ersten Weltkrieg reflektiert, sondern indirekt bewaffnete Konflikte generell. Nunneley selbst hat deutsche Wurzeln und ist mit einer Deutschen verheiratet. Für ihn ist es wichtig, daran zu erinnern, dass der Krieg für alle beteiligten Länder ein Blutbad war.

Gedenken erlebbar machen

Oberst Richard Nunneley hat darauf bestanden, dass alle seine Kinder die Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs besuchen sollten, um die brutale Realität des Krieges zu verstehen. Seit er die Armee verlassen hat, klärt er andere Menschen über die tragischen Folgen von Krieg auf. "Im National Army Museum hatten wir eine Ausstellung über Verstümmelungen und die Anfänge der plastischen Chirurgie", sagt Nunneley. "Wir haben viel Kritik eingesteckt, aber wir fanden, dass es unser Job sei, die Realität zu zeigen. Krieg ist eben eine blutige, scheußliche Sache."

Mit seinen vielen Opfern, den schrecklichen Zerstörungen und den politischen Folgen veränderte der Krieg die Ordnung der Welt zu Beginn des 20. Jahrhunderts drastisch. Doch in der Ausstellung gehe es nicht um Politik oder militärische Manöver, betont ihr Kurator, Paul Moorhouse. Sie drehe sich vielmehr um die menschliche Erfahrung des Krieges. "Am 1. Juli 1916, am Ende des ersten Tags der Schlacht an der Somme, waren 19.240 britische Soldaten tot. Eine Zahl, die schnell gesagt ist. Aber wie will man erfassen, was sie wirklich bedeutet?“, fragt er. "Man muss Zahlen ein Gesicht geben."

Bildergalerie THE GREAT WAR IN PORTRAITS in der National Portrait Gallery
"A Grenadier Guardsman" von Sir William Orpen, 1917Bild: IWM ART 3045

Das Menschliche im Krieg sei es, was sie fasziniere, meint Penny Hamilton aus London, während sie an Fotos und Postkarten von Soldaten, eindrucksvollen Ölgemälden und britischen und deutschen Propagandavideos entlang geht. "Es gab Verluste in fast jeder Familie", sagt sie. "Im Krieg konnte jeder zum Opfer werden. Deshalb gibt es ein so großes Interesse daran. Egal, wer Schuld hatte. Der Krieg war verheerend für alle Länder."

Das menschliche Gesicht des Krieges

In den Porträts der Ausstellung spiegelt sich eindringlich das Leid des Krieges: bei Menschen, die wie gejagt wirken, bei den von Verletzungen Gezeichneten oder sogar manchen, die lachen. Im Eingangsbereich werden die Porträts von prominenten Herrschern und Generälen den Bildern einfacher, namenloser Soldaten gegenübergestellt. "Sie stehen für die vielen Soldaten des 21. Jahrhunderts, die einfach 'in Reih und Glied' in der Geschichte verschwinden", sagt Paul Moorhouse.

Bildergalerie THE GREAT WAR IN PORTRAITS in der National Portrait Gallery
Selbstporträt von Sir William Orpen, 1917Bild: IWM ART 2382

Das "empirische und emotionale Herz der Ausstellung", ergänzt der Kurator, sei die Fotoinstallation "The Valiant and the Damned" (Die Tapferen und die Verdammten), die den Fokus auf die persönliche Geschichte jener legt, die direkt am Konflikt teilgenommen haben oder indirekt involviert waren. Eine einzelne Wand, bedeckt mit 40 individuellen Schnappschüssen, listet Namen und - sofern sie bekannt sind – auch Details über das oft tragische Schicksal der Menschen auf. Wie das des Soldaten Harry Farr.

In den ersten Kriegsjahren hatte Farr offensichtlich unerschrocken seinen Dienst verrichtet. Dann war er wohl am Ende seiner Kräfte angelangt. Er weigerte sich, weiter zu kämpfen. Wahrscheinlich als Folge einer posttraumatischen Belastungsstörung, wie man heute sagen würde. Wegen Feigheit vor dem Feind wurde er dafür an einem Morgen des Jahres 1916 hingerichtet. Wie 305 weitere britische Soldaten im Ersten Weltkrieg, die wegen Feigheit vor dem Feind oder Desertation zum Tode verurteilt wurden.

Schockierende Sprache der Bilder

Besonders erschütternd sind die Bilder von Soldaten mit verstümmelten Gesichtern. Wie das Porträt eines Leutnant R.R.Lumley mit einem blutigen, herunter hängenden Auge. Viele davon wurden einem öffentlichen Publikum bisher noch nie präsentiert. "Es war damals gesellschaftsfähig, in der Öffentlichkeit mit fehlendem Arm oder Bein zu erscheinen", sagt Paul Moorehouse. "Diese Verstümmelungen wurden als Beweis für Mut und Pflichterfüllung angesehen. Aber wenn jemandem das Gesicht weggeschossen wird, raubt ihm das seine Identität. Und anderen Menschen die Fähigkeit, ihn anzuschauen. Sogar Familienmitglieder konnten da oft nicht hingucken. Wir zeigen diese Menschen und geben ihnen ihren verdienten Platz in der Geschichte zurück."

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"Der tote Blessiertenträger" von Gilbert Rogers, 1919Bild: IWM ART 3688

Manche Bilder sind wirklich nichts für schwache Gemüter. Aber trotzdem herrscht nicht nur Untergangsstimmung. "Obwohl viel Gewalt, Grausamkeit und Verbitterung zu sehen sind, zeigen einige Porträts auch das Gegenteil, nämlich die ehrenhafte und noble Seite von Menschen: Heldentum, Selbstlosigkeit und die Fähigkeit, sogar unter entsetzlichen Bedingungen zu lachen. Und eine schier unglaubliche Ausdauer in allergrößter Not", sagt der Kurator der Ausstellung. "Und das ist für mich ein außergewöhnlich positiver Teil der menschlichen Natur."