Filmjahr 2018: Bücher über das Kino
22. Dezember 2018Wim Wenders ist auch mit weit über 70 Jahren noch sehr präsent, dreht Spiel- und Dokumentarfilme und zeigt sich von bewundernswerter Frische bei seinen zahlreichen öffentlichen Auftritten. 2018 hat er mit "Grenzenlos" und "Papst Franziskus - ein Mann seines Wortes" gleich zwei neue Werke in die Kinos gebracht. Wenders steht inzwischen wie kein zweiter Regisseur einer älteren Generation für den Erfolg des deutschen Kinos im Ausland.
An diesen Weltstatus kommt Christian Petzold (*1960) noch nicht heran. Doch Petzold, der 2018 seine Fluchtgeschichte "Transit" in die Kinos brachte, könnte einmal in die Fußstapfen des älteren Kollegen treten - intellektuell und vom ästhetischen Anspruch seiner Filme. Im Mutterland des Kinos, in Frankreich, ist Petzold schon jetzt hochangesehen. Über beide Regisseure, deren Oeuvre ja noch keinesfalls abgeschlossen ist, sind neue Bücher erschienen.
Mit "Babylon Berlin" in die Champions League des Serienformats
Schließlich steht auch der Name Tom Tykwer für eine Generation von deutschen Filmemachern, die im Ausland bekannt sind und Erfolg haben. Tom Tykwers (gemeinsam mit den Regisseuren Hendrik Handloegten und Achim von Borries) in Szene gesetzte Serie "Babylon Berlin" gilt inzwischen als Aushängeschild deutscher Serienkunst: "Babylon Berlin" wurde in über 100 Länder verkauft.
Bücher über Wenders, Petzold und "Babylon Berlin" (eine dritte Staffel wird gedreht) dürften also in den kommenden Jahren aktualisiert werden. Bei Rudolf Thome (*1939) und Edgar Reitz (*1932) ist das weniger wahrscheinlich. Neue Publikationen über Thome und Reitz darf man getrost auch als Rückschau auf ein vermutlich abgeschlossenes Werk lesen. Über diese fünf, auch im Ausland bekannten deutschen Regisseure, sind in den vergangenen zwölf Monaten Bücher erschienen, Monografien und Bildbände.
Das Kino der Nazis und das Interesse der Filmhistoriker
Das deutsche Kino ist auch nach wie vor ein Steinbruch für Filmhistoriker. Insbesondere das Kino der Jahre 1933 - 1945 stößt über 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs auf großes Interesse - auch international. Interessant vor allem deswegen, weil manche Filme, die während der Zeit des Nationalsozialismus entstanden sind, immer noch nur "unter Vorbehalt" gezeigt werden dürfen: Sie dürfen nur unter bestimmten Bedingungen vor Publikum laufen. Zwei neue Bücher beschäftigten sich 2018 mit dem Thema "Film & Kino während des Nationalsozialismus".
Der Regisseur Helmut Käutner begann auch während der NS-Zeit Regie zu führen, ist aber einer der wenigen, die man im Rückblick nicht unter der Rubrik Propaganda einordnen würde. Im Gegenteil: Käutner ging nicht ins Exil, und ließ sich dennoch nicht vereinnahmen vom mörderischen Regime der Nationalsozialisten. Wie hat er das gemacht? Antworten darauf gibt eine neue ausführliche Werkanalyse.
Zwischenmenschliche Dramen: Stars unterm Hakenkreuz
Wie schwierig dieser Drahtseilakt zwischen Opportunismus und Auflehnung für viele Filmschaffende war, zeigt auch ein Blick auf die Lebensläufe von bekannten und beliebten Filmstars vor der Kamera. "Mag's im Himmel sein, mag's beim Teufel sein - Stars und die Liebe unterm Hakenkreuz" heißt ein neues Buch, das berühmte Schauspielerpaare unter die Lupe nimmt.
Der Band "Zeitgeschichte sehen" hingegen greift das Thema Geschichte und Kino allgemein auf, stellt anhand von ausgewählten Werken wie "Schindlers Liste" und "Good Bye Lenin!" den Umgang der Filmemacher mit Historie im Kino analytisch und umfassend vor.
Schließlich haben wir in unserer Filmbuch-Jahresrückschau noch einen Band ausgewählt, der über die deutschen Kinolandesgrenzen blickt, der aber auch Film und Geschichte, Kino und Historie, miteinander in Beziehung setzt. Wie kein anderes Land Osteuropas waren es tschechische und slowakische Regisseure, die in den Jahren vor 1968 dem Kino ästhetisch, aber auch vom politischen Anspruch neues Leben einhauchten und das Medium zu neuen Ufern führten. 50 Jahre 1968 feierte man in den vergangenen Monaten. Das Kino leistete damals seinen Anteil am gesellschaftlichen und kulturellen Umbruch. In kaum einem anderen Land wurde das so deutlich wie in der damaligen ČSSR.
Zum Weiterlesen:
Wim Wenders, herausgegeben von Michaela Krützen, Fabienne Liptay und Johannes Wende, Verlag Edition Text und Kritik, 126 Seiten, ISBN 978-3-86916-655-1;
Über Christian Petzold, herausgegeben von Ilka Brombach und Tina Kaiser, Verlag Vorwerk 8, 264 Seiten, ISBN 978-3-940384-99-7;
Babylon Berlin von Michael Töteberg, Kiepenheuer & Witsch Verlag, 352 Seiten, ISBN 978-3-462-05250-3;
Rudolf Thome, herausgegeben von Michaela Krützen, Fabienne Liptay und Johannes Wende, Verlag Edition Text und Kritik, 122 Seiten, ISBN 978-3-86916-731-2;
Edgar Reitz: Die große Werkschau - Ein Handbuch, Schüren Verlag, 440 Seiten, ISBN 978-3-7410-0323-3;
Helmut Käutner - Freiheitsträume und Zeitkritik von René Ruppert, Verlag Bertz + Fischer, 424 Seiten, ISBN 978-3-86505-332-9;
Stilepochen des Films: Der NS-Film, herausgegeben von Friedemann Beyer und Norbert Grob, Reclam Verlag, 456 Seiten, ISBN-13: 978-3150195314;
Mag's im Himmel sein, mag's beim Teufel sein von Evelyn Steinthaler, Kremayr & Scheriau, 224 Seiten, ISBN: 978-3-218-01130-3;
Zeitgeschichte sehen - Die Aneignung von Vergangenheit durch Filme und ihre Zuschauer von Sabine Moller, Verlag Bertz + Fischer, 224 Seiten, ISBN 978-3-86505-330-5;
Klassiker des tschechischen und slowakischen Films, herausgegeben von Christer Petersen, Anke Steinborn, Nicole Kandioler, Schüren Verlag, 224 Seiten, ISBN 978-3-89472-845-8;