Machen Mutationen das Ebola-Virus noch gefährlicher?
10. September 2014Jeder Krankheitserreger mutiert, um sich seiner Umgebung besser anzupassen - Ebola ist da keine Ausnahme.
Nachdem Barack Obama bekannt gegeben hatte, US-Militär nach Westafrika zu schicken, sagte er in einem Fernsehinterview, dass ein sofortiges Einschreiten unbedingt notwendig sei. Ansonsten könnte das Ebola-Virus mutieren und leichter übertragbar werden, "und dann könnte es auch zu einer ernsten Gefahr für die Vereinigten Staaten werden."
Und tatsächlich: Je länger ein Virus kursiert, desto mehr verändert es sein genetisches Material. "Wenn es von Mensch zu Mensch springt, gerät es unter Druck, sich anzupassen", erklärt Virologe Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg im DW-Interview. Und: "Schon eine einzige Veränderung im Erbgut kann große Auswirkungen haben."
Mutationen könnten zum Beispiel die Ansteckungsgefahr des Virus stark erhöhen. Sie könnten auch dafür sorgen, dass die Krankheit bei einem Infizierten früher ausbricht oder dass die Krankheit anders verläuft, etwa, dass es häufiger zu Gehirnentzündungen kommt. Im schlimmsten Fall könnte eine Mutation das Virus so verändern, dass es nicht mehr nur über Körperflüssigkeiten, sondern auch über die Luft übertragen werden kann - das wäre wirklich verheerend.
Hunderte von Mutationen
Ein internationales Forscherteam hat das Erbgut von 99 Ebola-Viren analysiert. Die Erreger stammten aus 78 Patienten aus Sierra Leone, bei denen die Ärzte zwischen Ende Mai und Mitte Juni Ebola festgestellt hatten.
Die Forscher fanden über 300 genetische Veränderungen, die diese Virus-Variante von denen aus früheren Ausbrüchen unterscheidet. Weitere 50 Mutationen sind erst im Laufe dieser Epidemie aufgetreten. Das Virus ist also dabei, sich zu verändern.
Mehrere Mutationen haben zu veränderten Aminosäureabfolgen in den Eiweißen geführt, die das Virus herstellt, berichtet das Team um Stephen Gire, Wissenschaftler am US-amerikanischen Broad-Institut und der Harvard-Universität in Boston.
Wie sie in der Fachzeitschrift "Science" schreiben, betreffen einige Veränderungen auch solche Erbgutregionen, die bei der Diagnose der Ebola eine Rolle spielen. Mutiert das Virus an diesen Stellen weiter, könnte das die Diagnose in Zukunft erschweren.
Nach Angaben der Forscher lassen die Daten insgesamt vermuten, dass "ein Fortschreiten dieser Epidemie dem Virus eine Gelegenheit bieten wird, sich anzupassen. Das unterstreicht die Notwendigkeit einer raschen Eindämmung."
Unbekannte Folgen
"Wir wissen nicht, ob diese genetischen Unterschiede mit der Schwere des derzeitigen Ausbruchs zu tun haben", sagt Stephen Gire. Jonas Schmidt-Chanasit bestätigt, dass es nicht möglich ist, durch den Blick auf ein verändertes Erbgut zu entscheiden, welche Auswirkungen die Veränderungen im realen Leben haben.
"Selbst wenn ein Virus eine hohe Mutationsrate hat, muss nicht zwingend etwas [Schlimmes] passieren", erklärt er. Denn viele Veränderungen sind nur gering. Viele haben auch überhaupt keine Auswirkungen.
Weniger Mutationen als ein Grippe-Virus
Ein Virus, das für sein schnelles Mutieren bekannt ist, ist das Grippe-Virus. Jedes Jahr müssen Forscher eine neue Grippeimpfung entwickeln, denn nach zwölf Monaten ist das Virus bereits so stark mutiert, dass die Impfung vom Vorjahr nicht mehr wirkt.
Glücklicherweise ist Ebola anders, sagt Schmidt-Chanasit. Das Ebola-Virus mutiert im Vergleich dazu nur langsam. Das liegt daran, dass die Struktur seines Erbguts ganz anders ist.
Allerdings verändert es sich immer noch schnell genug, dass es Resistenzen gegen Medikamente und Impfungen entwickeln kann - gegen genau die Medikamente und Impfungen, die gerade erst entwickelt werden.
Erbgutveränderungen sind nicht das Problem
Laut Schmidt-Chanasit ist es nicht auszuschließen, dass sich das Ebola-Virus irgendwann einmal so verändert, dass es auch über die Luft übertragen wird. Aber das sei "sehr unwahrscheinlich". Denn was die Symptome der Krankheit und die Übertragbarkeit des Virus angeht, deute bisher nichts darauf hin, dass sich diese Epidemie von anderen Ebola-Ausbrüchen unterscheidet.
"Es sind die Umstände, die diesen Ausbruch so dramatisch machen", sagt er. Das Problem ist nicht, dass das Virus mutiert, sondern dass Krankenbetten, Isolierstationen sowie Erfahrung mit dem Virus fehlen.