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Das Bild der Deutschen

Wolfgang Dick3. April 2013

Wie Deutschland mit der weltweiten Finanzlage und der Euro-Krise umgeht, hat den Blick auf die Deutschen in vielen Ländern verändert. Das aktuelle Image der Bundesbürger bietet auch Überraschungen.

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Familie unter einem Baum
Familie unter einem Baum neuBild: Bilderbox

Zu dominant. Zu belehrend. Zu ungeduldig. Besserwisserisch, gefühllos und egozentrisch werden "die Deutschen" derzeit nicht nur in den südeuropäischen Ländern wie Griechenland, Italien und Spanien empfunden. Es sind Negativeindrücke, die beinahe weltweit gelten. Selbst in Ländern, in denen Deutschland traditionell ein hohes Ansehen genießt. Das bestätigen deutsche Korrespondenten, die ihre Erfahrungen mit dem Image der Deutschen in über 15 Ländern in einem Buch "So sieht uns die Welt" (Westend-Verlag) zusammengefasst haben. Natürlich sind ihre Erkenntnisse nicht unbedingt repräsentativ, aber sie beruhen auf vielen Gesprächen und Begegnungen mit einfachen Bürgern und Vertretern der so genannten "Elite", die die Journalisten vor Ort in den Ländern über Jahre hinweg gesammelt haben.

"Wir sind geachtet, aber nicht geliebt", sagt Hanni Hüsch, die in den letzten Jahren als USA-Korrespondentin für das Deutsche Fernsehen (ARD) tätig war. Sie bringt damit auf den Punkt, was auch ihre Kollegen in anderen Ländern bestätigen. Die Überraschung ist aber, dass die schlechten Eigenschaften, die man den Deutschen zuschreibt, keine besonders negativen Auswirkungen haben. Die Bewunderung für die positiven Seiten überwiegt.

Bäcker Dirk Rauch steht in der Backstube der Bäckerei Sudbrack in Trier an einer Maschine (Foto: dpa)
Deutscher Fleiß - hoch anerkannt und geschätztBild: picture-alliance/dpa

Nicht die ganze Wahrheit

Die Deutschen werden trotz aller kritischen Töne weltweit als fleißig, diszipliniert, sehr gut organisiert und hoch effizient beschrieben. Selbst von Italienern und auch von den Griechen, die auf Demonstrationen in Athen Puppen mit dem Gesicht von Bundeskanzlerin Merkel in Nazi-Uniform steckten, um ihren Unmut über die Forderungen der Bundesregierung zur Euro-Rettung deutlich zu machen. "Die Griechen respektieren die Leistungen der Deutschen und ihre Tugenden, die ihnen erlauben, die Krise gut zu überstehen", räumt der griechische Journalist Jannis Papadimitriou ein. Er berichtet auch von einer neuen Tendenz zu versöhnlicheren Tönen. "Inzwischen wird verstanden, dass Deutschland die Griechen nicht fallen lassen möchte".

Die eigentliche Überraschung, die die Korrespondenten überall fast einhellig feststellen: Es gibt ein neues großes und gestiegenes Interesse an Deutschland und seinen Menschen. Lange galt die Bundesrepublik - selbst nach der Wiedervereinigung und der damit neuen Größe und Bedeutung - auf der internationalen Bühne als eher farblos und zurückhaltend. Bei vielen Konflikten hielten sich die Deutschen diplomatisch zurück oder boten nur wenig Hilfen und Unterstützung. Seitdem deutsche Politiker in der Finanz- und Eurokrise gezwungen sind, klare Positionen zu beziehen und zu verteidigen, zeigt sich ihr Profil plötzlich klar und deutlich. Dass verschreckt nicht etwa, es macht Deutschland und die Deutschen attraktiver, sagen die Korrespondenten zu ihren Eindrücken in vielen Ländern.Enttäuschte Liebe

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao (l.) eröffnen am 23.04.2012 auf dem Messegelände in Hannover im chinesischen Gemeinschaftsstand die Messe (Foto: dpa)
Deutschland und China - Noch etwas Nachhilfe nötigBild: picture alliance / dpa

Oft hätten die Menschen in Deutschland gar keine Vorstellung von dem Ausmaß an Bewunderung, die ihnen in aller Welt entgegen gebracht wird. Umso enttäuschter reagiert man in den Ländern, wenn diese Gefühle von den Deutschen nicht im selben Maß erwidert würden. Beispiel China: "Man denkt in China, Deutschland ist großartig, weil dieses Land so viele Philosophen, Musiker und Wissenschaftler hervorgebracht hat", sagt Erning Zhu, die für die chinesische Redaktion der Deutschen Welle arbeitet. "Die Deutschen sind leider nicht so interessiert und generell nicht so international orientiert". Schade sei auch, dass die Deutschen andere Traditionen, wie das menschliche Füreinander, das in China "Guanxi" genannt wird, so wenig schätzten. "Die Deutschen sind zu sehr in gesetzlichen Regelungen verankert, und wenig fähig, Probleme auf persönlicher Ebene informell zu lösen".

Enttäuscht sind auch viele Brasilianer. Ihr Land habe in den letzten Jahren eine unglaublich positive Entwicklung genommen. Die deutsche Kanzlerin sei aber nur ein einziges Mal in Brasilien zu Besuch gewesen. Im gleichen Zeitraum, das sei sehr wohl registriert worden, ist die Kanzlerin sechs Mal in China gewesen.

Türken haben sich abgewendet

In der Türkei ist das Image der Deutschen sehr differenziert, weil viele türkische Familienmitglieder in Deutschland gelebt und gearbeitet haben. Es gibt große freundschaftliche Beziehungen und Gefühle zu vielen deutschen Bürgern. Das Verhältnis zu deutschen Politikern gilt aber als vergiftet. Die Morde an Türken durch radikale Neonazis in der Bundesrepublik und die Art, wie politisch Verantwortliche damit umgegangen sind, haben zur Verstimmung beigetragen.

Noch schwerer wiege jedoch, dass die Bundesregierung der Türkei die volle Mitgliedschaft in der Europäischen Union verweigert. "Da ist viel Porzellan zerschlagen worden", berichtet der Korrespondent Jürgen Gottschlich. "Die Türkei wendet sich inzwischen gleichgültig von den Deutschen ab und baut Istanbul zur wirtschaftlichen Drehscheibe nach Asien und in die arabische Welt aus".

Fans schwenken Deutschlandflaggen bei Fußball-WM 2006 (Foto: Getty Images)
Brachte weltweit viel Ansehen - die Fußball-WM 2006 in DeutschlandBild: Getty Images

Mut vermisst

In Russland, Polen, Israel und den USA wird den Deutschen ihre Geschichte, die Verbrechen unter den Nationalsozialisten, kaum noch vorgehalten. Die Selbstverständlichkeit, mit der Deutsche als gefestigte Demokraten und als neue Generation akzeptiert werden, hat viele Korrespondenten auch nach mehr als 60 Jahren überrascht. In Israel wird Deutschland als bester Freund und Verbündeter bezeichnet. In Polen, dem Land, dem die Deutschen ebenfalls viel Leid brachten, fordert der Außenminister von Deutschland gar mehr Mut zur politischen Aktivität und fürchtet keine neue Machtpositionen. Und die USA erwarten schon lange, dass sich Deutschland international viel mehr engagiert.

Auch für die einfachen Bürger dieser Länder spielt die Nazi-Vergangenheit Deutschlands kaum noch eine Rolle. Briten sind seit der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 immer noch Fans des neuen Deutschlands. Russen lieben die deutsche Gesundheitsversorgung. US-Amerikaner schwärmen zusammen mit Menschen in der arabischen Welt von deutschen Autos, deutschem Bier und der Qualität vieler anderer Produkte. Früher hätte es in jedem James-Bond-Film einen Verbrecher gegeben - natürlich immer mit deutscher Nationalität. Das sei heute nicht mehr so, schildert Hanni Hüsch die Lage in den USA.

"Made in Germany" steht auf der Unterseite eines Kochtopfs (Foto: dpa)
Made in Germany - Ein Gütesiegel über Grenzen hinwegBild: picture-alliance/dpa

Eine repräsentative Studie gibt es nicht

Wie Deutschland und seine Menschen weltweit angesehen werden, ist natürlich wichtig. Deutsche sind Touristen, die beliebt sein wollen. Deutsche Firmen müssen ihre Produkte weltweit verkaufen. Ein schlechtes Image schadet den Geschäften. Das hat der britische Politikberater Simon Anholt erkannt und im Jahr 2005 den "Nation Brand Index" erfunden. Darin wird regelmäßig die Attraktivität von Staaten in einer Umfrage unter mehr als 20.000 Entscheidern in über 50 Ländern erfragt. Nach dem jüngsten Index belegt Deutschland 2012 Rang zwei noch vor Großbritannien. Platz eins geht an die USA. Hauptkriterium für die Rangfolge war die Attraktivität der Länder für Investoren.

Das zeigt das Dilemma. Als Wirtschaftskraft liegt Deutschland seit Jahren weit vorne. Aber was ist mit den menschlichen Seiten seiner Bürger? Das Buch der Auslandskorrespondenten war der erste Versuch seit vielen Jahren, einige Antworten aufzuspüren. Das Goethe-Institut, das in aller Welt die deutsche Sprache fördert und die internationale kulturelle Zusammenarbeit mit Deutschland pflegt, bekommt zwar im Rahmen von Veranstaltungen immer wieder mit, was über die Deutschen gedacht wird - veröffentlicht wird jedoch nichts. Und eine regelmäßige Befragung zum Image der Deutschen führt das Goethe-Institut mit über 150 Einrichtungen in 93 Ländern auch nicht durch.

Ähnlich zurückhaltend gibt sich das Auswärtige Amt. Offiziell erklärt eine Sprecherin, dass eine Auswertung des Deutschlandbildes im Ausland durch ein von der Bundesregierung beauftragtes Institut nicht erfolgt. Sicherlich verfügt aber der Bundesaußenminister durch seine Botschaften und Konsulate über etliche Informationen zum Image der Deutschen in aller Welt. Jede öffentliche Äußerung dazu gilt allerdings als höchst undiplomatisch.