Rekordabsatz
4. Juli 2011Das Auto scheint tatsächlich des Deutschen liebstes Kind zu sein. Wie anders lässt sich erklären, dass es der deutschen Automobilindustrie so gut geht wie nie zuvor. Die Deutschen kaufen Autos, als seien weder Klimawandel noch Energiewende ein Thema und als würden Benzin und Diesel immer billiger. Daher hatte Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), allen Grund zur Zufriedenheit, als er am Montag (04.07.2011) in Berlin die "Halbzeitbilanz des Automobiljahres 2011" vorstellte. Selbstbewusst rechnete er die guten Zahlen von Januar bis Juni 2011 auf das Gesamtjahr hoch: " Wir erwarten neue Höchststände beim Pkw-Export und der Produktion."
Im Berichtszeitraum haben die deutschen Hersteller in ihren hiesigen Werken rund drei Millionen Autos gebaut, so viel wie nie zuvor. Zwar ist auch die Zahl der Neuzulassungen von Personenwagen in Deutschland gestiegen, um zehn Prozent nämlich. Die größten Zuwächse verzeichnen die deutschen Autobauer aber auf fremden Märkten. In den USA konnten sie mehr PKW und SUVs absetzen als je zuvor: Fast eine halbe Million dieser Fahrzeuge bedeuten eine Steigerung um 17,2 Prozent in diesem Marktsegment. Der amerikanische Automarkt wächst zwar ebenfalls, der Anteil der deutschen Hersteller darin aber noch stärker. Das heißt, dass die Marktanteile deutscher Marken in den USA stetig steigen.
Andere Wachstumsmärkte finden Mercedes, Opel, VW und ihre deutschen Mitbewerber in Indien und China. Mit gutem Potential, gibt es dort doch noch verhältnismäßig wenig Autos. Kaufkraft ist auf Grund der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung vorhanden und der Markt ist noch lange nicht gesättigt. Trotz aller guten Aussichten auf fremden Märkten bleibt Westeuropa der wichtigste Markt für die deutsche Automobilindustrie. Aus diesem Markt erwartet der VDA eine Nachfrage von 13 Millionen Neuwagen für dieses Jahr; er sei daher, so Wissmann, "weiterhin ein stabiler Anker unserer Industrie."
Energieeffizienz fordert Ingenieurskunst
Wissmann goss aber auch Wasser in den Wein der Rekordzahlen. Er sieht vor allem durch die Energiewende in Deutschland den Aufschwung seiner Branche in Gefahr. Sollten die Strompreise für die Auto- und die Zuliefererindustrie weiter steigen, könnte das für manche Betriebe ein Grund sein, die Produktion ins Ausland zu verlegen, sagte Wissmann. Auch der steigende Spritpreis könnte in Zukunft dazu führen, dass ein potentieller Autokäufer auf eine Neuanschaffung verzichte. Der Verkehrs- und Umweltexperte Stefan Bratzel sieht das nicht ganz so düster. Im Gespräch mit DW-WORLD.DE kam er zu einem anderen Schluss: "Auch wenn die Spritpreise auf zwei Euro für den Liter Superbenzin steigen - wenn gleichzeitig die Effizienz besser wird und der Spritverbrauch sinkt, hat man am Ende ein Nullsummenspiel." Daher seien Absatz-Einbrüche nicht zu erwarten.
Warum investiert dann die Autoindustrie nicht mehr in die Entwicklung und die Serienreife alternativer Antriebssysteme? Gerade in Zeiten, in denen Benzin und Diesel immer teurer werden, dürfte der Anreiz steigen, ein Auto mit elektrischem Antrieb zu kaufen. Autoexperte Stefan Bratzel macht dafür die im Vergleich höheren Anschaffungskosten verantwortlich: "Nach wie vor machen die Batteriekosten ein Elektroauto teurer als ein herkömmliches Diesel- oder Benzinfahrzeug. Mit reinen Elektroautos kann man noch kein Geld verdienen."
Gerade in der Steigerung der Energieausbeute beim Autoantrieb sieht VDA-Präsident Matthias Wissmann eine Herausforderung an die Ingenieure, sich noch stärker mit der Energieeffizienz von Verbrennungsmotoren zu befassen: "Die Kunst ist nicht, einen Kleinwagen bei vier Litern Verbrauch zu haben. Die Kunst ist, eine Mercedes S-Klasse oder einen 7er BMW in die Nähe der fünf Liter zu bringen. Das ist dann Ingenieurskunst."
Autor: Dirk Kaufmann
Redaktion: Rolf Wenkel