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Das Auswärtige Amt und seine Vergangenheit

29. Oktober 2010

Spätestens seit dieser Woche ist es öffentlich: Die deutsche Diplomatie war aktiv an den Verbrechen der Nationalsozialisten beteiligt. Das belegt eine Studie, die jetzt in Berlin offiziell vorgestellt wurde.

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Das Auswärtige Amt in Berlin (Foto: Marius Becker dpa/lbn)
Die Studie belastet das AABild: picture alliance/dpa
Der große Saal im Haus der Kulturen der Welt in Berlin war bis auf den letzten Platz gefüllt. Hunderte Bürger waren gekommen, um bei der Vorstellung eines fast 900 Seiten dicken Buches dabei zu sein. Es ist das Werk von vier Historikern: Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes und Moshe Zimmermann. Und es befasst sich mit der Geschichte des Auswärtigen Amtes. Norbert Frei, Professor an der Universität Jena, fasst das Ergebnis der Untersuchung in einem kurzen Satz zusammen: "Das Auswärtige Amt im 'Dritten Reich' war das Auswärtige Amt des 'Dritten Reiches'."

Das "Buch des Jahres"

Der ehemalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei der Vorstellung des Buches "Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik". (Foto: Hannibal dpa/lbn)
Frank-Walter Steinmeier bei der Vorstellung der StudieBild: picture alliance/dpa

Für den ehemaligen sozialdemokratischen Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist der Bericht der Historiker das Buch des Jahres. Es zeige, wie bereitwillig sich deutsche Diplomaten in den Dienst der Nazipolitik gestellt hätten. "Am Anfang gab es Wegschauen, bedrückend viele Hinweise auf stilles Komplizentum, am Ende auch Mittäterschaft von viel zu vielen. Die 'Banalität des Bösen' gab es nicht nur in Uniform. Sie trat auch in Frack und Nadelstreifen auf."

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele dieser Diplomaten in den Auswärtigen Dienst der jungen Bundesrepublik übernommen. Widerständler dagegen hatten es schwer, wieder Fuß zu fassen. Nur jeder fünfte Diplomat nach dem Krieg war ein Verfolgter des Nazi-Regimes - 40 Prozent dagegen waren ehemalige Nazis. Vor fünf Jahren, als der damalige Außenminister Joschka Fischer untersagte, diesen Ex-Nazis nach dem Tod im Amtsblatt des Auswärtigen Amtes einen ehrenden Nachruf zu widmen, entzündete sich daran eine heftige Debatte, die der Grünen-Politiker lange nicht verstehen konnte. Heute aber wisse er: es gehe offensichtlich um den "letzten über den Tod hinausreichenden 'Persilschein'" – also ein Dokument, das die Weste des Betroffenen reinwäscht, ihm bezeugt, von jeder Schuld bezüglich des Nazi-Regimes frei zu sein.

Auseinandersetzung mit der Vergangenheit

Belastende Dokumente: eine Reisekostenabrechnung mit dem Vermerk "Liquidation von Juden" (Foto: dpa)
"Liquidation von Juden" - Vermerk auf einer ReisekostenabrechnungBild: picture alliance/dpa

Der damalige Außenminister Fischer war es auch, der im Jahr 2005 die Historiker-Kommission einsetzte um zu klären, wie sehr das Auswärtige Amt in die Verbrechen der Nazi-Zeit verstrickt war und wie es den diplomatischen Eliten nach dem Krieg gelang, diese Verstrickung zu verleugnen. Die ehrliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit sei für die Bundesrepublik Deutschland von größter Bedeutung, sagte er bei der Vorstellung des Berichts der Historikerkommission. Man dürfe nicht vergessen, dass Deutschland "eine wunderbare Demokratie" geworden sei und gerade bei der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit Großes geleistet habe. Die Kommission trage dazu bei, dass man auf diesem Weg weitergehe.

Auch Westerwelle würdigt die Arbeit der Historiker

Guido Westerwelle - in der Hand die Studie - und die vier Historiker Peter Hayes, Eckart Conze, Moshe Zimmermann, and Norbert Frei (AP Photo/Markus Schreiber)
Guido Westerwelle mit der HistorikerkommissionBild: AP

Vier Historiker und zwei ehemalige Außenminister – nur einer fehlte an diesem Abend im Haus der Kulturen der Welt: der jetzige Außenminister Guido Westerwelle von der FDP. Er wollte sich an der Diskussion mit seinen Amtsvorgängern nicht beteiligen. Aber er hatte den Bericht der Historikerkommission am Nachmittag zuvor offiziell in Empfang genommen. Und auch er unterstrich in seiner Rede die Bedeutung des Buches: "Das Auswärtige Amt war ein aktiver Teil der verbrecherischen Politik des sogenannten 'Dritten Reiches'. Das Auswärtige Amt war unmittelbar in die Gewaltpolitik des Nazi-Regimes eingebunden und frühzeitig über die verbrecherischen Methoden der deutschen Kriegsführung informiert. An der systematischen Vernichtung der europäischen Juden war es mit administrativer Kälte beteiligt."

Für den diplomatischen Nachwuchs werde das Buch der Historiker Pflichtlektüre, versprach Westerwelle. Die darin enthaltenen Erkenntnisse würden Eingang finden in die Diplomaten-Ausbildung.

Autorin: Bettina Marx

Redaktion: Petra Lambeck