Das Auswärtige Amt und seine Vergangenheit
29. Oktober 2010Das "Buch des Jahres"
Für den ehemaligen sozialdemokratischen Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist der Bericht der Historiker das Buch des Jahres. Es zeige, wie bereitwillig sich deutsche Diplomaten in den Dienst der Nazipolitik gestellt hätten. "Am Anfang gab es Wegschauen, bedrückend viele Hinweise auf stilles Komplizentum, am Ende auch Mittäterschaft von viel zu vielen. Die 'Banalität des Bösen' gab es nicht nur in Uniform. Sie trat auch in Frack und Nadelstreifen auf."
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele dieser Diplomaten in den Auswärtigen Dienst der jungen Bundesrepublik übernommen. Widerständler dagegen hatten es schwer, wieder Fuß zu fassen. Nur jeder fünfte Diplomat nach dem Krieg war ein Verfolgter des Nazi-Regimes - 40 Prozent dagegen waren ehemalige Nazis. Vor fünf Jahren, als der damalige Außenminister Joschka Fischer untersagte, diesen Ex-Nazis nach dem Tod im Amtsblatt des Auswärtigen Amtes einen ehrenden Nachruf zu widmen, entzündete sich daran eine heftige Debatte, die der Grünen-Politiker lange nicht verstehen konnte. Heute aber wisse er: es gehe offensichtlich um den "letzten über den Tod hinausreichenden 'Persilschein'" – also ein Dokument, das die Weste des Betroffenen reinwäscht, ihm bezeugt, von jeder Schuld bezüglich des Nazi-Regimes frei zu sein.
Auseinandersetzung mit der Vergangenheit
Der damalige Außenminister Fischer war es auch, der im Jahr 2005 die Historiker-Kommission einsetzte um zu klären, wie sehr das Auswärtige Amt in die Verbrechen der Nazi-Zeit verstrickt war und wie es den diplomatischen Eliten nach dem Krieg gelang, diese Verstrickung zu verleugnen. Die ehrliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit sei für die Bundesrepublik Deutschland von größter Bedeutung, sagte er bei der Vorstellung des Berichts der Historikerkommission. Man dürfe nicht vergessen, dass Deutschland "eine wunderbare Demokratie" geworden sei und gerade bei der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit Großes geleistet habe. Die Kommission trage dazu bei, dass man auf diesem Weg weitergehe.
Auch Westerwelle würdigt die Arbeit der Historiker
Vier Historiker und zwei ehemalige Außenminister – nur einer fehlte an diesem Abend im Haus der Kulturen der Welt: der jetzige Außenminister Guido Westerwelle von der FDP. Er wollte sich an der Diskussion mit seinen Amtsvorgängern nicht beteiligen. Aber er hatte den Bericht der Historikerkommission am Nachmittag zuvor offiziell in Empfang genommen. Und auch er unterstrich in seiner Rede die Bedeutung des Buches: "Das Auswärtige Amt war ein aktiver Teil der verbrecherischen Politik des sogenannten 'Dritten Reiches'. Das Auswärtige Amt war unmittelbar in die Gewaltpolitik des Nazi-Regimes eingebunden und frühzeitig über die verbrecherischen Methoden der deutschen Kriegsführung informiert. An der systematischen Vernichtung der europäischen Juden war es mit administrativer Kälte beteiligt."
Für den diplomatischen Nachwuchs werde das Buch der Historiker Pflichtlektüre, versprach Westerwelle. Die darin enthaltenen Erkenntnisse würden Eingang finden in die Diplomaten-Ausbildung.
Autorin: Bettina Marx
Redaktion: Petra Lambeck