Barenboim und kein Ende
3. März 2019Musikalisches Genie, Pianist, Dirigent, Buchautor. Außerdem: Retter der Berliner Staatsoper, Musikakademie-Gründer, Humanist, Friedensstifter, einflussreichster Musiker der Welt. So lauteten lange die Beschreibungen des international renommierten Star-Dirigenten Daniel Barenboim.
Inzwischen wird Daniel Barenboim auch anders beschrieben: als Autokrat, als Workaholic, als Gesundheitsrisiko für die Orchestermitglieder. Die Kontroverse um Barenboim in den deutschen Medien ebbt nicht ab. Nachdem Willi Hilgers, Solopaukist bei der Münchner Staatskapelle, im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk Barenboim scharf angegriffen hatte, meldeten sich mehrere Musiker zu Wort – die meisten anonym.
Als leitender Dirigent sei Barenboim "launisch, aggressiv, ungeduldig, jähzornig, ungerecht". Die zum Teil noch unter ihm aktiven Orchestermusiker beschreiben in ihren Stellungnahmen ein Klima von Angst und Stress. Mitunter für manche von ihnen ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko: von Herzproblemen und auch Depressionen ist die Rede.
Diktator am Dirigentenpult
In mehreren Berichten des Klassik-OnlinemagazinsVAN und auch beimBayerischen Rundfunk ist mittlerweile ein Negativbild entstanden, das der weltberühmte Dirigent in einem Interview mit der Deutschen Presse Agentur (dpa) zu zerstreuen versuchte. Auf dem Spiel stehe im Hintergrund etwas anderes, sagte Barenboim: die Verlängerung seines Vertrags als Generalmusikdirektor bis 2022.
Inzwischen hat der Intendant der Berliner Staatsoper Matthias Schulz eine Vermittlungs- und Beschwerdestelle für betroffene Musiker angekündigt, die zeitnah eingerichtet werden soll. Der Orchestervorstand signalisierte Solidarität mit dem Dirigenten. Barenboim selbst hat Gesprächsbereitschaft angekündigt.
Maestro der alten Schule
In der Diskussion um Barenboim taucht immer wieder der Begriff des "Maestro der alten Schule" auf: ein alles beherrschender Führungstyp, der absolute Autorität für sich in Anspruch nimmt und sämtliche Fäden in der Hand hat. Ohne ihn geht nichts, Mitbestimmung ist für ihn ein Fremdwort. Ein solcher Führungstyp sei nicht mehr zeitgemäß, heißt es in Kreisen der Profimusiker.
In der klassischen Musik wird - wie bei kaum einer anderen Kunstform - große Präzision gefordert. Die Koordination der komplexen Abläufe ist nur durch eine führungssstarke Persönlichkeit möglich. Kompromissbereitschaft auf Seiten der Dirigenten und künstlerische Höchstleistung bei den Musikern scheinen widersprüchliche Faktoren zu sein.
Welches Bild des Maestro gibt es, und ist es noch zeitgemäß? In unserer historischen Bildergalerie zeigen wir Ihnen vergangene und gegenwärtige Führungspersönlichkeiten am Dirigentenpult. Und stellen fest: Sie sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst.