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Damien Hirst verbrennt Kunst, das NFT bleibt

Julia Hitz
23. September 2022

Einst provozierte er mit in Formaldehyd konservierten Tieren, nun verbrennt der britische Künstler eigene Werke. Die neue Ausstellung "The Currency" in London foppt den Kunstmarkt, aber denkt nicht neu.

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Portrait von Damien Hirts vor buntem Hintergrund.
Damien Hirst fühlt sich wohl in der Rolle des ProvokateursBild: picture alliance/dpa

Wenn irgendwo etwas verbrannt wird, ist die mediale Aufmerksamkeit so gut wie sicher. Diese Rechnung wird auch Damien Hirst gemacht haben für seine Ausstellung "The Currency", die am 23. September in seiner Privatgalerie, der Newport Street Gallery in London, startet. Dabei soll ein ganze Reihe seiner Werke verbrannt werden. Für den 11. Oktober ist die größte Aktion angekündigt.

Der 57-jährige Künstler ist in Sachen Selbstvermarktung mit allen Wassern gewaschen, er hat die Aufmerksamkeitsökonomie durchdrungen und sich nutzbar gemacht. Nicht umsonst war er lange der "teuerste lebende Künstler der Welt". Kritiker lieben oder hassen ihn. Viel dazwischen gibt es nicht.

Kunst als Währung

Wie Jeff Koons zuvor, arbeitet sich nun auch Hirst an NFTs ab. Es ist Hirsts erstes NFT-Projekt und läuft nun bereits seit einem Jahr: Dabei hat Hirst 10.000 extra produzierter und individuell geprägter Spot-Bilder mit sogenannten Non-Fungible Tokens (NFTs) verknüpft. NFTs sind nicht manipulierbare digitale Zertifikate und somit virtuelle Originale, in einer Blockchain gesichert.

Ein Jahr lang existierten Hirsts gepunktete Bilder, die alle unterschiedlich aber doch sehr ähnlich sind, sowohl physisch als auch virtuell. Käufer konnten ein Werk für je rund 2.050 Euro (2.000 US-Dollar) erwerben und und wurden dann vor die Wahl gestellt, entweder den digitalen Token zu behalten oder ihn gegen ein entsprechendes Werk auf Papier einzutauschen. Jetzt ist die Entscheidung gefallen: 5.149 Personen haben ihren NFT gegen ein Emaille-Punkt-Gemälde eingetauscht. Somit sind noch 4.851 NFTs im Umlauf. Die physischen Vorlagen zu den NFTs wird Hirst nun ausstellen - und dann verbrennen. Täglich soll ein Feuer entfacht werden, der große Rest soll dann zu Beginn der Londoner Kunstmesse Frieze vom 12.-16. Oktober verfeuert werden.

Damien Hirst bezeichnete sein Projekt gegenüber "The Art Newspaper" als sein "aufregendstes bisher", es berühre die "Idee von Kunst als einer Währung und einen Speicher von Reichtum". Es sei kein Zufall, dass Regierungen Münzen und Noten mit Kunst verzierten: "Die machen das, damit wir ins Geld vertrauen. Ohne Kunst ist es für uns Menschen schwer, an irgendetwas zu glauben."

Bundeskunsthalle setzt mit Diskursformat zur Blockchain Akzente

Kolja Reichert findet Hirsts Sicht auf das Virtuelle reichlich konventionell. Seit 2020 veranstaltet der Kurator und Kunstkritiker in der Bonner Bundeskunsthalle neue Diskursformate, unter anderem dazu, welche Möglichkeiten die Blockchain-Technologie für eine erweiterte Teilhabe ermöglicht. "Damien Hirst bleibt in den Kriterien des Besitzes von analoger Kunst stecken", sagt er im Gespräch mit DW. Dabei gehe es bei den NFT viel mehr um das Zirkulieren als um Besitz im Sinne herkömmlichen Sammelns.

Grundsätzlich stecke in der Blockchain-Technologie viel an Potential, mit dem auch Künstler gesellschaftliche Fragen neu verhandeln könnten. Oder Künstlerinnen. Eine von ihnen mit denen sich Reichert viel über diese Fragen auseinandersetzt, ist die deutsche Konzept- und Medienkünstlerin Hito Steyerl. Als satirische Antwort und Kommentar auf den NFT-Hype auf dem Kunstmarkt, machte sie 2021 kurzerhand die großen deutschen Kulturinstitutionen - Bundeskunsthalle, Humboldt-Forum, - zu NFTs - und erklärte sich selbst zur Besitzerin. In der jetzigen Funktion wirkten NFTs auf dem Kunstmarkt wie ein Äquivalent von toxischer Männlichkeit, kritisierte Steyerl bei einer Veranstaltung 2021. 

Teilhabe und Nachhaltigkeit - auch in Kunst und Kultur

Potentiale, die es stattdessen auszuloten gelte, seien solche für Teilhabe und für das Nachdenken über Besitz an sich, argumentiert Reichert. Ein Beispiel, das er in diesem Jahr in der Bundeskunsthalle aufgriff, war ein NFT-Projekt des Kunstkreis Kongolesischer Plantagenarbeiter*innen (CATPC): Das kongolesische Kunstkollektiv prägte in Zusammenarbeit mit dem Künstler Renzo Martens 300 NFT's der Skulptur "Balot". Die Skulptur wurde 1931 von den Pende, einer Ethnie in der Demokratischen Republik Kongo, gefertigt, um den Geist des belgischen Kolonialbeamten Maximilien Balot zu bannen. Nachdem dieser Vergewaltigungen und andere Grausamkeiten begangen hatte, kam es unter den Pende zum Aufstand. Balot wurde enthauptet.  

Das Original der Skulptur befindet sich heutzutage in einem Museum in Virginia. Die NFTs, die CAPTA und Renzo Martens anfertigten, wurden 2022 bei der Art Basel zum Verkauf angeboten. Das aus den Verkäufen generierte Geld floss direkt in die ehemalige Palmöl-Plantage im kongolesischen Lusanga, wo die Originalskulptur einst angefertigt wurde. "Diese Aktion kreiert messbare Effekte, nämlich den Rückkauf von Land", führt Reichert aus. Das Land wird nicht nur gekauft, sondern auch neu bepflanzt und bewirtschaftet - und kreiert so lokales Einkommen. Zum Anderen thematisiere die Aktion, wie die Skulptur, die bis heute den Pende als Kraftfigur gilt, über einen europäischen Händler in besagtes Museum in Virginia gelangte.

Neben dem Rückkauf des Landes und des Aufbaus nachhaltiger Landwirtschaft nutzt das Kollektiv die Einnahmen, um kulturelles Leben wieder nach Lusanga zurückzubringen. Vielleicht eines Tages auch den "Balot". Dies seien doch die wirklich interessanten Fragen hinsichtlich Besitz, so Reichert: "Was besitzt denn nun dieses Museum in Virginia eigentlich wirklich? Ist die Autorität des Museum größer? Oder die der heute in der Region lebenden Menschen, die es gern wieder seinem Ursprungsnutzen zuführen wollen?"

Kunst(un)wert als Kunstwerk?

Damien Hirst hat es zur Kunstform erhoben, mit nicht-künstlerischen Objekten Kunst zu machen. Dass er nun Kunst auf Geld reduziert, ist eine Provokation. Doch vor dem Hintergrund der gesamten Möglichkeiten von Blockchain-Technologie - auch für die Kunst - wird ersichtlich, wie sehr das Projekt von Damien Hirst sozusagen in einem alten Währungssystem hängen bleibt, NFT hin oder her. Die Möglichkeiten der neuen Technologien für Kunst und Kunstbesitz oder -handel zu verhandeln, kann nicht gelingen, wenn Geld der eigentliche Referenzwert bleibt. Die Papiere mögen brennen, aber ein Feuer an interessanteren Fragen entzündet sich bei dem neuesten Streich von Damien Hirst nicht.