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Politik

"Damals ging es um viel Herzblut!"

14. Mai 2018

Bewegung außerhalb des Parlaments, Umweltschutzpartei, Koalitionspartner: Die deutschen Grünen waren schon vieles. Vor 25 Jahren schlossen sich die beiden grünen Parteien in Ost und West zusammen.

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Logo Bündnis 90/Die Grünen
Bild: picture-alliance/dpa/S. Sauer

Fragt man die Deutschen, welche Partei sich vor allem für den Umweltschutz stark macht, dann antworten die meisten: die Grünen. Schon die Parteifarbe weist in diese Richtung, war doch das Waldsterben in der Gründungszeit der Grünen vor fast 40 Jahren eines der wichtigsten Themen. Aber offiziell heißt die Partei auch heute noch "Bündnis 90 / Die Grünen", und nicht wenige der heute Jungen fragen sich, wofür das eigentlich steht, dieses "Bündnis 90".

Bewegungspartei West, friedliche Revolutionäre im Osten

Am 14. Mai 1993 schlossen sich in Leipzig die Grünen in Ost und West zu einer Partei zusammen. Im Westen waren das die Grünen, die es seit 1980 gab: eine bunte Mischung aus Umweltaktivisten, Friedensbewegten und Alt-Revolutionären der Studentenrevolte von 1968. Sie hatten längst Erfahrung im Bundestag oder als Regierungspartner der SPD in den Ländern. Im Osten waren es verschiedene Gruppen, die sich in der Endzeit der DDR zusammengetan und zunächst die friedlichen Demonstrationen gegen den SED-Staat maßgeblich mitorganisiert hatten. Das "Neue Forum", die "Initiative Frieden und Menschenrechte" etwa, die aber schnell an den Rand gedrückt wurden, als der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl von der CDU nach dem Fall der Mauer im November 1989 im Eiltempo zur Wiedervereinigung schritt. Bärbel Höhn, langjährige Bundestagsabgeordnete und Landesministerin aus Nordrhein-Westfalen, saß damals in der Kommission, die eine gemeinsame grüne Satzung ausarbeitete. Sie blickt für die DW zurück auf diese Zeit: "Aus grüner Sicht war das nicht einfach. Vom Frauenstatut bis zum gemeinsamen Namen und Logo ging es um viel Herzblut. Heute ist vieles zusammengewachsen, entspannter, aber die Schwäche der Grünen im Osten, was Mitglieder und Wahlergebnisse angeht, ist natürlich relevant." Von den 65.000 Grünen-Mitgliedern insgesamt sind heute gerade einmal 5000 in den fünf ostdeutschen Flächenländern zuhause.

Bärbel Höhn Die Grünen
"Damals war schon viel Herzblut im Spiel": Grünen-Politikerin Bärbel Höhn.Bild: picture-alliance/dpa
Bildergalerie 30 Jahre Die Grünen Ost West Vereinigung
Lange her, aber das Logo hat sich kaum verändert: die Grünen auf dem Vereinigungsparteitag in Leipzig 1993.Bild: picture-alliance/dpa

Überrollt vom Einheitstaumel

Beide Seiten der Grünen, die im Westen wie im Osten, wurden nach 1990 von der Entwicklung überrollt. Die Westgrünen setzten auch im Einheitsjubel auf Themen wie Klimaschutz und flogen 1990 aus dem Parlament. Und die Ostgrünen, die einen eigenständigen Weg der früheren DDR zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wollten, hatte keine Chance gegen den Einheitswillen der eigenen Landsleute. Ab 1990 saßen nur einige wenige Grüne aus dem Osten im Bundestag, weil es bei dieser ersten Wahl im vereinten Deutschland noch getrennte Fünf-Prozent-Hürden in Ost und West gab. Dennoch findet etwa der grüne Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz, selbst ein Westdeutscher: "Die Tradition des Bündnis 90 ist für uns auch heute noch wichtig. Diese Idee, für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu kämpfen, auch unter sehr schweren Bedingungen", so von Notz zur DW.  

Von ganz links zur Regierungsbeteiligung mit Kriegseinsatz

Seit dem Parteien-Zusammenschluss haben die Grünen bewegte Zeiten hinter sich: In einem abenteuerlichen Kraftakt mauserten sie sich von der Bewegungspartei zum Koalitionspartner der SPD in der Bundesregierung zwischen 1998 und 2005, der den Kriegsbeteiligungen im Kosovo und in Afghanistan zustimmte. Und dabei wesentliche Teile des früheren pazifistischen Parteiflügels verloren. Lange Jahre stritten die Grünen dann darüber, ob neben Koalitionen mit der SPD auch solche mit der CDU möglich sind. Heute ist diese Frage eigentlich geklärt. In Baden-Württemberg stellt die Partei mit Winfried Kretschmann den Ministerpräsidenten, der eine Koalition von Grünen und CDU anführt. Und ganz aktuell zeigen sich etwa die Grünen in Bayern offen, nach der Landtagswahl im Herbst mit der CSU zu koalieren. Omid Nouripour sitzt heute für die Grünen im Bundestag und sagt dazu zur DW: "Vor 25 Jahren waren die Grabenkämpfe kultureller Art zwischen Konservativen und Grüne sehr tief und sehr breit. Dass sich das geändert hat, ist sehr gut."

Bundesparteitag der Grünen
Führende Grüne: Abgeordneter von Notz mit Fraktionschefin Göring-Eckardt und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (rechts). Bild: picture-alliance/dpa/Jens Büttner

Atomkraftausstieg und Windräder

Erreicht haben die Grünen in den vergangene Jahrzehnten viel für eine kleine Partei, die auf Bundesebene 2009 mit gerade einmal 10,7 Prozent der Stimmen ihr bestes Ergebnis erreichte. Deutschland hat den Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen, die Rechte von Homosexuellen massiv gestärkt, ein neues Familienbild entworfen, Tausende Windräder aufgestellt.

Enttäuschend endete für die Grünen im vergangenen Jahr der erste ernsthafte Versuch, auch auf Bundesebene mit der CDU, dem früheren Hauptfeind, eine Regierung zu formen. Die Gespräche über die Bildung einer Koalition aus CDU, CSU, FDP und Grünen, genannt Jamaika-Koalition, scheiterte an der FDP. Auch, weil sich Grüne und Konservative überraschend schnell auf viele Punkte eines Regierungsprogramms einigen konnten. Die FDP fühlte sich an den Rand gedrängt.

Im Kern weiterhin eine westdeutsche Partei

Auch wenn die Grünen immer noch eine eher westdeutsche Partei sind, ist der Osten in der Führungsspitze gut repräsentiert. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckhardt stammt aus Friedrichroda in Thüringen, die neue Parteichefin Annalena Baerbock wohnt in Brandenburg. Und Bundesgeschäftsführer Michael Kellner kommt aus Gera. Im Gespräch mit der DW fällt ihm zum Thema "Bündnis 90" ein: "Es bleibt die Idee der Bewegung, der Gedanke, dass wir immer noch eine Partei der Veränderung sind. Und immer Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verteidigen, wenn sie bedroht sind. Heute müssen wir etwa wieder für den europäischen Einigungsgedanken streiten."