Dänische Abschreckungskampagne
6. August 2015DW: Herr Knuth, was wollen Sie mit dieser Kampagne erreichen?
Marcus Knuth: Wir wollen damit an die Menschenschmuggler eine ganz klare Botschaft senden. Die, so glauben wir, haben sehr genaue Informationen darüber, welche Länder in Europa die höchsten Sozialleistungen an Neueinwanderer zahlen. Seit die liberale Regierung in Dänemark an die Macht kam, haben wir die Sozialleistungen für Einwanderer gekürzt, um den sehr, sehr hohen Druck zu verringern, dem Dänemark durch illegale Einwanderer ausgesetzt ist.
Sie haben auch Kontrollen an der deutschen Grenze wiedereingeführt. Sehen Sie durch diese beiden Änderungen bereits Ergebnisse?
Was die Grenzkontrollen betrifft, so hat es bisher, soweit ich weiß, keine dramatischen Veränderungen gegeben, auch wenn das diskutiert wird. Aber seit der Senkung der Sozialleistungen (Anfang Juli, d. Red.) ist die Zahl der Einwanderer im Monat Juli interessanterweise um ein Drittel zurückgegangen, obwohl es sicher noch zu früh ist zu beurteilen, ob der Rückgang wirklich daran liegt.
Sie glauben also, dass sich das sehr schnell herumspricht?
Auf jeden Fall. Eine sehr hohe Zahl von Asylbewerbern beantragt nicht im ersten Land, in dem sie die EU betreten, zum Beispiel in Griechenland oder Italien, Asyl, sondern viel weiter im Norden Europas. Durch unsere Treffen mit der europäischen Grenzschutzagentur Frontex haben wir erfahren, dass einer der Hauptgründe dafür das sehr hohe Niveau der Sozialleistungen dort ist. Deshalb haben wir diese Hilfen auf das Niveau verringert, was unsere Vollzeitstudenten bekommen, was als ausreichender Lebensunterhalt gedacht ist, selbst wenn man Kinder hat.
Sie sprechen dabei wahrscheinlich auch über die vergleichende Tabelle über Sozialleistungen für Asylbewerber in verschiedenen europäischen Ländern, darunter Dänemark und Deutschland. Sie wurde kürzlich von der dänischen Zeitung Jyllands-Posten veröffentlicht und ist angeblich unter Menschenschmugglern im Umlauf?
Ja.
Hat die Tabelle Ihre Entscheidung also direkt beeinflusst?
Der Jahresbericht von Frontex war für uns wichtiger. Die Tabelle wurde publiziert , nachdem wir die politischen Veränderungen vorgenommen hatten. Aber wir sehen die Tabelle als einen von einer ganzen Reihe von Hinweisen, die zeigen, dass das Niveau der Sozialleistungen einer der wichtigsten Gründe dafür ist, Menschen in ganz bestimmte Länder zu bringen.
Kritiker sagen: Wir sind hier immerhin in Europa, und egal, was man im einzelnen macht, Dänemark ist verpflichtet, Menschen zu schützen, die diesen Schutz brauchen. Was entgegnen Sie diesen Kritikern?
Erstens, Dänemark steht an vorderster Front, wenn es darum geht, Menschen zum Beispiel in und um Syrien zu helfen, wo wir eines der weitestgehenden Hilfsprogramme haben. Nur am Rande: Ich habe im vergangenen Jahr dieses Syrien-Hilfsprogramm sogar geleitet und habe gesehen, wieviel mehr wir im Vergleich zu anderen europäischen Ländern dort leisten. Was die Menschen betrifft, die nach Dänemark kommen, so wird jeder hier immer sehr, sehr gut versorgt werden. Aber wir halten es für überflüssig, dass unsere Sozialleistungen so viel höher als in vielen anderen europäischen Ländern sind.
Die Dänische Volkspartei hat der Regierung vorgeschlagen, ein Video zu produzieren, so wie es die australische Regierung getan hat und in dem es heißt, wer illegal ins Land komme, der würde sich niemals in Australien niederlassen können. Was halten Sie davon?
(Lacht) Nicht, wenn es nach der liberalen Partei geht. Wir wollen, dass unsere Kampagne sachlich ist. Wir wollen keine Angstmacherei betreiben so wie in der australischen Kampagne. Wir wollen einfach mit Zahlen die Botschaft an die Menschen senden, dass Dänemark die Sozialleistungen um etwa die Hälfte gekürzt hat. Denn wir meinen, dass es unfair ist, wenn man zum Beispiel allein die Asylbewerber aus Syrien nimmt, dass Dänemark im vergangenen Jahr mehr als 7000 bekam, während es im durchaus vergleichbaren Finnland nur 150 waren. Deshalb sagen uns unsere Wähler auch immer wieder, wir werden mit der sehr hohen Zahl von Menschen nicht fertig.
Ihre Integrationsministerin Inger Stöjberg, die die Zeitungskampagne starten will, trägt das Wort Integration schon in ihrer Funktionsbezeichnung. Was bedeutet Integration für Sie? Glauben Sie, dass das Integrationsprojekt durch die schieren Zahlen an Flüchtlingen gefährdet ist?
Ja, das glauben wir. Aber deshalb haben wir nicht nur die Hilfen gesenkt, sondern andererseits einen Bonus von umgerechnet 200 Euro pro Monat für diejenigen eingeführt, die schnell Dänisch lernen. Und wir werden noch eine Reihe von Anreizen schaffen, damit die Menschen so schnell wie möglich in den Arbeitsmarkt kommen. Denn einer der Nachteile der früher so hohen Sozialleistungen war nicht nur, dass Dänemark als Ziel attraktiv war, sondern auch, dass der Anreiz zu arbeiten zu gering war, weil es wegen der hohen Absicherung gar keine Notwendigkeit gab zu arbeiten. Deshalb ist Integration auf jeden Fall ein Eckstein in unserer neuen Politik.
Würden Sie sagen, dass Religion und speziell der Islam ein Integrationshindernis ist?
(Seufzt) So würde ich das nicht sagen. Der Hauptgrund, warum wir im Moment versuchen, die Zahl der Einwanderer zu senken, ist mangelnde Aufnahmekapazität. Die Bürgermeister sagen, sie hätten einfach keine leerstehenden Schulen und Altenpflegeheime mehr. Manche Gemeinden fangen an, künstliche Dörfer zu bauen. Und das belastet die Gemeinden natürlich auch finanziell.
Marcus Knuth ist Abgeordneter der liberalen Venstre-Partei in Dänemark.
Das Gespräch führte Christoph Hasselbach.