Wenn die Propheten ihre Prognosen anheben, ist es allerhöchste Zeit, sich Sorgen zu machen. Die Wachstumsaussichten für die deutsche Wirtschaft, sie seien glänzend, so war es unisono in den vergangenen Monaten zu hören: Von den Forschungsinstituten, der Bundesregerung, vom Internationalen Währungsfonds.
Kein Wunder das, denn die Lage war ja dazu angetan: Der Euro schwach, das Öl billig, die Zinsen bei fast null. Das sind die richtigen Zutaten für einen Aufschwung. Im Kleingedruckten fand sich freilich überall der Hinweis: Wenn nichts dazwischen kommt.
Gründe für den Gegenwind
Dazwischen gekommen ist schon seit längerer Zeit einiges, was nun Wirkung zeigt: Die unsichere Weltlage. Ein absehbares Ende des Fracking-Booms. Steigende Preise. Ein erstarkender Euro. Schwächelnde Schwellenländer. Die sind die Zutaten, die einen Aufschwung abwürgen können.
Wirklich überraschend kommt das alles nicht. Man konnte doch nicht ernsthaft darauf hoffen, dass der Ölpreis dauerhaft niedrig bleibt. Im Januar kostete ein Fass des schwarzen Goldes noch unter 50 Dollar, jetzt sind fast schon wieder 70 Dollar fällig. Auch der Euro hat sich von seiner Schwächephase erholt - und statt einer nahenden Parität zum Dollar kostet er derzeit um die 1,12 Dollar. Das trifft die exportintensive deutsche Wirtschaft, auch wenn wir noch weit von den Höchstständen entfernt sind, wo es wirklich wehtut.
Mindestlohn und Schwellenländer
Schließlich scheint die aggressive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank Wirkung zu zeigen: Die extrem billigen Zeiten scheinen vorbei zu sein, so langsam ziehen die Preise wieder an, wenn auch noch auf sehr niedrigem Niveau. Bald dürfte die von der EZB angestrebte Inflationsrate von zwei Prozent wieder erreicht sein. In Deutschland kann man davon ausgehen, das der seit Jahresbeginn geltende Mindestlohn daran seinen Anteil hat: Viele Dienstleistungen sind deutlich teurer geworden: Taxifahren plus zwölf Prozent, der Gang zum Friseur plus 3,6 Prozent, Gastronomie plus drei Prozent.
Dann sind da noch die Hoffnungsträger vergangener Tage, die Schwellenländer. Wohin man schaut: Probleme. Russland sowieso wegen der Sanktionen des Westens. Aber auch der Riese China schwächelt, Brasilien darbt regelrecht, Südafrika kommt auch nicht auf die Beine und Indien lebt vor allem von Hoffnung auf Erfolge von Premier Modi. Wenn man weiß, dass 40 Prozent der deutschen Ausfuhren in diese und andere Nicht-EU-Länder gehen, dann ahnt man, warum die deutsche Wirtschaft im ersten Quartal an Schwung verloren hat.
Das Wort zum Tag, es stammt vom scheidenden BMW-Chef Norbert Reithofer, der auf der Hauptversammlung des Autobauers zwar eine glänzende Bilanz vorlegen könnte, doch gleichzeitig warnte: Solide Planung von heute kann schon morgen Makulatur sein. Solchen Realitätssinn wünscht man sich von den Propheten mit ihren Prognosen auch.