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Côte d'Ivoire macht Demokratie-Fortschritt

Dirke Köpp5. Oktober 2015

Afrikas Demokratisierung stockt - so das Ergebnis des Ibrahim-Index für afrikanische Regierungsführung 2015. Die größte Verbesserung in vier Jahren hat die Côte d’Ivoire erreicht. Doch die Stimmung dort ist angespannt.

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Wahlplakate in Abidjan, Elfenbeinküste (Foto: SIA KAMBOU/AFP/Getty Images))
Bild: AFP/Getty Images/S. Kambou

Drei Wochen vor dem Wahltermin kommen bei vielen Ivorern schlimme Bilder wieder hoch: Tote, Verletzte, Massengräber. Fünf Jahre ist es her, dass die Menschen in der westafrikanischen Côte d'Ivoire zur Präsidentenwahl gingen - und sich danach im Krieg wiederfanden. Nun bescheinigt der Ibrahim-Index für afrikanische Regierungsführung dem Land große Fortschritte seit der letzten Wahl. Jedes Jahr misst der Index, wie sich afrikanische Länder in den vier großen Bereichen Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Entwicklung sowie wirtschaftliche Möglichkeiten entwickeln.

Infografik Ibrahim-Index Deutsch

Viele Ivorer schauen trotz positiver Tendenzen mit einem unguten Gefühl auf die Wahl am 25. Oktober, so wie Fatim Kéita, eine junge Frau aus der Wirtschaftsmetropole Abidjan: „Ich habe wirklich Angst. Denn in der Côte d'Ivoire gilt seit vielen Jahren: Wer von Wahl spricht, spricht von Krieg. Und nach jedem Krieg muss man ganz von vorne anfangen. Diesmal werde ich eine Woche vor der Wahl verreisen.“

Die letzte Präsidentenwahl im Jahr 2010 brachte das Land für mehrere Monate an den Abgrund: Nachdem im ersten Wahlgang kein Kandidat die absolute Mehrheit erreicht hatte, kamen der damalige Amtsinhaber Laurent Gbagbo und der ewige Oppositionelle Alassane Ouattara in die Stichwahl. Internationale Beobachter sahen Ouattara als Sieger, Gbagbo weigerte sich, seine Niederlage anzuerkennen. So hatte das Land vorübergehend zwei Präsidenten, zwei Regierungen, zwei Armeen. In den monatelangen, gewaltsamen Auseinandersetzungen starben etwa 3000 Menschen.

Mit Unterstützung der Vereinten Nationen und französischer Truppen setzte sich schließlich Ouattara durch. Ex-Präsident Gbagbo wurde im Frühjahr 2011 festgenommen und wartet derzeit in Den Haag auf seinen Prozess vor dem Internationalen Strafgerichtshof, der am 11. November beginnen soll. Die Anklage lautet auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der monatelangen Wahlkrise.

Die Gesellschaft ist gespalten

Auch gut vier Jahre nach der Verhaftung Gbagbos und dem Ende des Bürgerkriegs ist die Bevölkerung gespalten. Vor allem die Spannungen zwischen Regierung und Opposition, vornehmlich der Gbagbo-Partei Front Populair Ivorien (FPI), seien noch sehr stark, sagt Martin Johr, Repräsentant der Friedrich-Ebert-Stiftung in Abidjan. „Man nimmt sie nicht jeden Tag wahr, aber unter der Oberfläche spielen sie ganz klar eine große Rolle.“

Krise in der Elfenbeinküste 2010 (Foto: Gbekide Barnus/Panapress)
Nach den letzten Präsidentschaftwahlen brach ein Bürgerkrieg ausBild: picture-alliance/dpa

Bestimmte Anlässe können sie hervorbrechen lassen: So kam es nach der Bekanntgabe der Präsidentschaftskandidaten am 9. September zu Unruhen, bei denen zwei Menschen starben. „Es hat Tote gegeben. Was wir hier im Moment sehen, ist wenig beruhigend. Wir haben Angst, dass sich diese Dinge wiederholen“, schildert eine Ivorerin ihre Gefühle. Schauplätze der Unruhen waren vor allem Gagnoa, die Heimatstadt des inhaftierten Laurent Gbagbo, und Bonoua, die Geburtsstadt seiner Frau Simone, die im März in der Côte d'Ivoire zu 20 Jahren Haft verurteilt worden war. Die Unruhestifter waren verärgert über die erneute Kandidatur von Präsident Ouattara, dem sie Siegerjustiz vorwerfen. Denn während die Anhänger von Ex-Präsident Laurent Gbagbo für ihre Taten während des Krieges 2010 und 2011 zur Rechenschaft gezogen werden, müssen sich die ehemaligen Rebellen - die Anhänger Ouattaras - nicht verantworten. Dabei gingen sie ebenso brutal vor wie ihre Widersacher.

Versöhnung steht noch aus

Für Martin Johr von der Friedrich-Ebert-Stiftung ist der Versöhnungsprozess noch nicht weit genug vorangeschritten. „Es gab zwar Initiativen wie die Wahrheits- und Versöhnungskommission, die eingeführt wurde, um Gewalttaten aufzuklären und Personen zu identifizieren, die entschädigt werden sollten", sagt er. Doch deren Ergebnisse seien nicht überzeugend und der Abschlussbericht nicht öffentlich zugänglich. Außerdem fehle die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen, gerade auf Seiten der Opposition: „Sie stellt sich in der Verlierer-, der Opferrolle dar“, so Martin Johr.

Trotzdem glaubt der Deutsche nicht, dass mögliche Auseinandersetzungen um den Wahltermin herum das Ausmaß der Krise von 2010/2011 erreichen. Die Menschen seien kriegsmüde, und anders als damals seien die konkurrierenden Lager nicht „bis an die Zähne bewaffnet“.

Verkäuferin auf einem Markt in Abidjan (c: ISSOUF SANOGO/AFP/Getty Images)
Alltag auf dem Markt in Abidjan - doch viele fürchten sich vor neuer GewaltBild: Issouf Sanogo/AFP/Getty Images

Die Zeitungen in der Côte d'Ivoire erwecken einen anderen Eindruck: „Söldner und Ex-Kämpfer bedrohen die Wahl“, titeln sie, oder: „Einen Monat vor der Präsidentenwahl: Säbelrasseln in den Kasernen“. „Gewalt scheint weiter ein fester Bestandteil der ivorischen Politik zu sein“, erläutert Yacouba Doumbia, Präsident der ivorischen Menschenrechtsliga. Gleichzeitig bedauert er, dass die Opposition wenig Durchsetzungsvermögen und keine Strategie habe.

Opposition zersplittert, aber einig gegen den amtierenden Präsidenten

Zehn Kandidaten, darunter Amtsinhaber Ouattara, der frühere Premierminister Charles Konan Banny, der Kandidat der Gbagbo-Partei FPI und frühere Parlamentspräsident Mamadou Koulibaly, stehen am 25. Oktober zur Wahl. Die Opposition ist schwach und zersplittert, keiner gönnt dem anderen den Sieg - und schon gar nicht dem Amtsinhaber Ouattara.

Allerdings hat die Opposition im Mai eine neue Plattform gegründet: die „Nationale Koalition für den Wandel“ aus verschiedenen politischen und zivilgesellschaftlichen Gruppen. Sie fordern unter anderem, den Abschlussbericht der Versöhnungskommission zu veröffentlichen und die staatlichen Medien neu auszurichten. Ihre Kritik: Präsident Ouattara nutze den nationalen Radio- und TV-Sender RTI zu viel für seine Zwecke. „Der Sender ist unser aller Sender“, sagte Ex-Premier Charles Konan Banny bei der Ankündigung einer großen Demonstration für Montag: „Wir wollen nicht, dass jemand ihn sich für seine Propaganda aneignet.“

Alassane Ouattara, Präsident Elfenbeinküste (Foto: ISSOUF SANOGO/AFP/Getty Images)
Präsident Alassane OuattaraBild: AFP/Getty Images/I. Sanogo

Der Kritisierte selbst wird am Tag der Demonstration voraussichtlich nicht Abidjan sein. Ouattara ist auf Wahlkampf-Tour, und ab Sonntag hat er eine ganz besondere Station vor sich: die Heimat seines früheren Widersachers Laurent Gbagbo. 4000 Sicherheitskräfte aus Gendarmerie, Polizei und Armee sicher den Besuch. Er birgt das Risiko neuer Spannungen - könnte aber auch ein Schritt auf dem langen Weg der Côte d'Ivoire zur Versöhnung sein.

Mitarbeit: Julien Adayé (Abidjan)