Crystal Meth auf dem Vormarsch
25. April 2013"Ein absoluter Zerfall - und das in kürzester Zeit", so beschreibt Heike Krause vom Notdienst für Suchtabhängige in Berlin die Auswirkungen der Droge Crystal Meth: Angstzustände und Kreislaufprobleme, Haarausfall, sogar Magendurchbruch und Herzrasen. Kurz: Die Langzeitwirkungen der Partydroge, die euphorisch macht und über Tage jegliche Anzeichen von Müdigkeit dämpft, seien "katastrophal". Derzeit konsumieren nur wenige ihrer Patienten die Droge, die sofort eine starke Abhängigkeit erzeugt - und sie drückt die Daumen, dass es dabei bleibt. Denn Crystal Meth ist auf dem Vormarsch in Deutschland. Das bestätigte der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, am Donnerstag (25.04.2013) in Berlin.
Nach seinen Worten wurden im vergangenen Jahr 75 Kilogramm Crystal Meth sichergestellt, ein Anstieg von 88 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Brennpunkte liegen derzeit vor allem in Bayern, Sachsen und Thüringen, also den Bundesländern, die an Tschechien grenzen. Denn dort werde die Droge in kleinen Laboren hergestellt, sagt Ziercke. Allein im vergangenen Jahr seien 41 illegale Labore in Tschechien aufgedeckt worden.
Crystal Meth sei relativ einfach herzustellen, sagt Heike Krause vom Notdienst in Berlin, die Zutaten günstig: "Dementsprechend kann die Droge billig auf den Markt geschwemmt werden." Noch sind es vor allem Abhängige und Kleindealer, die das "Ice", wie die Droge auch genannt wird, in Tschechien auf lokalen Märkten besorgen und nach Deutschland schmuggeln. Die Szene sei kleinteilig, so Ziercke, nach derzeitigem Ermittlungsstand gebe es noch keine international organisierte Crystal-Meth-Mafia, wie etwa beim Kokain oder Heroin. Noch nicht: Man müsse abwarten, wie sich die Szene weiterentwickle, gab sich der BKA-Chef vorsichtig. Außerdem werde man weiterhin eng mit den tschechischen Behörden zusammenarbeiten.
Afghanistan größter Opiumproduzent
Schon jetzt ist Deutschland Transitland für den internationalen Drogenhandel, etwa Heroin. Zwar wurden nach Angaben von Ziercke im vergangenen Jahr etwa fünfzig Prozent weniger Heroin sichergestellt. Doch der BKA-Präsident wies darauf hin, dass Afghanistan auch 2012 der weltweit größte Opiumproduzent und der wichtigste Heroinlieferant für den europäischen Markt gewesen war. "Um die Zufuhr nach Europa und Deutschland zu schwächen, müssen wir die Rauschgiftproduktion in den Herkunftsländern in Kooperation mit den Behörden vor Ort nachhaltig stören", betonte er.
Auch werden weiterhin große Mengen Kokain aus Südamerika, aber auch aus Südafrika nach Europa geschmuggelt. Das Ausmaß habe sich vor allem im Oktober 2012 gezeigt, als acht Tonnen Kokain in einem Container im Hafen von Antwerpen sichergestellt wurden: Fast 7000 Pakete waren unter einer Ladung Bananen aus Ecuador versteckt. "Das haben wir in den vergangenen Jahren schon häufiger erlebt", so Ziercke. Insgesamt aber wurden 35 Prozent weniger Kokain sichergestellt als im Vorjahr.
Drogen über das Internet
Eine "große Herausfordung“ für die Behörden war im vergangenen Jahr vor allem der Internet-Handel mit sogenannten "Designerdrogen", den synthetischen Drogen. An die 50 bis 60 Firmen gibt es nach Angaben des BKA in Deutschland, die Drogen über das Internet vertreiben: Anbieter verschleiern ihre Identität hinter Scheinfirmen und wickeln den Handel oft über ausländische Konten und Internetverbindungen ab. 375 Postsendungen mit 70 verschiedenen Stoffen wurden im vergangenen Jahr sichergestellt.
Gleichzeitig scheint die Produktion von Drogen in Deutschland zu steigen: 2012 flogen 24 Labore zur Herstellung synthetischer Drogen auf, im Vorjahr waren es noch 19. Angesichts der Lukrativität des Vertriebs der "Designerdrogen", auch als "Legal Highs" bezeichnet, rechnen die Behörden laut Ziercke dennoch vorerst nicht mit einem Rückgang der Produktion. Auch Cannabis, aus dem Marihuana produziert wird, werde zunehmend in Deutschland angebaut. 2012 wurden demnach 809 Plantagen sichergestellt, 2011 waren es noch 717.
Weniger Drogentote
Gleichzeitig starben 2012 weniger Menschen an den Folgen ihres Konsums, bilanzierte Mechthild Dyckmans, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, bei der Vorstellung der Statistik. Starben 2011 noch 986 Menschen durch den Konsum von Drogen, waren es im vergangenen Jahr 944. Die meisten Todesfälle seien auf Vergiftungen durch die gleichzeitige Einnahme verschiedener Substanzen zurückzuführen, sagte Dyckmans. Zum ersten Mal verzeichnete die Regierungsbeauftragte allerdings einen Anstieg bei den Todesfällen drogenabhängiger Frauen. Gab es 2011 noch 144 weibliche Drogentote, so stieg ihre Zahl nun auf 177. Man müsse prüfen, betonte Dykmans, ob die Beratungsstellen auch tatsächlich alle Frauen erreichten.
Insgesamt sank die Zahl der der Polizei bekannten Erst-Konsumenten harter Drogen im Vergleich zu 2011 um acht Prozent auf rund 20.000. Das bestätigt auch Krause vom Notdienst. Aber: "Die Zahl der Hardcore-Kiffer und -Trinker nimmt zu."