Crash und Contenance
8. Juli 2007Idyllischer könnte die Akademie des Auswärtigen Amts nicht liegen. Inmitten von Wald und saftigen Wiesen, direkt am Ufer des Tegeler Sees bekommen die angehenden Diplomaten den letzten Schliff. Es scheint fast so, als sollten sie hier noch einmal Kraft tanken, bevor sie an die Botschaften in Rom, Minsk oder Addis Abeba geschickt werden. Aber das stimmt nur zum Teil: Der Stundenplan der Attachés - so heißen die angehenden Diplomaten - ist prall gefüllt.
Christian Doktor, einer der 35 Attachés, ist gerade auf dem Weg zum Unterricht - den Badesteg lässt er links liegen: "Man kann nicht sagen, dass man nicht manchmal den Wunsch verspürt, da rein zu springen, wenn die Sonne scheint und der See glitzert - auch während eines Politik-Seminars." Das Vergnügen muss warten, konzentriert diskutieren die Attachés bei schönstem Sommerwetter über Rüstungspolitik.
Ein Jahr Crashkurse
Wer hier ausgebildet wird, hat bereits einen Studienabschluss - und bekommt nun noch einen einjährigen Crash-Kurs obendrauf. "Wir hatten ein sehr interessanten Block Kommunikation ganz am Anfang", erzählt Christian. "Dann hatten wir einen Rhetorik-Kurs, dann haben wir mit den Sprachkursen Englisch und Französisch begonnen. Und dann hatten wir einen Run in acht Tagen durch die deutsche Geschichte von 1871 bis heute."
Den kompakten Unterricht empfindet Christian Doktor nicht als Stress, sondern als Privileg. Nach dem Jura-Studium hat der 28-Jährige ein Jahr lang im Auswärtigen Amt gearbeitet - und Feuer gefangen. "Das Auswärtige Amt ist natürlich ein toller Arbeitgeber. Es gibt keinen anderen Beruf, in dem man in so vielen Ländern der Welt unterwegs ist."
Eine Lebensentscheidung
Um einen der 35 Plätze an der Akademie des Auswärtigen Amts zu erobern, musste Christian Doktor etwa 1500 Mitbewerber aus dem Feld schlagen und in einem mehrstufigen Auswahlverfahren zeigen, dass er sich für den Diplomatenberuf eignet. "Dazu gehören nicht nur die intellektuellen Fähigkeiten und die Kreativität, die man in dem Job braucht, sondern ganz ausgeprägt auch soziale und interkulturelle Kompetenz, außerdem Souveränität im Auftreten und Motivation", sagt Ausbildungsleiter Stefan Biedermann.
Wer Diplomat werden will, muss außerdem bereit sein, alle drei Jahre in einem anderen Land zu arbeiten. "Deswegen sprechen wir immer von einer Lebensentscheidung und nicht von einer Berufsentscheidung. Das beeinflusst das Privatleben, die Familie, die Verwandtschaft, die Freunde so komplett, dass man von einem einfachen Beruf oder einem Job eigentlich nicht sprechen sollte."
Keine Einzelkämpfer gefragt
Christian Doktor hat diese Entscheidung längst für sich getroffen - er will die Welt sehen, verschiedene Kulturen kennen lernen. Der Gedanke an ein Leben mit Umzugskartons schreckt ihn nicht. Beim Mittagessen in der Kantine hat er genügend Zeit, sich mit den anderen Attachés über die Vorzüge und die Nachteile des Diplomatenlebens auszutauschen und hofft, "dass man als Gruppe gemeinsam durch dieses 35- oder 40-jährige Leben im Amt geht und sich dabei gegenseitig unterstützt und hilft. Dass man Ansprechpartner braucht - nicht nur auf fachlicher, sondern auch auf menschlicher und sozialer Ebene. Das ist ein ganz wichtiges Ziel, das mit der Ausbildung quasi automatisch erreicht wird, weil wir hier alle zusammen sind, zusammen feiern und zusammen Sport machen."
In ihrem Jahr an der Akademie in Tegel sollen die angehenden Diplomaten also nicht nur die Feinheiten des Konsularwesens möglichst genau kennen lernen, sondern auch die anderen Attachés aus ihrem Jahrgang, aus ihrer Crew, wie es im Diplomatenjargon heißt. Deswegen hat Ausbildungsleiter Stefan Biedermann gegen die vielen rauschenden Partys ganz und gar nichts einzuwenden. "Also, das geht bis früh in den Morgen. Der Anspruch der Ausbildungsleitung ist, dass um acht Uhr früh dann aber alle auch wieder mit Krawatte und Anzug im Unterricht sitzen und Haltung bewahren - Contenance, wie der Diplomat sagt."