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Country Garden wendet Zahlungsausfall ab

5. September 2023

Chinas schwer angeschlagener Immobilienriese Country Garden hat überfällige Zinsen für zwei Dollar-Anleihen auf den letzten Drücker nachgezahlt. Aus dem Schneider ist der Konzern damit aber noch lange nicht.

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China Peking | Logo von Immobilienfirma Country Garden
Bild: Aly Song/REUTERS

Der kriselnde Immobilien-Entwickler Country Garden hat einen offiziellen Zahlungsausfall verhindert. Nur wenige Stunden vor Ablauf einer Gnadenfrist hat der chinesische Konzern die eigentlich schon vor einem Monat fälligen Zahlungen nachgeholt und den Anlegern zweier Dollar-Anleihen insgesamt 22,5 Millionen US-Dollar überwiesen. Das berichteten am Dienstag mehrere Nachrichtenagenturen unter Berufung auf Insider. Ursprünglich war der Betrag am 6. August fällig gewesen.

Country Garden hat die Zahlungen zwar spät, aber immer noch innerhalb der am Dienstag auslaufenden Nachfrist geleistet und gilt so offiziell nicht als säumiger Zahler. Die Sorgen vor einem Zusammenbruch der Firma sind damit aber nur aufgeschoben. Denn der Schuldenberg ist mit rund 187 Milliarden US-Dollar (173 Milliarden Euro) gewaltig. Die nächsten Zahlungen stehen schon in der kommenden Woche an, bis Ende September sind Überweisungen in Höhe von 85 Millionen US-Dollar (79,5 Millionen Euro) fällig. In den kommenden zwölf Monaten werden umgerechnet fast 14 Milliarden Euro fällig, was die auf 13 Milliarden Euro geschätzten Barmittel des Unternehmen deutlich übersteigt.

Zahlungsausfall nur aufgeschoben?

Die Bedeutung des Bauunternehmens für Chinas Gesamtwirtschaft ergibt sich aus seiner schieren Größe mit mehr als 3000 Wohnbauprojekten vor allem in kleineren Städten und rund 70.000 Mitarbeitern. Das Unternehmen betreibt Bauprojekte in fast allen Provinzen Chinas, baut aber laut seinem Jahresbericht rund 60 Prozent seiner Projekte in sogenannten Tier-3- und Tier-4-Städten. Dort gibt es in der Regel weniger Einwohner und damit eine schwächere Wohnungsnachfrage.

Von den aktuellen Lockerungen bei der Kreditvergabe durch die chinesische Staats- und Parteiführung unter Xi Jinping profitierten zuletzt vor allem die Immobilienverkäufe in Chinas riesigen Ballungsräumen wie Shanghai oder Peking.

Lage in kleineren Städten problematisch

"Country Garden kann sich nur dann erholen, wenn sich die Immobilienverkäufe in den Tier-3- und Tier-4-Städten erholen", glaubt Eddie Chia, Portfoliomanager bei China Life Franklin Asset Management. "Im Moment wird das Unternehmen immer noch so gehandelt, als sei es zahlungsunfähig".

Mittlerweile ist die Aktie von Country Garden zu einem Zockerpapier geworden, einem sogenannten Penny Stock. Der Kurs schießt immer dann kräftig nach oben, wenn ein Zahlungsausfall in letzter Minute vermieden werden konnte, wie zuletzt am Montag. Aber allein in diesem Jahr hat die Aktie mehr als 60 Prozent ihres Wertes verloren.

Bei den Anleihen sieht es ähnlich düster aus: Die Country Garden-Bonds werden trotz jüngster Kursgewinne immer noch auf dem extrem niedrigen Niveau von 9 bis 14 Cent pro Dollar gehandelt - ein klarer Hinweis darauf, dass die Mehrheit der Anleger eher mit einer Umstrukturierung oder Pleite als mit einer staatlichen Rettung rechnet.

Damit halten auch die Ängste an, dass der kriselnde chinesische Immobiliensektor auf die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft übergreifen könnte. Denn der Anteil der Baubranche an der chinesischen Wirtschaft ist mit einem Wert von deutlich über 20 Prozent extrem hoch. Ein Flächenbrand auf dem Immobiliensektor hätte fatale Folgen für Chinas Banken und das Finanzsystem der Volksrepublik - und damit auch für den Rest der globalen Wirtschaft.

Zahlungsaufschub für weitere Anleihen?

Mittlerweile hat der Konzern den Anlegern acht weiterer Bonds vorgeschlagen, die Rückzahlungen im Volumen von umgerechnet insgesamt 1,4 Milliarden Dollar um drei Jahre zu verschieben. Dies ergab sich aus Unterlagen, die die Nachrichtenagentur Reuters in China einsehen konnte. Die Schuldtitel werden eigentlich 2023 und 2024 fällig.

Am Wochenende hatte sich der Immobilienentwickler nach einigem Hickhack mit anderen Gläubigern auf eine Verlängerung der Rückzahlungsfrist einer am vergangenen Samstag fälligen Anleihe geeinigt. Damit hat er innerhalb von wenigen Tagen wiederholt einen Zahlungsausfall in letzter Minute abgewendet.

Country Garden sitzt auf einem umgerechnet 173 Milliarden Euro hohen Schuldenberg. Drei Viertel davon schuldet das Unternehmen ausländischen Anlegern, schätzt der Hongkonger Wirtschaftsanwalt John Han, der ausländische Gläubiger juristisch berät. Im Gespräch sei etwa die Bildung einer Interessengemeinschaft für mögliche Verhandlungen bei einer Umschuldung, bestätigte er gegenüber Reuters.

Dass ein solcher im Investment-Jargon Haircut genannter Schritt kommen dürfte, wird beim Blick auf die Verbindlichkeiten deutlich: Schon die Zahlungen in den kommenden zwölf Monaten in Höhe von fast 14 Milliarden Euro übersteigen die geschätzten Barmittel um rund eine Milliarde Euro. 

Country Garden hat zwar die bereits vor Wochen fälligen Zinsen auf einige Anleihen jetzt auf den letzten Drücker überwiesen. Trotzdem gehen Bond-Experten davon aus, dass das angeschlagene Unternehmen mit aller Macht versucht, seine gesamten Schulden umzustrukturieren, etwa indem die Rückzahlungsfristen weiter in die Zukunft verschoben werden.

Zentrale des Immobilienriesen Evergrande in der südchinesischen Hightech-Metropole Shenzhen
Seit 2021 unter massivem Druck: Immobilienriese Evergrande aus der südchinesischen Hightech-Metropole Shenzhen Bild: Koki Kataoka/AP/picture alliance

Peking in der Zwickmühle

Seit 2020 geht Peking hart gegen die übermäßige Verschuldung im Immobiliensektor vor, so dass große Unternehmen wie Evergrande und Sunac in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind. Am Rande des Bankrotts war es zu Zahlungsausfällen gekommen und die Firmen waren gezwungen, mit ihren Gläubigern neu zu verhandeln. Ihre Aktien waren über viele Monate vom Börsenhandel ausgeschlossen.  

Die Immobilienkrise hatte sich in China 2022 verschärft. Damals hatten viele Käufer im ganzen Land aus Verärgerung über den schleppenden Bau und die verspätete Fertigstellung ihrer Immobilien die Hypothekenzahlungen eingestellt.     

Doch auch wenn kurzfristig wieder etwas mehr Ruhe in die chinesische Immobilienbranche einkehren sollte - Anleger gehen schon seit einiger Zeit auf Abstand zu den kriselnden Immobilien-Entwicklern, jedenfalls solange es keine spürbare Erholung bei den Immobilienverkäufen gibt.

"Wir haben alle unsere chinesischen Immobilienaktien im April 2020 verkauft und seitdem nichts mehr nachgekauft", sagte Qi Wang, CEO von MegaTrust Investment mit Sitz in Hongkong gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg. "Im Moment würde ich die privaten Immobilienentwickler nicht einmal mit der Kneifzange anfassen."

Thomas Kohlmann
Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.