Luther Reformationsjubiläum
26. November 2012Vielleicht war es ja wirklich dieses schwere Gewitter, warum ich, den Tod vor Augen, Mönch geworden bin. Jedenfalls bin ich vor über 500 Jahren in Erfurt ins Kloster gegangen. Dieser Schritt hat mich und später die Welt verändert. Ich bin Theologieprofessor an einer der damals besten Universitäten in Europa geworden. Die meisten Dinge, die mir heute zugeschrieben werden, habe ich so gar nicht beabsichtigt. Ich konnte gut singen aber wollte mit Musik nicht die Welt verändern. Heute heißt es, von keinem Deutschen gibt es mehr Darstellungen. Aber mit Kunst wollte ich die Welt auch nicht verändern. Ich war immer ein Mann des Wortes, aber mit dem Wort wollte ich die Welt nur hinterfragen und gerechter machen. Ich wollte auf Missstände hinweisen und aufklären. Darum habe ich vor fast 500 Jahren 95 Thesen verfasst und öffentlich gemacht. Damit bin ich berühmt geworden. Heute denkt jeder, dass ich am 31. Oktober 1517 meine 95 Thesen gegen den Ablasshandel an die Schlosskirche zu Wittenberg angenagelt habe.
Geschäft mit der Angst
Zu meiner Zeit haben Kirchenvertreter und Geldschneider sogenannte Ablassbriefe verkauft. Mit diesen angeblichen Garantien kauften fromme Christen, oder besser die verängstigten, einen Bonus für die Zeit nach dem Tod. Den Menschen wurde erzählt, bevor die Seele im Paradies ihr Heil findet, wird sie im Fegefeuer gequält und muss schwer leiden. Dieser Schmerz sei die Strafe für alle irdischen Verfehlungen. Mit den Ablassbriefen allerdings könne die quälerische Zeit verkürzt werden. Gegen diesen Betrug habe ich meine Thesen gerichtet. Ich habe den Machtmissbrauch der Kirche beklagt und eine Reform gefordert. Es kam zu harten Auseinandersetzungen mit den Oberen in Rom und innerhalb der römischen Kirche in ganz Europa. Schließlich führten diese Proteste zur Abspaltung von der katholischen Kirche. Mit den Protestanten hat sich so eine zweite christliche Gemeinschaft etabliert. Der 31. Oktober 1517 gilt seither als der Geburtstag des Protestantismus.
Dekade als Endspurt
500 Jahre Reformation – für das, was ich seinerzeit in Wittenberg "angezettelt" habe und dessen Folgen, haben sich die evangelische Kirche, die Stadt an der Elbe und die Touristenverbände etwas Besonderes einfallen lassen. Der deutsche Bundestag hat den Vorschlag, das 500 jährige Reformationsjubiläum angemessen in einer ganzen Dekade vorzubereiten, sogar einstimmig begrüßt. Von diesem auf zehn Jahre angesetzten Endspurt sind bereits fünf um. Inzwischen ist einiges geschehen und noch mehr geplant.
Die evangelische Kirche hat jedes Jahr unter ein Motto gestellt. Nach dem Jahr der Eröffnung waren Bekenntnis, Bildung und Freiheit dran. Gerade ist das Jahr der Musik vom Jahr der Toleranz abgelöst worden. Weitere Schwerpunkte werden Politik, Bild, Bibel und schließlich “eine Welt“ sein. Eine Frau haben sie zur Botschafterin meines Jubiläums gemacht. Eine Frau im geistlichen Amt - das wäre damals undenkbar gewesen. Zum Glück betont diese Botschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann heißt sie, nicht nur meine Person. Sie verweist auf mein großes Vorbild, Jesus. Sein Beispiel, seine Nächstenliebe, seine Worte in die Welt zu tragen, war mein großes Anliegen. Mit der Übersetzung des neuen Testaments in gedruckter Schrift ist mir dies gelungen. Das hat auch dazu beigetragen, weltbekannt zu werden. Damals wie heute ist die Bibel eines der meist gelesene Bücher der Welt.
Und dort, wo alles begann, sprossen und sprießen nicht nur Ideen. Einen ganzen Garten haben sie zu meinen Ehren angelegt: den Luthergarten. Für mich ist diese symbolische Aktion so einfach wie genial. Der Garten wächst wie damals meine Ideale und findet den Weg in die Welt. 500 Bäume werden bis 2017 in der Stadt gepflanzt. Gemeinden in allen Kontinenten übernehmen Patenschaften, pflanzen einen Baum aus ihrer Region in Wittenberg und gleichzeitig in ihrer Heimatgemeinde. So wird ein ökumenisches Netz gespannt, es wird ein Zeichen der Verbundenheit rund um den Globus.
Alte Stadt in neuem Glanz
Ganz wichtig ist die Dekade dem Hausherren Ekkhard Naumann, Oberbürgermeister von Wittenberg,. Die Stadt ist noch immer eine Kleinstadt, umso mehr ist es nötig sich auf den Besucheransturm von Hunderttausenden rechtzeitig und professionell vorzubereiten. Hinzu kommt: die marode DDR Zeit steckt der Stadt noch in den Knochen. Die meisten Bewohner haben die DDR noch selbst erlebt. Für die war ich zwar als Schöpfer der deutschen Schriftsprache und als Revolutionär anerkannt, aber als Theologe haben sie mich ignoriert. Nur noch jeder siebte in der "Wiege des Protestantismus" bekennt sich zu einer Religion. Kirchen und historische Gebäude sind heruntergekommen. Nach der Wiedervereinigung 1989 sind 80 Millionen Euro in den Wiederaufbau der Stadt geflossen, bis 2017 soll noch einmal so viel verbaut werden. Das älteste Gebäude, die Stadtkirche, mit der symbolischen Thesentür, wird gerade erneuert. Mein Wohnhaus ist leer geräumt, um renoviert zu werden. Ein großes Kaufhaus entsteht und ein Begegnungszentrum, Fassaden werden getüncht und Straßen gebaut. Die ganze Stadt wird aufpoliert, nachhaltig, auch für die Zeit nach 2017.
Geschäftstüchtig wie die Ablasshändler
Schön, wenn man nach Jahrhunderten noch anziehend wirkt - denn als Tourismusmagnet sehen mich Hotel- und Gastwirtschaft. Tourismus scheint mir manchmal ein wenig wie moderner Ablasshandel. Für viel Geld wird das Heil in der Ferne versprochen. Das stimmt sicher für das Vorhaben, aus Wittenberg eine Pilgerstätte, eine Art "Mekka" für Protestanten aus aller Welt machen zu wollen. Das gilt auch für einen Wanderweg in meinem Namen, der mit dem Jakobsweg konkurrieren soll. In der ganzen Region gibt es Orte, Häuser, Kirchen und Gebäude die den Geist der Reformation atmen und neu hergerichtet werden. Schon aus persönlich sentimentalen Gründen möchte ich eine Reise nach Wittenberg und in die Umgebung empfehlen. Alles ist jeweils in maximal zwei Fahrstunden mit einer dieser modernen pferdelosen Kutschen erreichbar. Eisenach, mein Geburts- und Sterbehaus. Meine geistige Heimat, das Augustinerkloster in Erfurt. Torgau, hier lebte meine Frau. Da wird das Schloss Hartenfels mit der ersten von mir geweihten protestantischen Kirche zur Attraktion. Auf der Wartburg bei Eisenach habe ich als Verfolgter und inkognito erstmals das neue Testament der Bibel ins Deutsche übersetzt. Alle Orte, die mit meinem Wirken in Verbindung gebracht werden, rüsten sich auf den Ansturm 2017.
Und so wünsche ich jedem geneigten Leser, der 500 Jahre Reformation feiern möchte, reichliche Erbauung und viel Freude.
Herzlichst Euer
Martinus