WHO warnt vor Ausbreitung in weitere Länder
28. Februar 2020WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus sagte, das Risiko einer weltweiten Verbreitung des Virus müsse von "hoch" auf "sehr hoch" gesetzt werden. Noch aber sei der Kampf gegen die Ausbreitung des neuartigen Erregers nicht verloren. "Die Eindämmung beginnt mit jedem Einzelnen", betonte Ghebreyesus. Er ergänzte: "Zusammen sind wir stark. Unser größter Feind ist nicht das Virus. Unsere größten Feinde sind Angst, Gerüchte und Stigma. Was wir brauchen, sind Fakten, Vernunft und Solidarität."
Die Liste wird länger
In Deutschland steigt die Zahl der Infektionen mit dem neuen Coronavirus. Neue Ansteckungsfälle werden aus Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hessen, Bayern und Hamburg gemeldet. Bei dem Patienten in Hamburg handelt sich um einen Mitarbeiter des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), wie die Gesundheitsbehörde der Hansestadt und das UKE mitteilten. Er sei "in stabilem Zustand" und halte sich isoliert zuhause auf, hieß es in der Mitteilung.
Der Mann kehrte kürzlich von einem Urlaub aus Norditalien zurück. Auch bei weiteren der Neu-Infizierten konnten Übertragungswege via Italien rekonstruiert werden. Auch in Mexiko sind die ersten zwei Fälle bestätigt worden. Beide seien vor kurzem nach Italien gereist und hätten dort direkten Kontakt mit einem Covid-19-Erkrankten gehabt. Zwei weitere Männer ohne Symptome standen unter Beobachtung. Italien ist der größte Herd des Coronavirus in Europa. Dort gibt es inzwischen 650 bestätigte Infektionsfälle und 17 Todesopfer.
Die Bundesärztekammer rief die Bürger auf, "besonnen" zu bleiben. Wer Bagatellerkrankungen mit nur leichten Beschwerden habe, "sollte nicht die Notaufnahmen und Praxen verstopfen, sondern zuhause bleiben", sagte Kammer-Vizepräsidentin Heidrun Gitter den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Somit sollen Kapazitäten für mögliche Corona-Patienten freigehalten werden. Im Zweifel könne telefonischer Kontakt zum Arzt gesucht werden. Der Virologe Christian Drosten betonte, er erwarte in Deutschland eine der höchsten Fallzahlen Europas. "Unsere Bevölkerung ist sehr reisefreudig", sagte der Experte von der Berliner Charité zur Begründung.
Die Versorgung ist gewährleistet
Die Angst vor dem Coronavirus sorgt inzwischen für erste Hamsterkäufe in Deutschland, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei mehreren Handelsketten ergab. Firmen wie Lidl und Aldi Süd berichteten von teilweise deutlich erhöhten Verkaufszahlen bei Produkten wie Konserven oder Desinfektionsmitteln. Kurzfristig sei es in einigen Läden zu Engpässen gekommen.
Die Supermarktkette Rewe verzeichnete "nicht flächendeckend, aber durchaus bundesweit" eine erhöhte Nachfrage nach haltbaren Lebensmitteln. Der Handelsverband Deutschland (HDE) betonte, die Lieferstrukturen im Handel seien "gut vorbereitet, so dass die Versorgung der Bevölkerung gewährleistet ist".
Weitere Fälle in Europa
International breitete sich das Virus mit dem Namen SARS-CoV-2 in weitere Staaten aus. Auf europäischer Ebene beraten die EU-Gesundheitsminister nächste Woche in einer Sondersitzung über die Eindämmung der Neuinfektionen und die Versorgung der infizierten, wie ein EU-Vertreter mitteilte. Die Schweiz als Nicht-EU-Mitglied setzt mit sofortiger Wirkung ein Verbot von Veranstaltungen um, an denen mehr als 1000 Personen teilnehmen. In bereits betroffenen europäischen Ländern steigt die Zahl der Infizierten an; andere Länder melden die ersten Ansteckungsfälle, darunter Litauen, Island und die Niederlande. Die betroffenen Patienten aus diesen Ländern hielten sich zuvor in Norditalien auf. In Weißrussland ist das Virus bei einem Studenten aus dem Iran nachgewiesen worden, wie das Minsker Gesundheitsministerium mitteilte.
Abgrenzung vom Iran
Der Iran gehört neben Südkorea und China zu den Ländern, die am stärksten von der Epidemie betroffen sind. Unter den Infizierten sind auch hochrangige Politiker. Um im Land die Verbreitung weiter zu begrenzen, wurden im Iran in vielen Landesteilen die Freitagsgebete abgesagt. Nach Angaben des Gesundheitsministerium in Teheran starben bisher 34 Menschen an den Folgen der Erkrankung. Die USA bieten dem Iran Hilfe im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus an. Der Iran habe keine starke Gesundheitsinfrastruktur, sagt Außenminister Mike Pompeo. Sorge bereite ihm vor allem, dass die Iraner ihre Informationen nicht teilten. Die BBC meldete unter Berufung auf Krankenhauskreise, es seien 210 Menschen durch CoVid-19 gestorben. Ein Sprecher des iranischen Gesundheitsministeriums wies diese Darstellung umgehend zurück.
Vom Iran wurde aus gelangte das Virus bisher in elf Länder, unter anderem in den Irak und nach Aserbaidschan. Saudi-Arabien schloss vorsorglich seine Grenzen für Pilgerreisen von Ausländern in die Städte Mekka und Medina. Nach ersten Fällen machte auch Pakistan die Grenze zum Iran dicht.
Erstes Land im südlichen Afrika
Mit Nigeria meldete erstmals auch ein Land im südlichen Afrika einen Infektionsfall. Der Erreger wurde nach Angaben der nigerianischen Regierung bei einem Italiener diagnostiziert, der in dem westafrikanischen Land arbeitet. Der Mann war kürzlich von einem Besuch in Mailand zurückgekehrt.
Auf dem afrikanischen Kontinent waren zuvor nur zwei Fälle der Coronavirus-Infektion bestätigt worden - jeweils einer in Algerien und Ägypten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte diese Woche gewarnt, dass die afrikanischen Gesundheitssysteme nicht ausreichend für die Bekämpfung des Erregers gewappnet seien.
Südkorea bleibt ein Hotspot
Die mit Abstand meisten Infektionsfälle außerhalb Chinas gibt es weiterhin in Südkorea. Dort gab die zuständige Gesundheitsbehörde am Freitag 571 Neuinfektionen bekannt. Die Gesamtzahl bestätigter Ansteckungsfälle stieg damit auf 2337. In dem Land starben bislang 13 Menschen an der Lungenkrankheit COVID-19, die von dem Virus ausgelöst wird.
In Japan rückt das Coronavirus immer näher an die Sommerspiele in Tokio heran. Auf der japanischen Insel Hokkaido - und damit auch im Olympiaort Sapporo - wurde der Ausnahmezustand ausgerufen.
In China, dem Ausgangspunkt der Epidemie, geht die Zahl der Neuansteckungen unterdessen weiter zurück. Die Pekinger Regierung teilte mit, dass weitere 327 Menschen infiziert seien - dies war der niedrigste tägliche Anstieg seit mehr als einem Monat. Insgesamt 78.824 Chinesinnen und Chinesen haben sich laut der amtlichen Zwischenbilanz auf dem Festland mit dem Erreger angesteckt. Die offizielle dortige Zahl der Todesopfer stieg um weitere 44 auf 2788.
haz/sam/ust/sti (afp, ap, rtr, dpa)