Trumps Wahlkampf-Comeback im Faktencheck
13. Oktober 2020Die Airforce One im Hintergrund, ein Spalier aus Stars and Stripes, jubelnde Fans zu seinen Füßen - Auftritt Donald Trump in Sanford, Florida. Hier soll sein Wahlkampf neu beginnen. Nur zehn Tage nach der Bekanntgabe seines positiven Tests auf das Coronavirus ist Trump wieder dort, wo er sich am liebsten sieht: auf der großen Bühne. "Es ist großartig, zurück zu sein", schwärmt er vor Tausenden Anhängern. Sein mit Spannung erwarteter Auftritt am Orlando Sanford International Airport soll nach Wunsch von Trumps Wahlkampfteam zu einem Wendepunkt in diesem Rennen werden, in dem Trump bisher gegenüber seinem Herausforderer Joe Biden laut Umfragen zurückliegt. Mit kraftvoller, jedoch etwas rauerer Stimme als gewöhnlich spricht der US-Präsident über seine Erkrankung am Coronavirus, die Bekämpfung der Pandemie in den USA und seinen Herausforderer Joe Biden. Trumps wichtigste Aussagen im Check.
Über seine COVID-19-Erkrankung:
"Ich bin da durchgegangen. Jetzt - sagen sie - bin ich immun, und ich fühle mich so stark, dass ich ins Publikum gehen und jeden küssen könnte. Ich werde die Kerle und die schönen Frauen küssen (...). Ich werde euch einfach allen einen dicken, fetten Kuss geben."
Trumps Behauptung, nun immun zu sein, lässt sich aktuell nicht verifizieren. Denn sein Ärzteteam gab nur spärlich Informationen zur Erkrankung des 74-Jährigen heraus, beantwortete zuletzt kaum noch Fragen von Journalisten. Überraschend kam die Behauptung Trumps jedoch nicht: Bereits am 8. Oktober hatte der Präsident in einem Interview mit seinem erklärten Lieblingssender Fox gesagt, er sei immun. Dies verkündete er auch auf Twitter und die Plattform versah seinen Tweet prompt mit dem Warnhinweis "irreführend" und "möglicherweise gefährlich".
Untersuchungen zeigen, dass die meisten COVID-19-Patienten im Anschluss an eine erfolgreiche Heilung Antikörper bilden - aber eben nicht alle. Das deutsche Robert-Koch-Institut zitiert zwei Studien, bei denen bei sechs bzw. 41 Prozent der Probanden keine neutralisierenden Antikörper nachgewiesen werden konnten, zudem sei "zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar, wie regelhaft, robust und dauerhaft dieser Immunstatus aufgebaut wird." Auch Gérard Krause, Epidemiologe am Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung (HZI), sagte der DW, dass die Immunität noch nicht erforscht sei und genaue Aussagen erst durch längere Untersuchungsreihen möglich werden. Und der führende US-Virologe Anthony Fauci verwies kürzlich auf Fälle, bei denen geheilte COVID-19-Patienten sich nur Wochen später erneut infizierten.
Zu einem möglichen Corona-Impfstoff:
"Wir sind weit voraus in Sachen Impfstoff, und er wird bald in Umlauf gebracht. Ehrlich gesagt: Da läuft eine politische Sache. Sie wollen nicht, dass er (der Impfstoff, Anm. d. Red.) vor der Wahl herausgebracht wird. Aber wir haben großartige Impfstoffe, die bereit stehen: von Johnson & Johnson, Modena, Pfizer – es werden großartige Dinge mit diesen Impfstoffen geschehen."
Fakt ist, das bisher weltweit kein Impfstoff gegen das Coronavirus bereitsteht, der nach international anerkannten Regeln nachweislich wirkt. Impfstoffe werden in der Regel in mehrstufigen Verfahren mit Tausenden Probanden getestet und auf Nebenwirkungen hin untersucht. Mehrere Pharmakonzerne vermeldeten zuletzt Fortschritte bei der Erforschung möglicher Medikamente, so auch der von Trump zuerst genannte US-Arzneimittelhersteller Johnson & Johnson. Doch ausgerechnet dieses Unternehmen musste die Erprobung des möglichen Corona-Impfstoffes nun unterbrechen, weil ein Proband erkrankt istund Ärzte den Vorfall nun untersuchen.
Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO befinden sich aktuell 42 mögliche Impfstoffkandidaten in einer klinischen und 151 Kandidaten in einer vorklinischen Testphase. Die deutsche Forschungsministerin Anja Karliczek zum Beispiel geht davon aus, dass erst "Mitte des nächsten Jahres" breite Teile der Bevölkerung geimpft werden können, "riskante Abkürzungen" dürfe es dabei nicht geben. Für die Behauptung, dass politische Kräfte verhindern wollen, dass ein Impfstoff noch vor der Präsidentschaftswahl am 3. November herausgebracht werden kann, liefert Trump keine Beweise.
Über seinen Gegner Joe Biden von den Demokraten:
"Wisst ihr, unser Herausforderer 'Sleepy Joe' hatte heute einen Wahlkampfauftritt und praktisch niemand ist gekommen. (…)."
Donald Trump nimmt bei dieser Aussage Bezug auf einen Auftritt von Herausforderer Joe Biden am gleichen Tag in Toledo, im Bundesstaat Ohio. Dieser fand auf einem Parkplatz statt, auf dem - mit Abstand zueinander - rund 30 Autos parkten und den demokratischen Kandidaten mit einem Hupkonzert empfingen.
"Praktisch niemand" ist eine übertriebene Aussage von Trump. Aber in der Tat fiel auf, dass direkt vor dem Parkplatz von Bidens Auftritt mindestens genau so viele Anhänger der Republikaner "Trump, Trump" skandierten, während Bidens Wagenkolonne vorbeirauschte. Bei Trumps Auftritt in Florida waren Tausende Menschen anwesend.
Über seine Umfragewerte:
"Wir stehen viel besser da als 2016. Der Enthusiasmus ist größer, die Stimmung ist besser. Wir werden, wenn das möglich ist, einen noch größeren Sieg feiern als vor vier Jahren. (…) Wir werden Florida haushoch gewinnen. Wir werden viele Staaten haushoch gewinnen. Wir führen in Arizona, Nevada, und ich glaube auch in Pennsylvania."
Bezieht man Trumps Aussage auf den Zuspruch in der Bevölkerung, ergibt sich ein anderes Bild. In den landesweiten Umfragen liegt Donald Trump derzeit weit hinter Joe Biden zurück. Die US-Nachrichtenseite FiveThirtyEight berechnet den Vorsprung Bidens drei Wochen vor der Wahl auf Basis mehrerer Umfragen auf aktuell gut 10 Prozentpunkte. Verglichen mit dem gleichen Zeitpunkt 2016, als die Wahl auf den 8. November fiel, steht Trump nicht besser, sondern schlechter da. Das britisches Markt- und Meinungsforschungsinstitut Yougov wies damals einen Vorsprung von 4 Prozentpunkten der Demokratin Hillary Clinton gegenüber Trump aus, andere Umfragen kamen auf ähnliche Ergebnisse.
Ob Trumps Versprechen an seine Anhänger, die Wahl Florida "haushoch" zu gewinnen, tatsächlich zu realisieren ist, wird erst der Wahlabend zeigen. In Florida sehen die Umfragen Biden aktuell im Schnitt um rund vier Prozent vorne. Ähnlich sieht es aus in Arizona (Biden führt mit rund drei Prozent), Nevada (Biden plus sieben Prozent) und Pennsylvania (Biden plus sechs Prozent). Biden liegt in allen von Trump erwähnten Staaten in Führung.