"Wir müssen umgehend handeln!"
7. November 2021"Die Pflicht zur Schutzimpfung gegen das Coronavirus soll für Personen gelten, die in medizinischen Einrichtungen, Alten- und Pflegeheimen sowie Schulen und Kindertagesstätten tätig sind", heißt es in einem Beschluss, den der deutsche Ärzte-Berufsverband Marburger Bund fasste. Auch für Menschen, die in Obdachlosenunterkünften, Einrichtungen für Asylbewerber und Geflüchtete, in Arztpraxen oder bei ambulanten Pflegediensten arbeiten, sollte eine Impfpflicht eingeführt werden, wurde in dem Beschluss festgehalten.
Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, plädierte abermals dafür, insbesondere Pflegekräfte zur Impfung zu verpflichten. Eine Impfpflicht sei notwendig, da es mit Appellen und Argumenten bislang nicht gelungen sei, zu einer ausreichenden Impfquote zu gelangen. Es sollte zum Berufsethos jeder Pflegekraft gehören, die ihm anvertrauten Menschen vor Gefahren zu schützen. Für den Fall, dass eine Impfpflicht in der Pflege tatsächlich eingeführt werden sollte, zeigte Sager sich zuversichtlich: "Mit einer Kündigungswelle rechnen wir beim Pflegepersonal nicht."
"Booster" für alle!?
Die deutschen Intensivmediziner lobten die Entscheidung der Gesundheitsminister-Konferenz, allen bereits geimpften Bürgern nach sechs Monaten eine Auffrischungsimpfung anzubieten. "Das Beispiel Israel zeigt eindeutig, dass Booster-Impfungen das alles Entscheidende sind, um die vierte Welle zu bekämpfen", sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Gernot Marx, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Wichtig sei es allerdings auch, Strukturen zu schaffen, um die Auffrischungsimpfungen zügig vornehmen zu können. Deutschland befinde sich in einem ebenso rasanten Anstieg der Corona-Fallzahlen wie vor einem Jahr, erläuterte der DIVI-Präsident. "Mir macht das größte Sorgen. Wir müssen umgehend handeln!"
Im Gegensatz zur Gesundheitsminister-Konferenz empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko), Booster-Impfungen nur Menschen ab 70 Jahren sowie besonders Gefährdeten zu verabreichen. "Diese Menschen sind jetzt erst einmal an der Reihe", betonte auch der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt. Zugleich unterstrich er die Bedeutung einer Grundimmunisierung gegen Corona. "Am wirksamsten ließe sich die vierte Welle brechen, wenn sich endlich alle noch nicht Geimpften dazu durchringen könnten, sich immunisieren zu lassen."
"Radikale Kontaktreduzierung"
Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer, in dessen Bundesland derzeit die meisten Corona-Neuinfektionen (7-Tage-Inzidenz dort 444; bundesweit 191,5) registriert werden, mahnte im Kampf gegen die Pandemie konsequentes Handeln an. "Wir müssen jetzt in einer besonderen Weise auf die Bremse treten", sagte er auf einem CDU-Landesparteitag in Dresden. Die aktuelle Corona-Welle lasse sich nur durch eine radikale Kontaktreduzierung brechen. "Es ist die letzte Ausfahrt, die jetzt kommt vor einem Lockdown", so Kretschmer. Er versicherte: "Wir wollen, dass Kindergärten und Schulen offen bleiben."
Von Montag an gilt in Sachsen eine landesweite "2G"-Regel in Teilen des öffentlichen Lebens. Damit ist der Zugang etwa zu Restaurants, Bars und Theatern nur noch Geimpften und Genesenen gestattet. Andere Bundesländer erwägen, ebenfalls auf "2G" zu setzen.
"Eine der dümmsten Entscheidungen"
Der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit warnte davor, die Wirkung von 2G zu überschätzen. "2G gebe eine "Scheinsicherheit", sagte Schmidt-Chanasit im Deutschlandfunk. Auch Geimpfte könnten sich infizieren und das Virus übertragen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit geringer sei. Wenn man wirklich Sicherheit wolle, helfe nur "1G" weiter - also alle zu testen, egal ob geimpft, ungeimpft oder genesen. Das sollte vor allem für problematische Bereiche gelten, wo vulnerable Menschen gefährdet seien.
Auch der Virologe Hendrik Streeck sieht die 2G-Regel in der Gastronomie und bei Veranstaltungen mit Problemen behaftet. "Die Geimpften haben das Gefühl, sie sind nicht mehr Teil der Pandemie und verhalten sich auch entsprechend risikoreich", sagte Streeck. "Das zweite Problem sind die Ungeimpften, die ausgeschlossen werden und sich noch weniger testen lassen." Das könne zu unkontrollierten Ausbrüchen führen.
Ebenso wie Schmidt-Chanasit kritisierte Streeck, dass in Deutschland die kostenlosen Bürgertests Mitte Oktober abgeschafft wurden. Beide forderten deren rasche Wiedereinführung. Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, meinte sogar: "Die kostenlosen Tests abzuschaffen, war eine der dümmsten Entscheidungen." Es sei nicht schlimm, so einen Fehler zu machen. Schlimm sei es nur, wenn ein solcher Fehler dann nicht korrigiert werde.
wa/ml (dpa, afp, rtr)