Corona: Muss Deutschland weiter verschärfen?
7. Dezember 2020Angesichts eines rasanter werdenden Infektionsgeschehens mehren sich die Stimmen in der Politik, die eine Verschärfung der Corona-Maßnahmen in Deutschland fordern. Bundeswirtschaftsminister Altmaier sagte: "Man wird sagen können und sagen müssen, dass unsere bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen, um die zweite Infektionswelle wirklich zu brechen." In den nächsten Tagen und Wochen müsse man sehr intensive Beratungen führen.
Kanzleramtschef Helge Braun sagte in einer "Bild"-Fernsehsendung, man werde "mindestens in den Hotspots nochmal richtig deutliche Verschärfungen machen müssen". Jede Region, jedes Bundesland und jeder Landkreis müssten eine Dynamik aufweisen, die zügig unter die von der Bundesregierung ausgerufene Schwelle von wöchentlich maximal 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern heruntergehe. Die Bundesregierung sei sofort dabei, so Braun, wenn Länder Bereitschaft zeigten, gemeinsam etwas gegen die Hotspots zu tun. Liegt die Zahl jenseits der 200er-Marke, können die Länder schärfere Maßnahmen wie beispielsweise nächtliche Ausgangssperren verhängen.
Regulär wollen sich die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der 16 Bundesländer erst wieder Anfang Januar mit Kanzlerin Angela Merkel zusammenschalten, um über die Corona-Strategie zu beraten. Am Sonntag hatte jedoch Bayerns Regierungschef Markus Söder angemeldet, man werde "wahrscheinlich" eine zusätzliche Konferenz vor Weihnachten brauchen. Bayern hatte als erstes Bundesland die seit dem Anfang November in Kraft getretenen Teil-Lockdown geltenden Regelungen weiter verschärft.
Steht Silvester auf der Kippe?
Für Weihnachten waren bis einschließlich Silvester eigentlich vorübergehende Lockerungen festgelegt worden, sodass sich dann bis zu zehn Personen plus Kinder treffen dürfen - unabhängig davon, aus wie vielen verschiedenen Haushalten sie zusammenkommen. In Berlin gilt die Festtagsregel abweichend nur für fünf Personen.
Nun hat Bayern angekündigt, bereits am 27. Dezember wieder zu den strengeren Beschränkungen zurückzukehren. Am Dienstag soll der Landtag noch darüber abstimmen. Eine Umfrage im Rahmen des ARD-Deutschlandtrend legte vor ein paar Tagen nahe, dass ein Großteil der Bevölkerung die Lockerungen zu Silvester skeptischer sieht als zu Weihnachten.
So überlegen nach Bayern auch andere Bundesländer, ob sie ihre Regeln wenigstens für Silvester wieder kassieren: Der Saarländische Ministerpräsident Tobias Hans hatte bereits am Samstag in der "Augsburger Allgemeinen" gemahnt, man dürfe "kein Risiko eingehen, auch nicht an Silvester." Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer sagte dem Zweiten Deutschen Fernsehen, in den Hotspots müsse "nachgesteuert" werden.
Kanzleramtschef Braun sagte, die Silvester-Lockerungen seien an jene gerichtet gewesen, die an Weihnachten arbeiten müssen. Sie sollten aber kein Einfallstor für Millionen andere sein, Partys zu feiern. Er schlug vor, Weihnachtsbesuche bis zum 27. oder 28. Dezember zu beschränken.
Auch der Städte- und Gemeindebund sät mittlerweile öffentlich Zweifel an den Festtags-Lockerungen: "Wir werden in Deutschland insgesamt darüber sprechen müssen, ob die geplanten Lockerungen für Weihnachten und Silvester tatsächlich richtig sind", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der "Rheinischen Post". "Sie werden unweigerlich zu weiteren Kontakten und zusätzlichen Reiseaktivitäten führen und stellen damit ein Risiko für einen Anstieg der Neuinfektionen dar."
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erinnerte im RTL-Fernsehen an die vielen Corona-Toten - erst am Mittwoch war mit 487 ein neuer Tages-Höchstwert erreicht worden. "Wir reden gerade viel darüber, wie wir Weihnachten feiern", sagte Spahn. "Diese Menschen werden Weihnachten gar nicht mehr feiern."
Neuer Höchststand auf Intensivstationen
Nach fünf Wochen Teil-Lockdown verharren die Corona-Infektionen in Deutschland weiter auf hohem Niveau: Am Montag meldete das Robert Koch-Institut 12.332 neue Fälle - gut 1000 mehr als eine Woche zuvor. 147 neue Todesfälle wurden registriert, das ist ebenfalls ein Anstieg. An Montagen sind die Fall- und Todeszahlen stets niedriger, weil nicht alle Gesundheitsämter an Wochenenden ihre Daten übermitteln.
Immer neue Höhen erreicht auch die Zahl der intensivmedizinisch behandelten COVID-Patienten: Deutschlandweit waren es am Freitag erstmals mehr als 4000. Zum Vergleich: Der Rekord aus der ersten Welle liegt bei 2933 Corona-Fällen auf den Intensivstationen.
ehl/as (dpa, afp, Divi-Intensivregister)