Corona-Inzidenz steigt: Vierte Welle droht
17. Juli 2021Der Trend geht eindeutig nach oben: Die Sieben-Tage-Inzidenz bei den Corona-Infektionen in Deutschland ist den zehnten Tag in Folge gestiegen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) gibt den Wert aktuell mit 9,4 an - am Vortag hatte er bei 8,6 gelegen, beim jüngsten Tiefststand am 6. Juli bei 4,9. Insgesamt haben die Gesundheitsämter dem RKI binnen eines Tages 1608 Neuinfektionen gemeldet. Zum Vergleich: Vor einer Woche waren es 952.
Die Zahl der schweren Verläufe, bei denen eine Behandlung im Krankenhaus nötig ist, scheint derzeit noch gering zu sein. Doch anhand von Modellierungen erwartet eine Wissenschaftlergruppe der Technischen Universität Berlin (TU) eine vierte Welle, die auch an Krankenhäusern nicht vorbeigehen wird. "Laut unseren Simulationen wird im Oktober ein exponentieller Anstieg bei den Krankenhauszahlen starten. Falls die derzeitige Entwicklung anhält, wird dies sogar früher beginnen, und sich im Oktober dann nochmal verstärken", heißt es im neuen Bericht der Gruppe um den Mobilitätsforscher Kai Nagel an das Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Anstieg "beunruhigend"
Den Anstieg der Sieben-Tage-Inzidenzen wertet das Team wegen hohen relativen Zunahmen als "beunruhigend". Nur wenn die Impfstoffe gegen die Deltavariante deutlich besser wirkten als derzeit bekannt oder wenn eine Impfquote von 95 Prozent erreicht werde, bleibe eine vierte Welle in den Simulationen aus.
Das Modell ergebe "unter allen derzeit realistisch erscheinenden Bedingungen eine vierte Welle bei den Erwachsenen, welche mit der Verlagerung von Aktivitäten in Innenräume im Herbst verstärkt werden wird." Die Simulationen zu Schulen zeigen laut dem Bericht, dass Lüftungssysteme und flächendeckender Einsatz von Schnell- und/oder PCR-Tests die Infektionsdynamik verringern könnten. Würden solche Maßnahmen konsequent umgesetzt, seien Schulschließungen oder Wechselunterricht nicht notwendig, hieß es.
Die zwei Schnelltests pro Woche, die derzeit typisch seien, halten die Wissenschaftler ohne zusätzliche Maßnahmen allerdings bei Weitem nicht für ausreichend. Würden die Schulen nach den Sommerferien ohne Schutzmaßnahmen geöffnet, ergäbe sich laut Modell eine Infektionswelle bei den Schülerinnen und Schülern, die zu einer Welle bei Erwachsenen führe.
Mehr Impfungen gefordert
Angesichts der steigenden Inzidenz warnt Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger vor einem Nachlassen des Impftempos in Deutschland. "Wir müssen aufpassen, dass wir das Erreichte nicht verspielen", sagte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) der Deutschen Presse-Agentur. "Wir müssen weiter impfen, impfen, impfen, damit sich die Lage weiter stabilisiert."
Die Corona-Inzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in einer Woche, steigt in Deutschland seit knapp zwei Wochen wieder an, zuletzt in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen besonders deutlich. Auf der anderen Seite hatten bei den Impfungen erste Länder zuletzt deutliche Einbrüche gemeldet.
Laut Arbeitgeberpräsident Dulger haben Arbeitgeber und Gewerkschaften an die Beschäftigten appelliert, die Impf- und Testangebote weiter anzunehmen und so zu einer hohen Durchimpfungsrate beizutragen. "Wir Sozialpartner sind zuversichtlich, dass wir mit einer gemeinsamen Anstrengung der nationalen Impfkampagne zum Erfolg verhelfen und ein hohes Schutzniveau erreichen können."
Impfpflicht für Soldaten?
In die Diskussion um eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen hat sich jetzt auch die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, eingeschaltet. Sie ruft dazu auf, alle Soldaten der Bundeswehr gegen Corona zu impfen und setzt dabei auf eine bestehende Regelung für andere ansteckende Krankheiten.
"Da uns COVID-19 noch auf absehbare Zeit beschäftigen wird, befürworte ich eine Aufnahme in den Katalog duldungspflichtiger Impfungen", sagt sie der Funke Mediengruppe. Soldaten sind schon heute gesetzlich verpflichtet, bestimmte Impfungen zur Basisimmunisierung zu "dulden". Ein Schutz gegen Influenza gehört dazu. Gegen Corona müssen sich die Soldaten hingegen nur impfen, wenn sie in den Einsatz gehen. Wie die Funke Mediengruppe meldet, prüft derzeit das Verteidigungsministerium, ob und wann eine Corona Impfung bei der Bundeswehr eingeführt werden soll.
AR/haz (dpa, afp, rtr)