Corona hat die Champions im Griff
21. Oktober 2020Es ist die 29. Saison der Champions League - aber so spät sind die besten Klubs Europas noch nie in den Wettbewerb gestartet. Erst Ende August war der FC Bayern nach einem denkwürdigen Finalturnier in Lissabon zum Sieger gekürt worden, nun geht es wieder los. Allerdings ist es diesmal für alle Beteiligten von Anfang an eine Reise ins Ungewisse.
Fest stehen die Rahmendaten: 32 Teilnehmer, verteilt auf acht Vorrundengruppen á vier Mannschaften, die jeweils besten zwei ziehen ins Achtelfinale ein. Die Playoffs sollen, anders als in der Schlussphase der vergangenen Spielzeit, wieder mit Hin- und Rückspiel ausgetragen werden. Das Finale ist für den 29. Mai in Istanbul geplant.
Favre: "Ein mulmiges Gefühl"
Doch ob es tatsächlich so weit kommt? Rasant steigende Infektionszahlen in fast ganz Europa lassen eine sichere Prognose nicht zu. Zwar ist der Profifußball bislang von den wieder angezogenen Schutzmaßnahmen ausgenommen, doch auch ihn könnte ein Lockdown treffen, wenn die Todesraten durch die COVID-19-Pandemie wieder dramatisch in die Höhe schnellen.
In etlichen Ländern gilt schon jetzt ein totaler oder teilweiser Ausschluss der Zuschauer, auch wenn die UEFA Geisterspiele nicht zwingend vorschreibt. Was bleibt, auch ohne Fans in den Stadien, ist ein mulmiges Gefühl, wie es Lucien Favre, Trainer von Borussia Dortmund, schon vor der 1:3-Niederlage seines Teams im Spiel bei Lazio Rom beschrieb: "Wir müssen sehr aufpassen. Es ist gefährlich. Es werden mehr Fälle kommen. Es ist nicht gut zu reisen."
Bei Infektionen droht das Aus
Die Angst vor einer Infektion ist groß, nicht nur unter dem rein gesundheitlichen Aspekt. Stecken sich gleich mehrere Profis an, gerät die gesamte Champions-League-Teilnahme in Gefahr. Deshalb hat die UEFA für diese Saison einige Sonderregelungen eingeführt: Es reichen schon 13 gesunde Spieler inklusive eines Torwarts, damit ein Team antreten kann. Sind die nicht aufzutreiben, ist eine einmalige Verlegung einer Partie möglich. Ist dann beim Ersatztermin eine der Mannschaften trotz der möglichen Nachnominierung von Nachwuchsspielern nicht spielfähig, wird das Duell mit 3:0 für den Gegner gewertet.
Außerdem kann ein Spiel auch dann verloren werden, wenn der gastgebende Verein nicht rechtzeitig auf Einschränkungen seitens der Behörden hinweist. Darf der Gast nicht einreisen, muss die Heimmanschaft einen neuen Spielort vorschlagen. Das kann auch einen Tausch des Heimrechts bedeuten oder die Austragung an einem neutralen Ort. "Alle Vereine, die an der Gruppenphase teilnehmen, haben sich nach besten Kräften darum zu bemühen, ihren von der UEFA bestätigten Austragungsort gegebenenfalls als neutralen Austragungsort für andere Spiele verfügbar zu machen, heißt es in den aktuellen Regularien des.Verbandes.
Leere Stadien, neutrale Spielorte
Was im Normalfall eine Katastrophe wäre, nämlich auf die Unterstützung durch die eigenen Zuschauer verzichten zu müssen, dürfte in der aktuellen Situation kaum noch jemanden schrecken. RB Leipzig etwa durfte bei seinem 2:0-Erfolg am Dienstag über den türkischen Erdogan-Klub FK Basaksehir aufgrund behördlicher Empfehlungen gerade mal 999 Fans ins Stadion lassen. In München, im Spiel der Titelverteidiger gegen Atlético Madrid, bleibt die Arena am Mittwoch ganz leer.
Bei Borussia Mönchengladbach könnte man die Geisterspiele sogar positiv sehen: 49 Jahre nach dem berühmten Büchsenwurf-Spiel kommt es am Mittwoch zum Wiedersehen mit Inter Mailand. Damals, im Oktober 1971, hatte die Borussia mit 7:1 gegen die Italiener im Europapokal der Landesmeister gewonnen, Beobachter sprechen vom "besten Spiel in der Vereinsgeschichte" der wohl besten Mannschaft der Vereinsgeschichte mit Stars wie Günter Netzer, Berti Vogts, Jupp Heynckes oder Rainer Bonhof.
Blöd nur, dass Mailands Torschütze Roberto Boninsegna im Hinspiel am Bökelberg beim Stand von 2:1 von einer Coladose getroffen wurde und bewusstlos, wie er bis heute beteuert, zu Boden gegangen war. Deshalb wurde er ausgewechselt und die Partie annulliert. Das Nachholspiel wenig später auf neutralem Platz in Berlin ging 0:0 aus, Mönchengladbach schied aus. Auch damals gab es also schon Unwägbarkeiten. Nur waren die größer, sichtbarer als ein Virus und hinterließen beim Betroffenen höchstens eine Beule am Kopf.