Corona-Begleitung für Kinder
17. April 2020Es gibt immer wieder Momente, die Bernd Siggelkow die Kraft geben, weiterzumachen. Er hatte kaum die Mail verschickt, in der er kindgerecht zu erklären versuchte, was Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten für die kommenden Wochen in Sachen Corona-Krise vorhaben, da antwortete schon ein Kind und schrieb: "Ich hasse Corona, und ich finde es ganz schlimm, was gerade so läuft. Ich möchte zurück in die Schule, zurück in die Arche. Und ich bete jetzt: Lieber Gott, mach' bitte, dass alle Corona-Kranken ganz schnell wieder gesund werden und dass dieses Virus bald verschwindet."
Solche Reaktionen würden ihm den Halt geben, den er nun auch selbst brauche, sagt Pfarrer Bernd Siggelkow der Deutschen Welle am Telefon. Vor rund 25 Jahren hat Siggelkow das christliche Kinderhilfswerk Die Arche gegründet.
Täglich wurden bis vor kurzem in den bundesweit 26 Einrichtungen der Arche rund 4000 benachteiligte Kinder kostenlos mit Essen versorgt und durch Pädagogen betreut, oft zusammen mit ihren Müttern. Dann kam Corona. Alles auf Halt. Seit rund einem Monat liefern Siggelkow und seine Mitarbeiter nun Lebensmittel und Hygieneartikeln direkt bis vor die Tür. Hilfe frei Haus.
Siggelkow selbst packt in Berlin-Hellersdorf, einem sozialen Brennpunkt der Stadt, mit an. "Unsere Arbeitszeit liegt derzeit bei zehn bis fünfzehn Stunden täglich", sagt er. Klagen wolle er darüber nicht. Allein in Marzahn-Hellersdorf werden ein- bis zweimal wöchentlich rund 200 Familien besucht, um das Nötigste vorbeizubringen.
Solidarität für diejenigen, die sich abgehängt fühlen
Das sei teurer als der Normalbetrieb mit Küche und Ausgabe in den Arche-Häusern: "Die Kosten, die wir für die Lebensmittel-Lieferungen brauchen, sind derzeit etwa dreimal so hoch." Das liege daran, sagt Siggelkow, dass nun ganze Familien versorgt würden, auch mit Hygieneartikeln.
Doch was Siggelkow in diesen Tagen der Corona-Krise auch erlebt, ist große Solidarität. "Es kommen Leute zu uns, die uns haltbare Lebensmittel bringen oder mal eine Packung Toilettenpapier, weil sie gehört haben, dass die Arche als eine der wenigen Hilfsorganisationen noch da ist. Wir bekommen auch immer wieder mal Geldspenden."
Schulschließungen belasten Familien
Siggelkow lobt alles in allem das Krisenmanagement der Regierung, hat Verständnis dafür, dass die Kontaktbeschränkungen bis zum 3. Mai bleiben, viele Geschäfte weiterhin nicht öffnen dürfen und ein Mundschutz empfohlen werde. "Doch langsam wird es schwierig für uns, weil ja auch die Schulen erst ab dem 4. Mai schrittweise geöffnet werden."
Für die Familien mit Kindern, die oft in engen Wohnung leben müssten, sei das eine erhebliche Belastung. Vor allem für Eltern, die ihren Kindern nicht die nötige Unterstützung bieten können. Hinzu komme, so Siggelkow, dass viele Familien gar keine Laptops oder Tablets haben, mit denen die Kinder Hausarbeiten erledigen oder dem Teleunterricht folgen könnten.
Siggelkow und sein Team haben seit Beginn der Corona-Krise auf Online-Betreuung gesetzt, um "die Kinder bei der Stange zu halten", wie der Arche-Gründer es ausdrückt. WhatsApp-Chats, Online-Hausaufgaben-Betreuung, ein YouTube-Kanal und das Telefon helfen dabei.
"Unser Kinder wollen mit unseren Mitarbeitern reden, weil wir ihre Gesprächspartner sind, ihre erweiterte Familie." Die Arche sei für alle 24 Stunden am Tag erreichbar, auf allen Kanälen.
Popcorn-Challenge: Video-Wettbewerb für gute Laune
Trotz aller Bemühungen, "manchen fällt schon die Decke auf den Kopf", sagt Siggelkow. Dass Eltern ihre Kinder vermehrt schlagen, miteinander mehr streiten würden, habe er zwar noch nicht mitgekriegt: "Aber natürlich gibt es diese Gefahr."
Um schlechte Laune, den Wohnungskoller, erst gar nicht aufkommen zu lassen, lassen sich Siggelkow und sein Team immer wieder etwas Neues einfallen. Zum Wochenende zum Beispiel kriegt jede Familie eine Tüte mit Popcorn, das sie dann in der Familie zubereiten müssen. Das soll gefilmt werden. Wer das beste und lustigste Video liefert, der kriegt für die ganze Familie Pizza geliefert.
Das motiviere auch die Eltern, etwas mit ihren Kindern zusammen zu tun, sagt Siggelkow: "Wir machen das alles, damit die Menschen merken, wir sind weiterhin für sie da, wenn auch anders als zuvor."