Im Kino: Wolfgang Petersens neuer Film "Vier gegen die Bank"
25. Dezember 2016Deutsche Welle: Der Film, der Sie sehr früh geprägt hat, und auch mich als Jugendlicher ziemlich begeisterte, ist "12 Uhr Mittags" (High Noon) mit Gary Cooper. Was hat Sie denn daran so beeindruckt?
Wolfgang Petersen: Mich hat beeindruckt, dass sich Gary Cooper, obwohl er Todesangst hat, diesen drei Leuten, die aus dem Gefängnis rausgekommen sind, um ihn umzubringen, stellen wird, dass er sie verfolgen und bekämpfen wird. Ich könnte mir vorstellen, dass viele Dinge, die ich in meinem Leben gemacht habe, sozusagen auf Gary Cooper zurückgehen. Solche Figuren sind essentielle Kino-Heldenfiguren. Kino ist ein Raum zum Träumen, ein Raum, in dem Leute "Bigger than Life" sind, und von denen man im besten Fall etwas lernen kann. Es ist immer etwas überhöht, aber das ist ja das Schöne am Kino.
Sie sind im Nachkriegsdeutschland aufgewachsen, da gab es wenig Helden. War das Kino für Sie ein Raum, in dem Sie etwas gelernt haben?
Anfang der 1950er Jahre, als ich etwa zehn Jahre alt war, war Deutschland ziemlich grau, ziemlich deprimiert und ziemlich desillusioniert. Bevor dann das deutsche Wirtschaftswunder langsam anfing, die Eltern aber nicht so richtig über alles reden wollten, was passiert war, steckte man in einer gewissen Leere, hatte kein richtiges moralisches Umfeld. Als Kind wusste man nicht, wo man eigentlich steht. Und da hatte das Kino - für mich speziell der Western - klare Richtlinien, klare Werte. Was ist gut, was ist schlecht, was ist Mut, was ist Feigheit? All diese Grundelemente, die man so als Junge lernen möchte, hatte ich dort gelernt. Das war sehr wichtig für mich.
Sie haben jahrzehntelang in Hollywood gearbeitet, mit den ganz großen Stars gedreht: Dustin Hoffman, Harrison Ford, George Clooney, Brad Pitt. Hatten Sie nicht Manschetten Clint Eastwood am Set zu sagen, was er zu tun hat?
Mit Clint Eastwood wusste ich am Anfang auch nicht genau, wie das jetzt gehen wird. Er hat so viele große Filme gemacht. Ich hatte gerade noch "Unforgiven" gesehen, bevor wir dann anfingen "In the Line of Fire" zu drehen und dachte: Oh mein Gott… Aber Clint Eastwood war einfach froh, einmal nicht die Bürde und Verantwortung als Regisseur und Produzent tragen zu müssen. Er war einfach glücklich, nur Schauspieler zu sein.
Dustin Hoffman halte ich - nicht so sehr für einen "Movie-Star" - aber für einen der größten Schauspieler überhaupt. Bei ihm war ich schon etwas überrascht, wie unsicher er war, wenn es darum geht, sich nicht vom Dialog tragen zu lassen, wie er es vom Theater her kannte. Sondern von ganz simplen Dingen, wie Körpersprache. Wie man sich bewegt, umdreht, einen Blick wirft. Ich musste ihm das echt vormachen und es kam mir blöd vor, dass ich aus Deutschland daherkomme und einem großen amerikanischen Schauspieler sage: 'Jetzt dreh' Dich doch mal so rum und dann guckst Du langsam rauf, merkst, dass da oben irgendwas nicht stimmt und dann guckst Du wieder zurück…'
Harrison Ford hätte das gekonnt. Weil Hoffman wusste, dass ich Ford eigentlich für die Rolle haben wollte, war immer ein bisschen Eifersucht dabei.
Sie haben in Hollywood viele Blockbuster gedreht. Was war Ihr größter persönlicher Erfolg, was Ihre größte Enttäuschung?
"In the Line of Fire" mit Clint Eastwood, weil die Figur, die er spielte, wieder einmal ein bisschen auf Gary Cooper hinging. Man spürte, dass er durch eine schwierige Phase geht, die all seinen Mut erfordert, um gegen den Bösewicht (John Malkovich) anzukommen. Ich fand Clint Eastwood in dem Film so gut wie vielleicht noch nie als Schauspieler.
Das andere war "The Perfect Storm", der Sommerfilm mit George Clooney (Hollyood startete den Film im Juni 2000, Anmerk. der Red.). Warner Bros. hat immerhin 150 Millionen Dollar dafür hingeblättert und mich auch unterstützt, den Schluss nicht zu verändern. Es gab Anrufer, die sagten: 'Seid ihr wahnsinnig - einen Sommerfilm für 150 Millionen und alle sterben am Schluss? Wie soll das gut gehen?' Wir haben's gemacht und es war ein Riesenerfolg. Darauf bin ich stolz.
Worauf ich nicht so stolz bin ist, dass ich in die selbe Falle reingelaufen bin wie das Studio (bei der Produktion von "The Poseidon" im Jahre 2006, Anmerk. der Red.). Nachdem ich fünf Filme hintereinander gemacht hatte, einer erfolgreicher als der vorherige - das hatte es in Hollywood noch nicht gegeben -, haben sie für "Poseidon" noch einmal viel Geld auf den Tisch gelegt und schon angefangen die Sets zu bauen, bevor das Drehbuch stand! Erfolg geht eben nicht automatisch. Wir alle haben daraus gelernt: Je höher man geht, desto tiefer fällt man, das passiert halt. ("The Poseidon" gilt trotz Einnahmen von rund 180 Millionen Dollar als Flop, Anmerk. der Red.)
Nach 30 Jahren sind Sie nach Deutschland zurückgekehrt, um hier einen Film zu drehen: "Vier Gegen Die Bank". Wie kam es dazu?
Ich wollte eine Komödie drehen und hatte es nie geschafft - außer der einen, die ich in Deutschland 1976 für das Fernsehen gemacht hatte (Die erste Verfilmung von "Vier gegen die Bank", Anmerk. der Red.). Und meine Frau sagte, wie wär's denn mit "Vier gegen die Bank" als Remake für das Kino? Ich hatte immer die Sorge, eine Komödie mit englischem Dialog zu machen - also nicht meiner Muttersprache -, weil Dialog ja so wichtig in einer Komödie ist. Mich hat eine Komödie in Deutschland in deutscher Sprache gereizt.
Mit dem Blick aus Amerika: Was hat sich für Sie am meisten verändert an der deutschen Filmszene?
Die Crews von den Kameraleuten über die Tonleute bis zu den Kostümen: Die gesamte Produktion ist absolute Weltklasse. Das war für mich eine riesige positive Überraschung. Die deutschen Schauspieler waren immer gut und sind immer gut. Und jetzt sind sie noch besser - vor allem die vier Männer, die ich da zusammen gebracht habe und die vier Damen, die noch dazugekommen sind. Sie sind so unglaublich professionell, saukomisch und völlig albern. Herrlich!
Über einen Film müssen wir noch reden. Er hat Sie weltweit bekannt gemacht und wird immer mit Ihrem Namen verbunden bleiben. Warum ist "Das Boot" immer noch Ihr wichtigster Film?
Der Erfolg des Films, der unerwartete weltweite Erfolg von einem deutschem Film mit Untertiteln und die vielen Oscar-Nominierungen - das hat mein Leben total verändert. "Das Boot" hat mich letztlich nach Amerika gebracht. Das war für mich als Filmemacher unglaublich befriedigend.
Und es ist ein Film, mit dem es gelungen ist, Leute, die sich anfangs weigerten, sich mit "Nazisoldaten" oder Nazi-Leuten in deutschen U-Booten zu identifizieren, als sie den Film sahen, unglaublich zu beeindrucken und zu emotionalisieren. Die haben gemerkt: 'Oh my God, ich habe jetzt gerade dem "Feind" applaudiert.'
Aber es ist nicht der Feind, es sind "Human Beings", 17-, 18-, 20-, 25-jährige junge Leute, die in diesen Wahnsinn - und speziell U-Boot-Krieg-Wahnsinn - hineingetrieben wurden. Und deswegen geht es dann auch über den Kriegsfilm hinaus.
Es ist eine Metapher: Es kann Dir noch so schlecht gehen, wenn Du ein paar Leute um Dich rum hast, die Dir beistehen, die Dir helfen und denen Du hilfst, dann bekommst Du eine enorme Kraft und kannst "Berge versetzen", auch wenn's schlimm ist. Deswegen mögen die Leute "Das Boot" so sehr.
Das Gespräch führte Hans Christoph von Bock - Wolfgang Petersen in bewegten Bildern können Sie sehen in der neuen Ausgabe von KINO.