Clinton, Trump und die Qual der Wahl
7. November 2016"Ich sehe sie an und sehe extreme Sorglosigkeit. Ich sehe ihn an und sehe "Miss Piggy". Ich sehe sie an und sehe Erfahrung. Ich sehe ihn an und sehe Veränderung ." So fasst Virginia Lopez Rey ihr Dilemma zusammen: Nach wie vor ringt sie mit der Entscheidung, für wen sie bei den bevorstehenden US-Präsidentschaftswahlen am Dienstag stimmen soll.
Mit "Nachlässigkeit" bezieht sich Lopez Rey auf das Federal Bureau of Investigation (FBI), das mit diesem Begriff den Umgang der Präsidentschaftskandidatin der Demokratischen Partei, Hillary Clinton, mit geheimen Informationen während ihrer Zeit als US-Außenministerin beschrieben hat.
Als "Piggy" hingegen hatte der Kandidat der Republikaner, Donald Trump, eine ehemalige Schönheitskönigin beschimpft, nachdem sie zugenommen hatte.
Lopez Rey ist Anwältin in Miami Beach, Florida. Die kubanische Emigrantin ist eine entschiedene Abtreibungsgegnerin. Zu anderer Zeit wäre es ihr leicht gefallen, für den republikanischen Kandidaten zu stimmen.
Weder Clinton noch Trump
Knapp 2000 Kilometer weiter nördlich steht Brooke Carpenter, eine Englischlehrerin in einem Vorort von Philadelphia, vor einem ähnlichen Dilemma.
In den vier vorhergehenden Präsidentschaftswahlen hat Carpenter jedes Mal den republikanischen Kandidaten gewählt. Sie ist evangelische Christin, ebenfalls gegen Abtreibung, für niedrigere Steuern und sorgt sich, dass eine Regierung links der Mitte ihre religiöse Freiheit einschränken würde.
"Derzeit könnte ich mir durchaus vorstellen für Gary Johnson (den Kandidaten der Libertären Partei) zu stimmen. Aber soll man wirklich für jemanden stimmen, der, realistisch betrachtet, überhaupt keine Gewinnchancen hat?", fragt sie. "Ich kann aber weder Hillary Clinton noch Donald Trump wählen. Also denke ich, dass ich für Johnson stimme. Aber ist das eine gute Entscheidung? Ich glaube nicht, denn er wird wahrscheinlich nicht gewinnen. Soll ich also überhaupt nicht wählen gehen? Ich weiß es nicht."
Die Rolle der Swing States
Unter den ungefähr zehn sogenannten Swing-States - damit bezeichnet man die Staaten, in denen ein knappes Rennen zwischen Republikanern und Demokraten erwartet wird - ist Florida mit seinen 29 Wahlmännern der wichtigste umkämpfte Staat. In Pennsylvania mit seinen 20 Wahlmännern tendieren die Wähler in Richtung Clinton. Den Ausschlag zu ihrer Entscheidung gab ein im vergangenen Monat aufgetauchtes Video, in dem sich Trump auf vulgäre und verächtliche Art über Frauen äußerte.
In Pennsylvania hat sich seit 30 Jahren kein republikanischer Präsidentschaftskandidat mehr durchgesetzt. Darum wirbt Trump weiter um den Staat. Er hofft, die weißen Wähler aus der Arbeiterklasse werden ihm doch noch einen Sieg bescheren.
Enttäuschte Demokraten, enttäuschte Republikaner
Unentschlossene Wähler habe es immer schon gegeben, sagt John Hudak vom Brookings Institute in Washington. "Es kann sich um entschlossene Liberale handeln, die Bernie Sanders unterstützen und keinen anderen Kandidaten mögen", so Hudak mit Verweis auf den sich selbst "sozialistisch" nennenden Senator aus Vermont, der mit seinen starken Ergebnissen im demokratischen Präsidentschaftsrennen für eine große Überraschung sorgte.
"Auf der anderen Seite kann es sich um sozial Konservative handeln, die in Donald Trump nicht jenen republikanischen Typus sehen, den sie haben wollen. Hillary Clinton allerdings wollen sie erst recht nicht haben. So sind auch sie völlig unentschieden", sagt Husak.
Entscheidung erst in der Wahlkabine
Neben dem Lager der unentschlossenen Wähler, das auf vier bis sieben Prozent geschätzt wird, gibt es das jener Bürger, die Kandidaten anderer Parteien wählen werden - etwa die der Libertären oder der Grünen.
Allerdings würden die Kandidaten der dritten Parteien immer mehr an Unterstützung verlieren, je näher die Wahl käme, sagt Sam Wang, Neurowissenschaftler an der Princeton University und Gründer des Princeton Wahl Consortium (PEC) - eine Website, die statistische Analysen rund um die Wahl erstellt.
Viele Wähler, die eigentlich weder für Clinton noch für Trump stimmen wollten, würden erkennen, dass sie, wenn sie andere Kandidaten wählten, ihre Stimme verschenken würden. Das zeigt sich etwa an der Unterstützung für Johnson: Kam er Mitte September noch auf einen Stimmenanteil von über neun Prozent, waren es Anfang November noch knapp fünf Prozent.
"Wenn man aus der Vergangenheit etwas ableiten kann, dann die Vermutung, dass die meisten Anhänger der dritten Parteien letztlich für Trump oder Clinton stimmen werden", so Wang. Damit gehören diese Wähler zu guten Teilen ebenfalls ins Lager der Unentschlossenen.
Zwar ist die Zahl der unentschlossenen Wähler zurückgegangen. Trotzdem sei es riskant, sie in das Wahlkalkül mit einzubeziehen, sagt Jonh Hudak vom Brookings Institute. "Denn Clinton und Trump sind unübersehbar zwei höchst unterschiedliche Kandidaten. Trotzdem gibt es immer noch Personen, die erst in der Wahlkabine entscheiden, wen sie wählen wollen."