Chronologie des Falls Oury Jalloh
4. September 2014
7.1.2005
Der 21-jährige Oury Jalloh, ein Asylbewerber aus Sierra Leone, wird von der Dessauer Polizei festgenommen. Der junge Vater war betrunken auffällig geworden. Die Polizisten stecken ihn in eine Arrestzelle im Keller des Gebäudes. Hände und Füße sind am Boden fixiert. Kurz darauf bricht in der gefliesten Zelle ein Brand aus. Die zuständigen Polizisten ignorieren den Feueralarm und stellen die Gegensprechanlage leiser. Nach einem erneuten Alarm gehen sie in die Zelle und löschen das Feuer. Da ist Oury Jalloh bereits tot.
Februar 2005
Bei einer zweiten Begehung der Zelle wird ein Feuerzeug gefunden, durch das der Brand vermutlich entstanden ist. An dem Feuerzeug befindet sich keine DNA des Brandopfers.
April 2005
Oury Jallohs Leiche wird ein zweites Mal untersucht. Dabei wird unter anderem ein gebrochenes Nasenbein festgestellt. Auftraggeber für die erneute Obduktion ist die "Initiative in Gedenken an Oury Jalloh", welche vehement für die Aufklärung des Falls kämpft. Die Kosten für das Gutachten deckt die Initiative durch Spenden.
Mai 2005
Die Staatsanwaltschaft Dessau erhebt Anklage gegen die Polizisten. Dem damals zuständigen Dienstgruppenleiter Andreas S. wirft sie Körperverletzung mit Todesfolge vor, seinem Kollegen Hans-Ulrich M. fahrlässige Tötung, da er bei der Leibesuntersuchung Jallohs das Feuerzeug übersehen haben soll.
März 2007
Der Prozess beginnt. Am ersten Tag bricht die Mutter des Opfers weinend zusammen. Sie und ihr Sohn, Jallohs Bruder, treten unter anderem als Nebenkläger auf. Nach dem ersten Prozesstag bleibt weiterhin unklar, wie die feuerfeste Matratze in Brand geraten konnte. Die Nebenklage vermutet unterschwelligen Rassismus bei den Polizisten und wirft ihnen vor, absichtlich nachlässig gehandelt zu haben.
Später zeigen nachgestellte Versuche, dass Jalloh trotz gefesselter Hände und Füße ein Feuerzeug aus einer Hosentasche hätte ziehen und die Matratze in Brand setzen können.
Dezember 2008
Nach mehr als 20 Monaten werden beide Polizisten vom Gericht aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Richter Manfred Steinhoff ist jedoch sichtlich erzürnt. Bei der Begründung sagt er, dass das Urteil nicht auf "Erkenntnissen" beruhe. Es sei lediglich "ein Ende, das aus formalen Gründen sein muss". Polizisten, die als Zeugen gehört wurden, hätten vorsätzlich gelogen, darüber empörte sich der Richter. Er bezeichnete die Polizisten als "bedenkenlos und grottendämlich". Wie Jalloh ums Leben gekommen ist, ob er sich selbst entzündet hat oder eine andere Person, bleibt weiter unklar. Richter Steinhoff schließt die Verhandlung mit den Worten: "Ich habe keinen Bock, zu diesem Scheiß noch irgendwas zu sagen". Im Gerichtssaal kommt es zu Tumulten. Zahlreiche Freunde Jallohs werden des Saales verwiesen, vor dem Gericht protestieren rund 100 Demonstranten.
Dezember 2008
Wenige Tage später legt die Nebenklage beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe gegen das vollständige Urteil Revision ein. Auch die Staatsanwaltschaft beantragt Revision. Allerdings nur in Bezug auf den Freispruch für S.
Januar 2010
Der Bundesgerichtshof hebt das Urteil wieder auf. Das Verfahren wird zur Neuverhandlung an das Landgericht Magdeburg weitergeleitet. Die Umstände von Jallohs Tod seien noch nicht eindeutig geklärt, so die Bundesrichter. Der Freispruch für Hans-Ulrich M. wird rechtskräftig.
Januar 2011
In Magdeburg beginnt der erneute Prozess gegen Andreas S. Vor allem die Frage, ob der Polizist schnell genug auf den Feueralarm reagiert hat, soll geklärt werden. Wenige Tage später bricht der Angeklagte zum ersten Mal sein Schweigen: Er habe den Alarm nicht vorsätzlich ignoriert. Der Vorfall tue ihm leid, fremdenfeindliche oder rassistische Motive wies er ausdrücklich zurück.
Dezember 2012
Der Polizist wird wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen zu einer Geldstrafe von 10.800 Euro verurteilt. Das Feuer soll Jalloh selbst gelegt haben.
Kurze Zeit später legen Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Nebenklagevertretung Revision ein. Zuständig dafür ist wieder der BGH. Die Nebenkläger beschweren sich unter anderem über den "latent aggressiven" Ton der Richterin und werfen ihr Befangenheit vor, da sie zunächst versucht hatte, das Verfahren gegen eine Geldauflage einzustellen.
November 2013
Die "Initiative Gedenken an Oury Jalloh" stellt ein erneutes Brandgutachten vor. Das Ergebnis: Das Ausmaß der Verkohlung von Jallohs Körper sei nur durch den Einsatz eines Brandbeschleunigers wie Benzin möglich.
September 2014
Der Bundesgerichtshof bestätigt das Urteil zum Feuertod von Oury Jalloh. Der Fall wird nicht wieder neu aufgerollt.