Chinesen mögen es spanisch
21. Mai 2018Spanisch kam den Chinesen bis vor kurzem noch Spanisch vor. Das hat sich jedoch in 2017 komplett geändert. Das Sprachinstitut Cervantes in Peking kann sich vor Interessenten kaum noch retten: "Wir sind beeindruckt von unserem wachsenden Erfolg in diesem Land", sagt Leiterin Inmaculada González. "Spanisch ist nach Englisch bereits die zweitwichtigste Fremdsprache in China." Grund dafür ist auch, dass Spanien als Tor nach Lateinamerika gesehen wird.
Der Student Beichen Xiao und seine Freundin Yini Shao (Artikelbild oben) sind zum Spanisch lernen sogar extra nach Madrid gekommen. Ihr Ziel: "Ich will so gut sprechen wie die Spanier", sagt die 24-jährige Shao, die Werbewirtschaft und E-commerce in Peking studiert hat und jetzt gerne von Spanien aus als Influencerin für den chinesischen Markt arbeiten würde.
Export-Import-Geschäft
Das junge Paar genieβt den relaxten spanischen Lifestyle, Tapas, Sonne und die Freundlichkeit der Spanier. Aber die jungen Chinesen wissen auch um die wachsende wirtschaftliche Bedeutung des Landes, was sich auch bei den chinesischen Touristenzahlen und unternehmerischen Investitionen in Spanien zeigt. Die Spanier wiederum nutzen die Billig-Läden der Chinesen für alle möglichen Einkäufe von Werkzeug bis Kleidung. Es gibt nichts, was man in diesen Wühlläden nicht findet. Bereits 2015 machten die Importe chinesischer Waren gemäβ der Unternehmensberatung 'SedeenChina' zehn Prozent der spanischen Gesamteinfuhren aus. Seitdem sei das Importwaren-Volumen aus China, das vor allem an den Häfen in Valencia und Barcelona umgeschlagen wird, noch einmal um 36 Prozent gestiegen.
Mit den wachsenden Einfuhren einher geht der zunehmende Appetit der Chinesen auf spanische Firmen. Bisher kauften Investoren vor allem Gebäude, Hotels und Golf-Komplexe. Aber inzwischen erwerben sie auch Unternehmensanteile in allen Wirtschafts-Bereichen, von Fuβball bis Pharmazeutik. Inzwischen betragen die chinesischen Beteiligungen an spanischen Unternehmen rund 4,65 Milliarden Euro. Spektakulär war 2015 der Einstieg des Milliardärs Wang Jianlin bei Atlético Madrid. Er kaufte 20 Prozent des Madrider Fuβballvereins, weswegen Beichen Xiao dort auch schnell ein Praktikum fand: "Ich bin die Schnittstelle des Vereins mit China, wo inzwischen viele Fans sitzen."
Chinesische Touristen entdecken Spanien
Scharen von kauffreudigen Chinesen fallen inzwischen Sommer wie Winter in Städte wie Barcelona, Madrid, Valencia und Sevilla ein. Fuβball, Flamenco, Stierkampf und Shoppen - das ist, was sie an Spanien vor allem lieben. Für die spanische Regierung ein Riesenpotenzial, weil die Chinesen immer reicher werden: Im vergangenen Jahr gaben sie gemäss der World Tourism Organisation in Madrid acht Milliarden Euro mehr für Reisen aus und führen damit das Ranking der spendierfreudigsten Touristen mit 258 Milliarden US-Dollar an (siehe Grafik).
Nach Zahlen der China Tourism Academy (CTA) besuchten rund 600.000 Chinesen in 2017 Spanien. Bis 2020 will das spanische Tourismusministerium diese Zahl auf eine Millionen hoch treiben, denn die Ausgaben der Urlauber aus Fernost werden immer mehr zu einem Wirtschaftsfaktor für das Land: Während es in 2012 gerade mal 112 Millionen Euro waren, ließen chinesische Urlauber in 2017 beinahe 800 Millionen Euro in spanischen Geschäften, Restaurants und Museen.
Auch die Mafia mag Spanien
Allerdings kam mit den Touristen und dem Wirtschaftswachstum auch die Mafia ins Land. Vor allem mit dem Import- und Exportgeschäft waschen einige Chinesen im groβen Stil Geld. Bisher war das in Spanien einfach. Unter anderem die gröβte spanische Bank, Caixabank, muss vor Gericht beweisen, dass sie den Chinesen dabei nicht mitgeholfen hat. Es geht hier um fast 100 Millionen Euro, die im Zeitraum von 2011 bis 2015 durch die ehemalige Sparkasse geflossen sein sollen. Die verdächtigten Niederlassungen befinden sich alle im Madrider Gewerbegebiet Cobo Calleja, fest in Händen von Chinesen.
Auch die chinesische Bank Industrial y Comercial de China (ICBC) war 2016 Gegenstand von Ermittlungen gegen kriminelle interne Strukturen und Geldwäsche. Es kam zu zahlreichen Festnahmen auch einigen Verurteilungen, aber das florierende Geschäft der Chinesen, die mit ihrem wachsenden Wohlstand immer mehr Macht in Spanien haben, auch bei spanischen Politikern, geht weiter. Sie feiern hierzulande inzwischen auch viele ihrer Feste wie das chinesische Neujahr. Dass man sie jedoch weder auf Mallorca noch in Marbella sieht, dafür aber in den Groβstädten, liegt auch daran, dass selbst reiche Chinesen in Spanien eher bescheiden leben. In Madrid findet man die meisten Unternehmer in Usera, einem eher ärmeren Randbezirk der Metropole. Mit Yachten und jungen Mädchen protzen sie nicht.
Junge Chinesen wollen mehr als nur arbeiten
Beichen Xiao ist sich bewusst, dass er dazu beiträgt, die immer noch bestehenden Vorurteile der Spanier gegenüber den Chinesen abzubauen. Denn immer mehr junge Chinesen kommen wie er zum Studieren nach Spanien und haben mit Mafia wenig zu tun: "Ich weiβ gar nicht, was das ist", sagt der 24-Jährige. Auch die 32-jährige Sheng Chen lebt ein völlig anderes Leben als viele der chinesischen Wirtschafts-Immigranten. Sie kam schon 2005 zum Studieren nach Spanien, wo sie jetzt als Chinesisch-Lehrerin und Übersetzerin arbeitet: "Das Interesse an Chinesisch wächst hier, auch in den Schulen. Ich wollte eigentlich zurück, aber das Leben in Madrid ist einfacher für mich."
Spanischer Schinken wird zum chinesischen Verkaufsschlager
Spanien bietet viele Chancen für Chinesen. Die Tatsache, dass der chinesische Amazon-Konkurrent Jd.com jetzt auch massiv in den spanischen Markt eintritt, hilft Chen zum Beispiel dabei, ihre Arbeit als Übersetzerin weiter auszubauen. Schon jetzt hat das Unternehmen, das immerhin jährlich knapp 56 Milliarden Euro umsetzt, viele spanische Marken im Programm und ab sofort auch iberischen Schinken: "Der Konsum hat in China in den vergangenen zwei Jahren um 700 Prozent zugenommen", berichtet die Vize-Präsidentin von Jd.com, Gloria Li.
Das Handelsunternehmen, das auf fast 300 Millionen Kunden kommt, hat deswegen gerade einen Kooperationsvertrag mit Osborne unterschrieben, einem der gröβten Produzenten von spanischen Delikatessen. Dass die Chinesen darauf stehen, hat Chen schon bei ihrem kurzen Ausflug als Personal Shopper am Madrider Flughafen erlebt: "Es ist beeindruckend zu sehen, wieviel Geld dort ausgeben wird." Eine Keule Schinken kann dabei bis zu 600 Euro kosten. Auch Studentin Shao liebt den 'Jamón iberico': "Aber ich liebe auch Stierkämpfer", gesteht sie ein. Das wiederum macht sie für viele Spanier sehr sympathisch.