Chinas üppige Einkaufstour
11. Januar 2017Die chinesischen Auslandsinvestitionen sind im vergangenen Jahr sprunghaft um 40 Prozent auf die Rekordhöhe von 180 Milliarden Euro gestiegen. Deutschland hat in der Europäischen Union mit elf Milliarden Euro das meiste Kapital aus China angezogen, gefolgt von Großbritannien, wie aus einer Studie des Berliner China-Instituts Merics und der Rhodium Gruppe hervorgeht.
Die Chinesen sind besonders an Hochtechnologie und fortschrittlichen Produktionsanlagen interessiert, was zunehmend Widerstand auslöst. Umgekehrt sind die Europäer 2016 zögerlicher geworden, in China zu investieren. Im vierten Jahr in Folge fielen die europäischen Investitionen in China auf zuletzt nur noch acht Milliarden Euro - gut ein Viertel der chinesischen Investitionen in der EU. Ursache für den Rückgang sind das sinkende Wachstum in China, rückläufige Gewinnmargen und Hürden für ausländische Investoren.
Kapitalströme kehren sich um
Chinesische Unternehmen investierten hingegen mit 35 Milliarden Euro um 77 Prozent mehr in Europa als im Vorjahr. 31 Prozent der Investitionen wurden allein in Deutschland getätigt. Es war das erste Mal, dass mehr Kapital aus China nach Deutschland geflossen ist als umgekehrt. "Chinas Ambitionen und konkrete Strategien, im industriepolitischen Wettbewerb aufzuholen, werden deutsche Unternehmen und Technologieführerschaft in einigen Industrien vor massive Herausforderungen stellen", sagt Mikko Huotari von Merics.
"Übernahmen spielen für diese - legitime - Aufholjagd eine wichtige Rolle." Es müsse aus deutscher Perspektive zumindest sichergestellt werden, dass sie den Prinzipien eines fairen Wettbewerbs folgten. Die Studie rechnet in diesem Jahr nicht mehr mit ähnlichen starken Wachstumsraten für Chinas Auslandsinvestitionen wie 2016. Die Kontrolle der Transaktionen sei verschärft worden, weil die starke Kapitalabwanderung die Politiker in Peking auch nervös mache. Auch wächst in Deutschland und Europa die Sorge vor einem Ausverkauf und die Abwehrhaltung gegen Übernahmen.
Hochtechnologie gefragt
Das langsamere Wachstum in China und die Abwertung der chinesischen Währung verstärkten 2016 die Anreize, sich stärker im Ausland zu engagieren. Begehrt sind außer Hochtechnologie auch Energie- und Versorgungsunternehmen. Lediglich Investitionen in Immobilien sanken deutlich - vermutlich teilweise ausgelöst durch das strengere chinesische Vorgehen gegen Kapitalabflüsse.
In Europa waren die größten Transaktionen die Übernahmen des finnischen Online Gaming Anbieters Supercell für 6,7 Milliarden Euro und die des deutschen Roboterbauers Kuka für 4,7 Milliarden Euro. Der Kauf von Kuka löste eine heiße Debatte aus. Die Europäer fordern, in China ähnlich frei investieren zu dürfen wie chinesische Unternehmen es in Europa tun können. Auch werfen Chinas Investitionen in kritischen Infrastrukturprojekten zunehmend Sicherheitsfragen auf - wie etwa beim britischen Atomkraftwerk Hinkley Point.
Peking soll gleiche Bedingungen schaffen
Die unterschiedlichen Prüfungen ausländischer Investitionen durch die jeweiligen Länder ist nach Ansicht der Autoren der Studie zunehmend ungeeignet, um Risiken einzuschätzen. Wettbewerb, widersprüchliche nationale Interessen und Bewertungen der Sicherheitsaspekte machten ein gemeinsames europäisches Prüfungsverfahren "unwahrscheinlich".
Denkbar sei allerdings, dass Transparenzanforderungen und informeller Austausch verstärkt werden, sagte Huotari. "Auch eine Art von Minimal-Standards bei Prüfungen ist nicht ausgeschlossen." Ferner könnten wettbewerbspolitische Instrumente schärfer angewendet werden.
Die Politisierung und mögliche Verschärfungen von Investitionsregeln stellten potenzielle Hürden für chinesische Unternehmen dar, in Europa zu expandieren. Wie Europa künftig auf Investitionen aus China reagiert, hängt aus Sicht der Autoren in erster Linie von Chinas Reformfortschritten ab. "Nur wenn China die Rolle des freien Wettbewerbs stärkt und gleiche Bedingungen für ausländische Unternehmen schafft, wird man in Europa chinesische Investitionen als für alle Seiten gewinnbringend ansehen können."
wen/sti (dpa, Merics)