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Chinas Propaganda erfindet Schweizer Forscher

12. August 2021

Ein fiktiver Schweizer Biologe kritisierte die USA scharf und sollte die These entkräften, dass das Coronavirus ursprünglich aus einem chinesischen Labor stammt.

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Ein Mann vom Sicherheitsdienst verhindert mit der Hand Aufnahmen in China
China reagiert zunehmend gereizt auf Fragen nach dem Ursprung des Coronavirus.Bild: Ng Han Guan/AP Photo/picture alliance

Traditionell steht die Schweiz für Neutralität, für Zuverlässigkeit und Korrektheit. Und ein Wissenschaftler aus der Schweiz ist quasi die Verkörperung dieser positiven Attribute.

Entsprechend glaubwürdig wirken da die Ausführungen des schweizerischen Wissenschaftlers Wilson Edward auf Facebook: "Forscherkollegen beklagten sich darüber, dass sie enormem Druck und sogar Einschüchterungen vonseiten der USA und bestimmter Medien ausgesetzt waren". Als Biologe der Universität Bern sei er bestürzt, wie die Suche nach dem Ursprung des Coronavirus in den letzten Monaten politisiert worden sei. 

In China vielfach zitiert

Viele der staatlich gelenkten chinesischen Medien und Plattformen nahmen diese Ausführungen allzu gerne auf, stützten sie doch von Peking vertretenen Linie, dass eine Verantwortung des Labors in Wuhan beim Ausbruch der Corona-Pandemie eine böswillige Behauptung der US-Regierung sei.

WHO Experten in Wuhan auf der Suche nach dem Ursprung des Coronavirus
Die Suche des WHO-Teams in China nach dem Ursprung des Coroanvirus bleibt umstritten.Bild: Hector RetamalAFP/Getty Images

In der Tat ist in Wissenschaftskreisen die Labor-These umstritten. Trotzdem hätten die USA weiterhin Druck auf die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausgeübt, beklagt das chinesische Außenministerum. All diese Verunglimpfungen seitens der USA entbehrten aber jeglicher wissenschaftlichen Evidenz, so die chinesische Regierung. Es seien Fake News und Propaganda. 

Danke Wilson Edward für diese wissenschaftlich fundierte Klarstellung! Wo es doch in der politischen Auseinandersetzung in den letzten Monaten so viele "alternative Fakten" und Fake News gab.

Zu dumm nur, dass es jenen schweizerischen Biologen aus Bern offenkundig gar nicht gibt, dass er wohl vielmehr von der chinesischen Staatspropaganda erfunden wurde. 

Schweizer Suchaufruf

Die Schweizer Botschaft in Peking verpackte die Klarstellung auf Twitter und der chinesischen Entsprechung Weibo in eine süffisante Suchmeldung: "Wilson Edwards, wenn du wirklich existierst, würden wir dich gerne treffen!"

Weder sei ein Schweizer unter dem Namen registriert, noch seien irgendwelche wissenschaftlichen Forschungsarbeiten unter dem Namen veröffentlicht worden. Es seien Fake News und die chinesischen Medien sollten diese falschen Berichte entfernen.

Vielleicht hat der in China hochgeschätze Wilson Edward ja auch nur ein Pseudonym verwendet - soll auf Facebook ja durchaus vorkommen. Wilson klingt immerhin internationaler als ein vielleicht urschweizerischer Name wie Urs. Vielleicht war er auch frustriert und hat nur diesen einen Post abgesetzt, weil er bei Facebook nur drei Freunde hat.

Symbolbild Facebook Social Media Fake News
Ein genauer Blick hilft: In Netzwerken wie Facebook wimmelt es nur so von Face-Accounts und Fake NewsBild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Wahrscheinlich handelt es sich aber einfach um einen sehr plump gemachten Fake-Account, der eigens für diesen Post angelegt wurde und der nach Aufdeckung des Betrugs auch gleich wieder gelöscht wurde. In China kann dies eh niemand lesen oder nachprüfen, weil Facebook wie viele andere Plattformen und auch seriöse Medien gesperrt ist.

Chinas Staatspropaganda in westlichen Netzwerken

Dass Peking nicht nur die chinesischen Medien und Portale streng zensiert, sondern auch in beliebten westlichen Plattformen wie Facebook, YouTube oder Twitter gezielt die Diskussionen zu China-relevanten Themen wie die Corona-Pandemie oder die Lage der Uiguren beeinflussen will, ist schon länger bekannt.

Anschaulich dokumentiert hat dies etwa die britische Nichtregierungsorganisation Centre for Information Resilience, die jüngst mehr als 350 dieser Fake-Profile untersucht hat. Laut der Studie "Revealed: coordinated attempt to push pro-China, anti-Western narratives on social media" sollen mit diesen gefälschten Accounts jedwede Kritik an China zurückgewiesen und stattdessen westliche Regierungen angegriffen werden. Wo Streit und Zwietracht herrscht, wirkt die allgegenwärtige Staatspartei Chinas wie eine verlässliche Größe.

Immerhin haben aber inzwischen auch einige linientreue Medien und Plattformen in China stillschweigend die Zitate von Wilson Edward gelöscht.

Aber vielleicht meldet sich der gesuchte Biologe aus Bern ja auch auf die Suchanfrage der Schweizer Botschaft.

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund