Staatsfernsehen zeigt verschwundenen Verleger
18. Januar 2016Drei Monate nach seinem Verschwinden hat das chinesische Staatsfernsehen den vermissten Buchhändler Gui Minhai gezeigt. Bei seinem Auftritt erklärte der Mitbesitzer des Verlags Mighty Current, er sei nach China zurückgekehrt, um sich seiner "rechtlichen Veranwortung" zu stellen. Gui gab an, er sei vor elf Jahren betrunken Auto gefahren. Dabei habe er einen Unfall verursacht, bei dem ein Mann ums Leben gekommen sei.
Mehr Fragen als Antworten
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte, der TV-Auftritt Guis, der in China geboren wurde und die schwedische Staatsbürgerschaft besitzt, werfe mehr Fragen auf, als er Antworten gebe. "Aus juristischer Sicht ist das Video wertlos", erklärte Nicholas Bequelin, Ostasien-Chef von Amnesty, der französischen Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP). Es bleibe unklar, wo sich Gui aufhalte und von wem er warum festgehalten werde. Nicht auszuschließen sei, dass er unter Zwang ausgesagt habe.
Von chinesischen Agenten verschleppt?
Insgesamt fünf Mitarbeiter des in Hongkong ansässigen Mighty Current-Verlags und eines dazu gehörenden Buchladens gelten seit einiger Zeit als vermisst. Vier der Männer sind seit Oktober verschwunden. Sie kehrten von Reisen in den Süden Chinas beziehungsweise nach Thailand nicht zurück. Der Fünfte, der 65-jährige Verleger Lee Bo, verschwand am 30. Dezember wohl direkt aus Hongkong.
Es wird vermutet, dass die Vermissten allesamt von chinesischen Agenten verschleppt wurden. Der Mighty Current-Verlag publiziert überwiegend Bücher, die sich kritisch mit chinesischen Spitzenfunktionären und Politikern auseinandersetzen. Es geht um Korruption, aber auch um Themen wie das Sexleben der Führungsriege. In China, wo Printmedien, TV, Hörfunk und Internet der strikten Kontrolle der regierenden Kommunisten unterliegen, sind die Publikationen des Verlags verboten. Jetzt plante Mighty Current ein Buch über eine ehemalige Geliebte des chinesischen Präsidenten Xi Jinping.
Die kommunistische Führung in Peking garantiert der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong noch bis zum Jahr 2047 einen Sonderstatus nach dem Prinzip "Ein Land, zwei Systeme". Gemäß dieser Vorgabe haben chinesische Sicherheitskräfte offiziell auch nicht das Recht, dort zu agieren.
se/as (afp, rtre, NYT)