Chinas Börsen straucheln weiter
11. Januar 2016Nach den schweren Kurseinbrüchen vergangene Woche haben die chinesischen Aktienmärkte am Montag erneut deutlich nachgegeben. Der Shanghai Composite Index sackte um 5,33 Prozent ab, der Leitindex der anderen großen Börse in Shenzen verlor 6,12 Prozent.
An den Börsen in Hongkong, Singapur, Seoul und Sidney gaben die Kurse um bis zu drei Prozent nach. In Tokio wurde wegen eines Feiertags am Montag nicht gehandelt.
Die Chinesische Zentralbank wertete den Kurs der Währung Yuan am Montag erneut etwas auf. Nach zunächst acht Abwertungen war es die zweite Aufwertung in Folge.
Am Markt sorgte dies jedoch nur für Verwirrung über den Kurs der chinesischen Geldpolitik. Anleger bezweifelten die Fähigkeit der chinesischen Führung, die Wirtschaftsentwicklung unter Kontrolle zu bringen, sagte der Ökonom Tapas Strickland von der National Australia Bank.
Neuer Schutzmechanismus ausgesetzt
Der schwere Kursrückgang in China seit vergangener Woche konnte bislang nur durch massive staatliche Interventionen gebremst werden. Seit Beginn dieses Jahres galt in China ein neuer Schutzmechanismus, der vorsah, dass der Aktienhandel bei einem Rückgang um mehr als fünf Prozent für 15 Minuten ausgesetzt und bei mehr als sieben Prozent ganz abgebrochen wird. Direkt am ersten Handelstag des neuen Jahres kam dieser Mechanismus zur Anwendung.
Um die Anleger zu beruhigen, schaffte die Börsenaufsicht am Ende vergangener Woche den neuen Schutzmechanismus wieder ab. Zusammen mit einer leichten Aufwertung des Yuans sorgte das am Freitag für eine Stabilisierung; die Börsen erholten sich etwas. Im Verlauf der vergangenen Woche hatte der Shanghai Composite Index fast zehn Prozent, der Leitindex von Shenzhen mehr als 14 Prozent verloren.
Sorge um Yuan und Konjunktur
Die Börsenturbulenzen werden zurückgeführt auf die stotternde chinesischen Konjunktur und die Unsicherheit um Chinas Währung Yuan. Eine Abwertung des Yuan hatte die Sorge vor einem Handelskrieg geschürt und zu fallenden Kursen an Chinas Börsen geführt.
Die Sorge um die chinesische Wirtschaft wurde weiter befeuert, als die Regierung am Samstag die Inflationsrate für Dezember bekannt gab. Demnach legten die Verbraucherpreise um 1,6 Prozent zu - das Inflationsziel der Regierung liegt aber "um drei Prozent".
Spekulationen um weitere Eingriffe
Volkswirte sehen angesichts der mäßigen Inflation noch genügend Spielraum für die Notenbank, die Wirtschaft weiter anzukurbeln. Weitere Nahrung erhalten diese Spekulationen durch die erneut gesunkenen Erzeugerpreise.
Diese waren im Dezember den 46. Monat in Folge rückläufig - zum Jahresende lag das Minus mit 5,9 Prozent auf dem Niveau der Vormonate und im Rahmen der Expertenerwartungen. Der seit jetzt bald vier Jahren anhaltende Rückgang der Produzentenpreise ist eine Folge der hohen Überkapazitäten in der chinesischen Wirtschaft.
Angesichts der jüngsten Daten sieht Liu Ligang, Experte bei der Bank Australia & New Zealand Banking Group, die Notenbank in der Pflicht. Um die Gefahr einer Deflation angesichts der schwachen heimischen Nachfrage und der niedrigen Rohstoffpreise zu verhindern, müsse die Geldpolitik weiter gelockert werden, schrieb er in einer Studie.
Weitere Hinweise auf den Zustand der chinesischen Wirtschaft dürften am Mittwoch die Außenhandelsdaten liefern. Am 19. Januar werden dann die offiziellen Wachstumszahlen für das Jahr 2015 veröffentlicht.
Bundesbank sorgt sich nicht
Gravierende Auswirkungen auf das Finanzsystem in der Eurozone werden die Turbulenzen am Aktienmarkt nicht haben, so die Einschätzung von Bundesbank-Vorstandsmitglied Carl-Ludwig Thiele. "Sollte es allerdings in China zu einem starken Wirtschaftseinbruch kommen, darf man die Auswirkungen nicht unterschätzen, insbesondere nicht für exportorientierte Länder in Europa wie etwa Deutschland", sagte Thiele der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag).
Parallelen zum Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 sieht der Bundesbank-Vorstand nicht. "Ich halte nichts davon, einen solchen Vergleich zu ziehen", betonte er. Die europäische Kreditwirtschaft sei inzwischen stabiler aufgestellt als vor der Finanzkrise.