Chinas Batterie-Riese ganz groß in Thüringen
18. Oktober 2019In Thüringen haben die Bauarbeiten für eine der größten Batteriezellen-Fabriken für Elektroautos in Europa begonnen. Der chinesische CATL-Konzern (Contemporary Amperex Technology Limited) werde in den nächsten fünf Jahren bis zu 1,8 Milliarden Euro investieren, sagte Europapräsident Matthias Zentgraf beim ersten Spatenstich in Arnstadt. "Das ist unser erster Produktionsstandort außerhalb Chinas. Da sind wir sehr stolz drauf." Schrittweise würden bis zu 2000 Arbeitsplätze entstehen. Anfang 2022 solle die erste Fabrik in Arnstadt mit der Produktion von Lithium-Ionen-Akkus beginnen. Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee sprach von einem "Investment der Superlative", bei dem Know-how von China nach Europa fließe.
Konzern erst acht Jahre alt
CATL ist Chinas Vorzeigeunternehmen im Bereich der Akku- und Batterietechnik. Das Unternehmen mit Sitz in der südöstlich gelegenen Stadt Ningde ist noch relativ jung. In der jetzigen Form existiert es erst seit 2011. Produktion und Umsatz haben sich in den vergangenen Jahren vervielfacht. Auch technisch gesehen wird CATL immer besser und kommt qualitativ nach Einschätzung von Analysten immer näher an die drei großen Konkurrenten aus Japan und Südkorea heran - also an Panasonic, LG und Samsung.
Die deutsche Autoindustrie, die sich bei Zellen bisher weitgehend auf Lieferungen von Anbietern aus Korea, China und Japan verlässt, hat ein Auge auf das Projekt. Ist CATL mit einer Produktion in Thüringen erfolgreich, dann wachse der Druck, dass auch die deutschen Hersteller in die Fertigung einsteigen, heißt es unter Automobilfachleuten. In der Politik und der Branche wird seit Jahren über die Marktmacht asiatischer Hersteller diskutiert und die Frage, ob deutsche Autohersteller dadurch in zu große Abhängigkeit geraten, wenn der Verkauf von E-Fahrzeugen wie erhofft stark anzieht.
Nur VW hat - etwas - Erfahrung mit Batteriefertigung
Die Bundesregierung baut deshalb an europäischen Batterie-Allianzen.Als einziger deutscher Autobauer hat VW mit einer Pilotfertigung von Zellen in Salzgitter reagiert, um Erfahrungen auf dem Gebiet zu sammeln. Bei der Investitionsbekanntgabe von CATL (Contemporary Amperex Technology Ltd.) im Juli 2018 in Berlin hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Gemengelage in Deutschland so umschrieben: "Wenn wir es selber könnten, wäre ich auch nicht traurig."
Noch steht CATL mit seinem Projekt am Anfang. Im logistisch perfekt zwischen der Nord-Süd-Autobahn A71 und der Ost-West-Autobahn A4 gelegenen Gewerbegebiet "Erfurter Kreuz" sind 70 Hektar für die Fabrikbauten reserviert. Gebaut werde zunächst auf 22 Hektar, sagt Europa-Präsident Zentgraf. Er kaufte im Frühsommer etwa zehn Jahre alte Hallen und Bürogebäude, die der Bosch-Konzern für einen kurzen, aber teuren Ausflug in die Solarzellenfertigung bauen ließ. Zuletzt hatte die insolvente Solarworld AG dort produziert. Ironie der Geschichte: Die deutsche Solarindustrie ging vor allem in die Knie, weil chinesische Hersteller den Markt mit Zellen und Modulen zu günstigeren Preisen fluteten.
Erste Aktivitäten schon in kommenden Jahr?
Den Europachef des chinesischen Batterie-Riesen ficht das nicht an. Er hat Pläne mit der Immobilie. Dort könnten schon im kommenden Jahr die ersten 200 Arbeitnehmer Module aus Zellen zusammenbauen, die aus China geliefert werden. Beim Zeitplan für die Neubauten ist Zentgraf vorsichtig. "Die Investitionssumme von 1,8 Milliarden Euro soll nach den Planungen innerhalb von 60 Monaten umgesetzt werden - und natürlich abhängig von der Marktentwicklung bei Elektrofahrzeugen." Zunächst solle die Kapazität bei 14, dann bei 24 Gigawattstunden liegen. Zentgraf: "Die Klimaziele sind der Treiber. Alle Autobauer fahren ihre Elektroproduktion hoch."
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) geht davon aus, dass sieben bis 10,5 Millionen E-Autos bis 2030 in Deutschland rollen müssen, um die CO2-Ziele zu erreichen. Einige CATL-Kunden, darunter BMW, haben bereits große Bestellungen abgegeben. Der Münchner Autokonzern, der auch im nahen Leipzig produziert, orderte am Tag der CATL-Entscheidung bei den Chinesen Batteriezellen im Wert von vier Milliarden Euro. Davon sollen Zellen im Wert von 1,5 Milliarden Euro aus Arnstadt kommen, kündigte der BMW-Vorstand an.
Für Thüringen ist die Zellproduktion nach Einschätzung des Wirtschaftsministers eine große Chance. Das Bundesland, in dem Autozulieferer dominieren, kann laut Tiefensee "zu einem der wichtigsten europäischen Standorte für Batterietechnologie aufsteigen". Mehr als ein Jahr hatte Tiefensee mit einem Team um die Ansiedlung gekämpft - und CATL einen roten Teppich ausgerollt. Das Unternehmen scheint es zu honorieren: Der erste Spatenstich für das Großprojekt kam gut eine Woche vor der Landtagswahl in Thüringen.
sti/kle (dpa, tagesschau)